1. FC Kaiserslautern Abpfiff – der Betzenberg-Krimi (22)

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In welchem der Feldkamp herausfindet, wer Frau von Lewitz wirklich ist, und mit ihr in einem Luxushotel Katz und Maus spielt.

Dass der Feldkamp verheiratet ist, habe ich euch schon erzählt?

Nein?

Wirklich nicht?

Also: Der Feldkamp ist verheiratet. Schon zum zweiten Mal übrigens – aber das jetzt schon über 30 Jahre. Und, wie er sagt, immer noch glücklich. Und normalerweise hätte er sich jetzt wirklich gefreut, endlich wieder nach Hause zu kommen und seine Frau in den Arm zu nehmen.

In diesem Fall ist er aber geradezu erleichtert, dass sie momentan noch mit einer Freundin auf einer Ayurveda-Kur ist. Denn selbst einer über so viele Ehejahre gestählten Gattin an der Seite eines Reporters und bekloppten FCK-Fans wäre es wohl etwas schwierig gewesen zu erklären, warum der Mann mit einem roten Seidenhöschen nach Hause kommt. Und erst recht, warum er sich mit der Vorbesitzerin dieses Höschens jetzt auch noch in einem Hotel verabredet hat.

Was? Im Hotel?

Ja.

Denn der Feldkamp hat es jetzt schwarz auf weiß, was er die ganze Zeit vermutet hat. Dass die feine Frau von Lewitz ein Callgirl ist. Und zwar ein Callgirl der Luxusklasse, das über das Internet vermittelt wird. Wobei das mit Schwarz und Weiß durchaus wörtlich zu nehmen ist. Denn die Fotos auf ihrer „Sedkarte“, die ihre „Modelagentur“ ins Netz gestellt hat, zeigen sie nur in Schwarz-Weiß, und im Gegensatz zu ihren anderen „Kolleginnen“, die vorwiegend in irgendwelchen Dessous posieren, auch nur im Porträt. Die langen, blonden Haare offen über die Schulter fallend oder zurückgebunden zu einem Pferdeschwanz. Mit Hut oder ohne. Mit Brille und ohne. Und sie heißt auch nicht Sabine von Lewitz – sondern Chantal.

Gut. Der Feldkamp glaubt ja nach wie vor an das Gute im Menschen und hat noch ein bisschen gezweifelt, ob er ihr vielleicht unrecht tut – und sie vielleicht doch ein ganz normales Fotomodell ist. Aber dass da unter ihren Maßangaben „Nur Haus und Hotel“ steht, klingt doch ziemlich eindeutig.

Genauso eindeutig wie die knurrende Männerstimme, die sich unter ihrer Handynummer gemeldet und ihn angeblafft hat, sich gefälligst an die Agentur zu wenden, wenn er was von ihr wolle.

Und noch eindeutiger wird es, als er bei der Agentur anruft und ihn ein zweiter Mann aufklärt, wie teuer das ist, wenn man Frau von Lewitz, pardon, Chantal persönlich treffen will: Honorar pro angefangene Stunde 500 Euro. Zuvor aber erst einmal 150 Euro Vermittlungsgebühr an die Agentur. Sofort. Entweder per Paypal oder mit Kreditkarte. Rückruf erst nach Zahlungseingang.

Der Rückruf kommt keine zehn Minuten später. Diesmal ist die Frau von Lewitz persönlich am Apparat. Mit einer Stimme genauso unterkühlt, wie sie auf dem Selfie von dem Sandig ausschaut. Und ohne, dass der Feldkamp überhaupt den Hauch einer Chance hat, sie in ein Gespräch zu verwickeln, geschweige denn sie nur am Telefon auszuhorchen, erklärt sie ihm, wie das zu laufen hat mit ihr. Danach muss der Feldkamp erst einmal schlucken.

