1. FC Kaiserslautern Abpfiff – der Betzenberg-Krimi (26)

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In welchem der Feldkamp kaum noch zu Wort kommt und der Herr Sapina eine Katze nur ganz, ganz langsam aus dem Sack lässt.

Von der Balkanplatte für zwei könnten auch drei satt werden. Doch der Anwalt, den der Herr Sapina mit in das Restaurant Dubrovnik gebracht hat, hat es am Magen und nur eine Flasche Wasser bestellt. Ohne Kohlensäure, bitte.

Der Herr Sapina scheint es nicht am Magen haben. Zu der Grillplatte, auf der sich Berge von Fleisch über Pommes frites und Djuvecreis türmen, hat er sich noch eine Extraportion Cevapcici bringen lassen, die er sich genüsslich mit den Fingern in den Mund schiebt. „Köstlich“, sagt er. „Fast so gut, wie sie meine Mutter immer gemacht hat. Aber nur fast.“

Wie gut die Mutter vom Sapina früher gekocht hat, interessiert unseren Feldkamp im Moment nicht die Bohne. Seit dem Anruf von heute Vormittag zermartert er sich das Gehirn, was diese plötzliche Einladung zum Essen bedeuten soll. Ist dem Sapina langweilig und braucht er einen, mit dem er über den FCK reden kann? Soll das ein verkapptes Dankeschön für das Bombengeschäft sein, das er mit seiner Hilfe mit der Frau Sandig gemacht hat? Und wieso weiß Sapina eigentlich, dass der Feldkamp in der Stadt ist? Und warum hat er seinen Anwalt mitgebracht? Und warum schaut er ihn die ganze Zeit so lauernd an?

Dass der Herr Sapina aber gleich ein Geständnis ablegen wird, nee, darauf wäre der Feldkamp im Leben nicht gekommen. Und dann auch noch ein „vollumfängliches Geständnis“, wie es der Anwalt neben ihm vermutlich formulieren würde. Ein Geständnis, das keine Fragen mehr offenlässt – aber am Ende des Tages den Feldkamp noch ratloser aussehen lassen wird, als er es jetzt schon ist.

„Tja, Herr Feldkamp“, beginnt der Herr Sapina und tupft sich mit einer Serviette die Finger sauber, „unserem lieben Gast hier ist immer noch schlecht bei dem Gedanken, dass ich mich mit einem Journalisten treffe. Besonders mit einem Journalisten wie Ihnen, Herr Feldkamp. Einem von diesen hartnäckigen Journalisten, die nicht aufhören können, immer und immer wieder neue Fragen zu stellen. Aber so sind sie halt, die Juristen. Haben nur ihre Paragrafen im Kopf und können sich gar nicht vorstellen, dass Reporter ganz anders gestrickt sind, gell, Ackermann?“

Ackermann, schießt es dem Feldkamp durch den Kopf. Der Anwalt, den der Sapina mitgebracht hat, heißt Ackermann? Ja, dann muss es doch dieser Anwalt sein, von dem der Ilgmoser heute Morgen gesprochen hat? Der Verteidiger von dem Kroaten, dieser „gewiefte“, wie er sich ausgedrückt hat. Und dem ist unwohl, dass sein Mandant mit Journalisten spricht? Schau an, schau an! Da bin ich aber mal gespannt, was da jetzt kommt.

