1. FC Kaiserslautern Abpfiff – der Betzenberg-Krimi (28)

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In welchem der Sandig aus einem Koffer 200000 Euro klaut und der Feldkamp sich langsam reichlich doof vorkommt.

Und wie der Feldkamp eine Zigarette gebraucht hat! Was der Sapina da bisher alles vom Stapel gelassen hat, ist eine ganz abgefahrene Nummer! Von wegen irgendwelchen guten Kunden einen Gefallen tun! Der Kerl hat die ganze Zeit nur über sich selbst geredet. Und selbst wenn es diese ominösen Leute gibt, denen er angeblich nur einen Gefallen tut, dann steckt er mit ihnen unter einer Decke! Aber wenn der glaubt, dieser Sausack, ihm die Geschichte vom Pferd erzählen zu können, ihm, dem alten Reporter Feldkamp, dann hat er sich geschnitten. Und zwar gewaltig!

Mit einem Grinsen klopft sich unser Feldkamp von außen an die Innentasche seines Jacketts, in dem sein Handy steckt, mit dem er alles aufgenommen hat. Aber dann kommen ihm Zweifel.

Nicht nur, ob das überhaupt funktioniert hat mit dem Aufnehmen durch ein Jackett hindurch, sondern auch, ob er etwas damit anfangen kann, ihm das letzten Endes überhaupt was bringt.

Der Sapina, dieser gerissene Hund, hat doch genau gewusst, was er sagt. Und das im Beisein seines Anwalts. Der liefert sich doch nicht selbst ans Messer. Aber was soll dann dieses ganze Theater? Weil es ihm gefällt? Das bestimmt auch.

„… Ich haben ihnen empfohlen, einfach die Wahrheit zu sagen. Ihnen alles zu erzählen, was Sie noch wissen wollen, Herr Feldkamp. Und wissen Sie auch warum? Weil ich glaube, dass Sie am Ende des Tages eh nichts anfangen können damit …“

Verfluchte Hacke! Ja. Kein Wort kann er drucken von dem, was dieser Drecksack ihm erzählt hat. Weil er nach wie vor nicht den geringsten Beweis hat, dass der Sandig bestochen worden ist. Der ist tot, der Falschgeldkurier freigesprochen. Was hat er denn noch in der Hand außer diesem Lapsus, der dem Sapina in seiner grenzenlosen Arroganz gerade unterlaufen ist?

„Unser?“

„Unser Mann?“

Einem gewieften Anwalt wie dem Ackermann ist wahrscheinlich schon längst was eingefallen, wie man diese Panne wieder ausbügelt: „Aber ich bitte Sie, Herr Feldkamp. Das war ein kleiner, missverständlicher Versprecher des Herrn Sapina. In der Aufregung des Gefechts. Das kommt vor. Aber da darf man doch nichts Falsches hineininterpretieren.“

Nein. Da braucht er erst gar nicht zu fragen, wenn er jetzt gleich wieder reingeht zu den beiden. Die Antwort des Rechtsanwalts kann er sich gleich selbst geben.

Missmutig drückt der Feldkamp seine Zigarette aus – und greift automatisch nach der zweiten, so wie das ist bei ihm, wenn er unter Stress steht. Doch in seiner Schachtel sind nur noch drei.

Drei wie ein 1:2 heute Abend. Nein, dieses gute Omen darf er nicht gefährden, wo doch gerade der Betze spielt. Und nachschauen, wie es zur Halbzeit steht, auch nicht. Das würde nur Unglück bringen.

Mit zwei gedrückten Daumen schleicht sich der Feldkamp wieder zurück an den Tisch, wo ihn ein schon bestens gelaunter Herr Sapina erwartet.

„Na, Herr Feldkamp, hat die Zigarette geschmeckt? Ich habe ja schon vor Langem aufgehört damit. Aber ich muss gestehen, so nach dem Essen habe ich immer noch Schmacht.“

Der Feldkamp sieht geflissentlich über diese Bemerkung hinweg.