Madame arbeitet nämlich nur in Hotels ihrer Wahl. Selbstverständlich in den besten am Platze – und natürlich den teuersten. Und ein „Erst-mal-Kennenlernen“ an der Bar lehnt sie kategorisch ab. Schon aus Diskretionsgründen und weil sie da schon schlechte Erfahrungen gemacht hat mit Männern, die dann doch nicht wollten. Was aber auch das kleine Problem mit sich bringe, dass er sich ein Doppelzimmer buchen müsse, damit er an der Rezeption einen Zweitschlüssel für sie hinterlegen kann. Denn ohne den käme sie in diesen Hotels mit dem Fahrstuhl nicht hoch zu seinem Zimmer. Und das wolle er ja nicht, oder? Ach so: Und selbstverständlich trinkt Madame nur Champagner.

Selbstverständlich …

Dem Feldkamp ist gar nichts anderes übrig geblieben, als sie zu buchen. Jetzt, wo er so kurz vor dem Ziel ist. Hätte er da etwa aufgeben sollen, nur des schnöden Mammons wegen? Oder was hättet ihr an seiner Stelle gemacht?

Der Feldkamp hat sich an das Geld erinnert, das er in der Spielbank in Bad Dürkheim gewonnen hat. Nach Abzug seiner Unkosten, inklusive der 150 Euro, die er dem Chinesen gezahlt hat, geht die Geschichte vielleicht plus/minus null aus. Und so liegt er jetzt auf einem Kingsizebett in einem Hamburger Luxushotel, starrt auf eine Champagnerflasche im Eiskübel und wartet darauf, dass es an der Tür klopft. Sich dabei immer wieder fragend, was ein so teures Luxus-Callgirl bewogen haben könnte, auch in der Provinz zu arbeiten. In einem für ihre Verhältnisse doch recht popeligen Hotel wie dem Hubertushof. Und sich nicht mit einem Vorstandsvorsitzenden oder so getroffen hat – sondern mit einem Zolloberinspektor aus Memmingen im Allgäu.

Eigentlich kann es nur ums Geld gegangen sein.

Frau von Lewitz ist auf die Minute pünktlich. Und zum ersten Mal sieht der Feldkamp die Frau nun auch live und in Farbe, die mit dem Sandig in seiner letzten Nacht auf Erden zusammen war. Wobei das mit der Farbe zugegebenermaßen gerade ein etwas schiefes Bild ist. Weil die Frau von Lewitz auch live ein Faible für schwarz-weiß zu haben scheint: schwarze Handtasche, schwarze High Heels, schwarze Strümpfe, schwarzes Kostüm – und darunter eine weiße, hochgeschlossene Bluse mit Stehkragen.

Und wie schon am Telefon hält sie sich nicht lange mit Small Talk auf: „Zuerst das Geschäftliche“, sagt sie kühl und öffnet ihre Handtasche. „Zuerst mein Honorar.“

Der Feldkamp schaut etwas dumm aus der Wäsche. Was aber durchaus für ihn spricht, weil er nicht gleich begriffen hat, dass Vorkasse in diesem Gewerbe die Regel ist. Gleichzeitig muss er fast grinsen, als er sich vorstellt, wie diese Chantal vielleicht mittendrin auf die Uhr schaut und die nächsten 500 Euro fordert.

Immerhin wird ihre Stimme gerade etwas gnädiger: „Entschuldigen Sie bitte“, sagt sie nämlich. „Aber wir kennen uns noch nicht. Und ich habe so meine Erfahrungen.“

Das glaubt der Feldkamp gern. Genau wie daran, dass die zehn 50-Euro-Scheine, die er sich eingesteckt hat, am Ende des Abends in seiner Hosentasche bleiben werden.

„Eigentlich will ich nur reden mit ihnen“, sagt er deshalb.