„Tja, Herr Feldkamp“, fährt der Herr Sapina fort, „mein Autohaus kennen Sie ja inzwischen ein bisschen. Und wahrscheinlich ist Ihnen schon aufgefallen, dass ich nicht so sehr an Kunden interessiert bin, die auf der Suche nach einem gebrauchten Diesel sind. Auch wenn die bei mir natürlich genauso gut bedient werden wie die, die sich mehr für einen Audi A8 interessieren. Oder einen Ferrari oder einen Lamborghini. Aber im Autohandel hat man es mit den unterschiedlichsten Leuten zu tun. Mit seriösen Leuten und manchmal auch mit weniger seriösen. Mit ehrenwerten und weniger ehrenwerten. Aussuchen kann man die sich nicht. Und am Ende des Tages zählt eh nur eines: dass man sich gegenseitig vertrauen kann.“

Hä, denkt der Feldkamp. Das ist jetzt aber eine ganz merkwürdige Gesprächseröffnung. Worauf will der hinaus, der Sapina? Und was soll das Gefasel von Vertrauen, wo er doch genau weiß, dass ich weiß, wie schamlos er die arme Frau Sandig über den Tisch gezogen hat?

„Tja, Herr Feldkamp“, plappert Sapina da schon weiter, „die einzige Währung, die in meinem Geschäft zählt, ist Vertrauen. Vertrauen, das sich auch mein Vater und dessen Bruder erst einmal mühsam erarbeiten mussten, als sie hier angefangen haben. Seinen Gebrauchtwagen bei irgendwelchen dahergelaufenen Kroaten zu kaufen? Daran mussten die Leute sich damals erst noch gewöhnen. Heute sind wir das größte Autohaus weit und breit. Und ehrlich gesagt, bin ich ein bisschen stolz darauf, was ich aus dem kleinen Gebrauchtwagenhandel meines Vaters und seines Bruders gemacht habe und welchen Kundenstamm wir heute haben. Und das alles nur wegen dem Vertrauen, das die Leute dann auch mir entgegengebracht haben, als ich die Firma später übernommen habe. Nur: Vertrauen ist ein empfindliches Pflänzchen. Das geht ein, wenn es nicht jeden Tag aufs Neue gehegt und gepflegt wird. Sie verstehen, Herr Feldkamp?“

Der versteht allerdings im Moment immer nur Bahnhof. Will der Sapina ihm jetzt sein ganzes Leben erzählen? Und wozu braucht er dabei einen Anwalt an seiner Seite?

Der Herr Sapina scheint zu ahnen, was der Feldkamp gerade denkt. „Ich sehe, ich muss vielleicht ein bisschen deutlicher werden“, sagt er. „Auch wenn unser guter Ackermann gleich noch mehr Bauchschmerzen kriegt. Also, was ich eigentlich sagen will, ist, dass sich vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen manchmal auch über den Kauf oder Verkauf eines Autos hinausentwickeln müssen, dass man sich auch sonst im Leben mal hilft und gegenseitig unter die Arme greift. Und so haben mich einige meiner Kunden, meiner guten Kunden, wie ich vielleicht betonen muss, gefragt, ob ich ihnen einen Gefallen tun – ob ich einmal mit Ihnen sprechen könnte, Herr Feldkamp. Und da konnte ich ja schlecht Nein sagen, oder, Ackermann?“

Oh, denkt der Feldkamp und legt Messer und Gabel zur Seite. Langsam kommt die Katze wohl aus dem Sack. Da bin ich jetzt aber gespannt! Und wahrscheinlich wird er seinen nächsten Satz gleich wieder mit einem „Tja“ beginnen, dieser gerissene Hund.

Genauso ist es.

„Tja, Herr Feldkamp“, fährt der Herr Sapina fort, „es gibt hier ein paar Leute, die sind ein bisschen nervös, dass sie jetzt schon wieder in Memmingen aufgetaucht sind und heute Morgen auch noch bei Gericht und dass sie sich mit dem anderen Journalisten getroffen haben. Und die machen sich Sorgen, dass Sie vielleicht etwas schreiben könnten, dass nicht nur falsch, sondern auch gefährlich für sie wäre …“

Der Herr Sapina lässt seine letzten Worte genüsslich ausklingen, bevor er sich seinem Anwalt zuwendet: „Habe ich mich unverfänglich genug ausgedrückt, mein lieber Ackermann?“

Der nickt, sagt aber nichts. Und der Feldkamp denkt:

Gefährlich?