„Und? Wie ist das dann weitergegangen?“, knurrt er. „Der Sandig muss doch dann richtig Druck gekriegt haben nach diesem … ähem … Missgeschick im Zug von diesen … ähem … ihren Leuten. Und sein Lehrling doch wohl auch?“

„Ja. Die konnten natürlich auch nicht an so einen irren Zufall glauben und haben die zwei genau unter die Lupe genommen. Und das umso mehr, weil in dem Koffer nicht nur 100000 Euro Falschgeld gewesen sind.“

„WAS?“

„Ja“, fängt der Sapina wieder an zu kichern, „da waren noch 200000 Euro drin. Aber in echten Scheinen, versteckt unter einem doppelten Boden. Was dem Lehrling aber nicht aufgefallen ist, weil der ja von Tuten und Blasen noch gar keine Ahnung hatte. Der hat erst einmal nur diese riesige Menge Geld gesehen, als er im Zug den Koffer aufgemacht hat. Der hat auch gar nicht erkannt, dass das Falschgeld ist, so besoffen war er von seinem Coup. Darauf aufmerksam gemacht hat ihn erst der Sandig, als sie dann auf ihrer Dienststelle das sichergestellte Geld gezählt und den Vorfall protokolliert haben. Was? Und auch noch Falschgeld? Nein, der ist gar nicht mehr auf die Idee gekommen, den Koffer noch genauer zu inspizieren. Aber der Sandig, der hat das natürlich sofort gesehen mit seinem geübten Auge, dass der Abstand des Bodens nicht exakt zu dem Außenmaß des Koffers passte und dass es da einen versteckten Mechanismus gab, mit dem man einen zweiten Kofferdeckel auf der Rückseite aufklappen konnte. Solche Koffer, die man übrigens auch im Internet kaufen kann, waren ihm während seiner Dienstzeit schon mehr als einmal untergekommen.“

„Und dann hat er gewartet, bis er mit dem Koffer allein war?“

„Nein, der hat streng nach Vorschrift gearbeitet, dass da immer mindestens vier Augen draufschauen müssen auf das, was man sichergestellt hat. Erst nachdem die beiden mit ihrem Protokoll und all dem anderen Papierkram fertig waren, hat er dem Lehrling gesagt, dass er nun den Koffer in die Asservatenkammer bringt. Und auf dem Weg dorthin brauchte er nur das Geheimfach zu öffnen und sich die 200000 Euro in die Uniform zu stopfen. Was zugegebenermaßen gar nicht so leicht war. Oder haben Sie schon einmal versucht, 4000 50-Euro-Scheine mit sich herumzutragen, Feldkamp?“

„Nee, natürlich nicht“, sagt der Feldkamp. „Aber wenn in dem Koffer kein Falschgeld drin gewesen wäre, hätte er sich wahrscheinlich entspannt zurücklehnen können, der Sandig. Weil, wenn die 200000 Euro von einem der Kunden gewesen wären, die ihr Geld aus der Schweiz zurückholten, er davon ausgehen konnte, dass der nicht zur Polizei rennt und sich beschwert, dass ihm Schwarzgeld gestohlen worden ist.“

„Genau“, sagt der Sapina. „Aber der Sandig war ja nicht naiv. Dem war klar, dass das Falschgeld und damit auch die 200000 echten Euro anderen Leuten gehören mussten. Leuten nämlich, mit denen nicht zu spaßen war und die ihm und seinem jungen Kollegen sehr bald auf die Pelle rücken würden.“

„Was dann vermutlich auch geschehen ist.“

„In der Tat. Und der junge Zollanwärter ist natürlich aus allen Wolken gefallen, als er von doch recht obskuren Gestalten ziemlich eindringlich nach dem Verbleib von Geld befragt wurde, von dem er nicht wusste, dass es überhaupt existierte. Der hat es richtig mit der Angst zu tun gekriegt. Und als er dann auch noch massiv bedrängt wurde, in dem bevorstehenden Prozess ja nur richtig auszusagen, fiel ihm nichts anderes ein, als sich mit Depressionen in eine Klinik zu flüchten.“

Hm, denkt der Feldkamp. Das deckt sich genau mit dem, was ihm auch sein früherer Kollege Ilgmoser heute Morgen gesagt hat. Und das kann man verstehen, dass dieser junge Zollbeamte nicht mehr ein und aus wusste. Aber was war mit dem Sandig? Der musste doch wissen, welches Risiko er eingeht. Waren die 200000 Euro es wirklich wert gewesen, dass er dafür sogar sein Leben aufs Spiel setzte?