Für sie?

Oder für Sie?

So wie der Sapina jetzt grinst, ist ihm voll bewusst, wie doppeldeutig er sich gerade ausgedrückt hat. Ja, es scheint ihm ein diebisches Vergnügen zu sein, dass der Feldkamp sich jetzt aussuchen kann, ob mit seinem sie jetzt diese ominösen Leute gemeint sind, von denen er die ganze Zeit spricht – oder mit einem Sie er selbst, der Feldkamp nämlich direkt.

Letzteres wäre eine unverhohlene Drohung. Und der Feldkamp ist sich ziemlich sicher, dass das genauso beabsichtigt war. Genauso wie ihm jetzt klar ist, warum der Anwalt mit am Tisch sitzt. Der soll wohl jederzeit bezeugen können, dass sein Mandant in diesem Gespräch nie auf die Idee gekommen wäre, einem Journalisten zu drohen. Aber hören wir erst einmal weiter zu.

„Die Sorgen, die diese Leute haben, kann ich verstehen. Und auch denen habe ich gesagt, dass es gute und schlechte Journalisten gibt. Und dass Sie, Herr Feldkamp, ganz gewiss einer von den guten sind. Einer von denen, die sich allergrößte Mühe geben, nichts Falsches zu schreiben. Aber auch einer von den Journalisten natürlich, die sich nicht einschüchtern lassen. Was dann die Frage aufwirft, wie man das jetzt alles unter einen Hut bringt – diese Sorgen auf der einen Seite und ihr berechtigtes berufliches Interesse auf der anderen. Ich habe darüber lange nachgedacht. Und wissen Sie was, Herr Feldkamp? Wissen Sie, was ich meinen Gesprächspartnern empfohlen habe?“

Der Sauhund von Sapina macht jetzt ganz bewusst Pause, schaufelt sich noch einen Berg Djuvecreis auf den Teller und nimmt einen Schluck Bier, bevor er die Katze vollends aus dem Sack lässt: „Ich haben ihnen empfohlen, einfach die Wahrheit zu sagen. Ihnen alles zu erzählen, was Sie noch wissen wollen, Herr Feldkamp. Und wissen Sie auch warum? Weil ich glaube, dass Sie am Ende des Tages eh nichts anfangen können damit.“

Noch einmal wendet sich der Herr Sapina seinem Anwalt zu.

„Wobei wir natürlich eine kleine Einschränkung machen müssen, gell, Herr Ackermann. Ob das nun wirklich die Wahrheit ist, die ich Ihnen gleich erzählen werde, Herr Feldkamp, das wissen wir ehrlich gesagt nicht. Ich kann Ihnen nur erzählen, was man wiederum mir erzählt hat. Und ob das so stimmt, kann ich nicht beurteilen. Wollen Sie es trotzdem hören, Herr Feldkamp?“

Was bleibt unserem Feldkamp da anderes übrig, als mit dem Kopf zu nicken?

Weiterlesen? Alle Teile des Betze-Krimis finden Sie hier.

Zur Person

Udo Röbel, geboren 1950 in Neustadt an der Weinstraße, ist Journalist und Autor. Der ehemalige RHEINPFALZ-Volontär wurde später in die Chefredaktion des Kölner „Express“ und an die Spitze der BILD-Zeitung berufen. Für seine Rolle in der sogenannten Kießling-Affäre wurde er mit dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse ausgezeichnet. 1988 stieg er bei der Geiselnahme von Gladbeck zu Entführern und Geiseln ins Auto. Das Verhalten der Medien während der Geiselnahme führte zu einer Erweiterung der Richtlinien im Pressekodex. Heute lebt Röbel in Hamburg und Berlin. Ein Interview mit dem Autor finden Sie hier.

Journalist und Autor Udo Röbel.
Journalist und Autor Udo Röbel.

An dieser Stelle finden Sie ein Video via GlomexSport.

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