Wieder einmal scheint es so, als könne der Sapina die Gedanken von dem Feldkamp lesen: „Der Sandig war ein Zocker“, sagt er. „Bei dem hieß es immer nur alles oder nichts. Und so hat er erst einmal weiter den Ahnungslosen gespielt und darauf spekuliert, dass die Besitzer des Koffers vor einem echten Dilemma standen.“

„Dilemma? Das verstehe ich nicht.“

„Gut, dann mal für die ganz Doofen, lieber Herr Feldkamp“, sagt dieses Arschloch von Sapina und grinst dabei vor sich hin, sodass der Feldkamp ihm am liebsten eine reingesemmelt hätte. „Wobei ich damit natürlich in keinster Weise ihren Intellekt in Zweifel ziehen wollte. Aber versetzen wir uns doch einfach einmal in die Lage unserer, pardon, dieser Leute natürlich: Denen ist also ein Koffer mit Geld abhandengekommen. Und beide Zollbeamte schwören Stein und Bein, dass in diesem Koffer nur das Falschgeld drin gewesen ist. Und in der Zeitung und in der offiziellen Pressemitteilung des Zollamts ist auch nur von 100000 Euro Falschgeld die Rede. Das heißt, es ist nicht auszuschließen, dass das echte Geld noch gar nicht entdeckt worden ist und jetzt irgendwo beim Zoll rumliegt. Also muss man dem Sandig und seinem Lehrling erst einmal glauben. Auch wenn das schwerfällt. Dazu kommt, dass die Dienste des Sandig jetzt sogar noch dringender nachgefragt werden. Weil ihre seriösen Kunden, also die mit ihrem Schwarzgeld, das alles auch mitbekommen hatten und sie denen jetzt erst recht sagen konnten: He, habt ihr gesehen? Die anderen schnappen sie – aber uns nicht. Bei uns ist euer Geld wirklich in besten Händen. Der Sandig hatte also erst einmal nichts zu befürchten. Zumindest so lange nicht, bis der Zoll die Sache an die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaft abgegeben hatte. Denn dort würde der Koffer noch einmal gründlich inspiziert und auch das Geheimfach entdeckt werden, so sicher wie das Amen in der Kirche. Ein leeres Geheimfach. So würde es dann auch in den Ermittlungsakten und in der Anklageschrift stehen. Und spätestens wenn der Koffer als Beweisstück auf dem Richtertisch gelegen hätte, wäre er aufgeflogen. Aber bis zum Prozess hatte er Zeit gewonnen. Zeit, in der er es noch einmal richtig krachen lassen konnte, unser Sandig.“

„Sie meinen doch eher Zeit, die ihm noch verblieb, bis er liquidiert werden würde“, sagt der Feldkamp angewidert. „Oder wie drückt man sich in ihren Kreisen aus: abgeschaltet?“

„Ach“, lächelt der Herr Sapina da, „ihr Journalisten und eure wilden Fantasien. Ihr denkt natürlich immer gleich an die Mafia, die ihre Killer schickt. Wobei, ich will nicht ausschließen, dass der Sandig genauso gedacht hat. Also wenn Sie mich fragen, man konnte schon in den letzten Wochen den Eindruck gewinnen, dass der sich ganz bewusst zu Tode saufen wollte, zu Tode koksen und zu Tode vögeln.“

„Und was war dann mit diesem Arzt im Hubertushof?“, fragt der Feldkamp immer wütender. „Der Mann, der mit ihm aufs Zimmer gegangen ist. Sollte der da nur Händchen halten?“

„Genau das“, sagt der Herr Sapina.

Weiterlesen? Alle Teile des Betze-Krimis finden Sie hier.

Zur Person

Udo Röbel, geboren 1950 in Neustadt an der Weinstraße, ist Journalist und Autor. Der ehemalige RHEINPFALZ-Volontär wurde später in die Chefredaktion des Kölner „Express“ und an die Spitze der BILD-Zeitung berufen. Für seine Rolle in der sogenannten Kießling-Affäre wurde er mit dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse ausgezeichnet. 1988 stieg er bei der Geiselnahme von Gladbeck zu Entführern und Geiseln ins Auto. Das Verhalten der Medien während der Geiselnahme führte zu einer Erweiterung der Richtlinien im Pressekodex. Heute lebt Röbel in Hamburg und Berlin. Ein Interview mit dem Autor finden Sie hier.

Journalist und Autor Udo Röbel.
Journalist und Autor Udo Röbel.

An dieser Stelle finden Sie ein Video via GlomexSport.

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