„Reden oder vögeln“, antwortet diese von Lewitz aber und nestelt an dem obersten Knopf ihrer Bluse. „Der eine will das, der andere das. Kostet aber dasselbe.“

Ihr Blick ist dabei so unbeteiligt wie der einer Sprechstundenhilfe, die dir das Glasfläschchen für eine Urinprobe reicht. Und langsam beginnt die Sache dem Feldkamp zu bunt zu werden, wie diese von Lewitz ihn hier behandelt. Was glaubt die eigentlich? Das hat die vielleicht mit dem Sandig machen können. Ja, vielleicht hat der sogar darauf gestanden. Aber doch nicht mit ihm!

Gleichzeitig ärgert er sich aber auch über sich selbst. Denn er hat das Gefühl, dass er diesem Luder immer weniger gewachsen ist und dass ihm die ganze Situation gerade über den Kopf wächst. Und das muss er jetzt schleunigst verhindern. Am besten mit einem Überraschungsangriff.

„Gut“, sagt er deshalb und holt statt der 500 Euro aus der rechten das rote Spitzenhöschen aus seiner linken Hosentasche. „Dann lassen sie uns doch mal Tacheles reden. Eigentlich wollte ich Ihnen ja nur etwas zurückgeben, was Ihnen gehört.“

Von Überrumpelung und Überraschungsangriff aber leider keine Spur. Statt die Fassung zu verlieren, verengen sich die Augen der von Lewitz wie bei einer Katze, die in den Kampfmodus schaltet.

„Was ist das denn für eine abgefahrene Nummer“, zischt sie. „Bist du pervers? Das kostet aber extra!“

Für einen Moment hat der Feldkamp wieder dieses Gefühl, dass der Boden unter seinen Füßen zu Treibsand wird. Aber dann reißt er sich zusammen: „Genau wie bei dem Herrn Sandig?“, zischt er zurück. „War der auch pervers?“

Zum ersten Mal scheint Madame etwas die Contenance zu verlieren. Erst recht, als der Feldkamp nachsetzt und ihr das Foto unter die Nase hält, das sie zusammen mit dem Sandig an der Bar im Hubertushof zeigt.

„Wie … wie kommen Sie denn an … an dieses Foto?“

Der Ärger im Bauch vom Feldkamp schwindet und macht einem wohligen Gefühl von Triumph Platz.

„Tja“, beginnt er genüsslich zu dozieren, „das haben Sie wohl vergessen. In der Aufregung, als sie den Sandig tot in seinem Zimmer gefunden haben. Dass gelöschte Fotos gar nicht gelöscht sind auf einem Handy. Dass man die auch noch im Gelöschtspeicher löschen muss, bevor sie endgültig gelöscht sind. 30 Tage werden die dort aufgehoben, also im Normalfall, wenn man die Grundeinstellung nicht geändert hat, vermute ich.“

Wie oft hat der Feldkamp gerade „löschen“ oder „gelöscht“ gesagt in einem Satz? Egal. Ihm ist selbst ein bisschen schwindlig geworden dabei. Und etwas peinlich ist es ihm auch, dass er wieder einmal den Faden verloren hat. Jetzt, wo er doch endlich Madame an der Angel hat.

Wobei die Frau von Lewitz aber offensichtlich gar nicht mitgezählt hat. Die ist mit den Gedanken nämlich schon ganz woanders, als sie sich auf das große Kingsizebett sinken lässt.

„Sind … sind … Sie von der Polizei?“, fragt sie.

„Wieso? Haben Sie etwas zu befürchten?“, blafft der Feldkamp zurück. So richtig knallhart wie der Kerl, der sich unter ihrer Handynummer gemeldet hatte. Offensichtlich ist sie ja das gewohnt und versteht nur diese Sprache. Aber das mit dem Knallhartsein ist dem Feldkamp einfach nicht gegeben. Das hat er noch nie gekonnt in seinem Leben, den harten Macker zu markieren. Und wenn – dann reicht das höchstens für einen Satz wie gerade diesen eben. Denn danach ist seine Stimme automatisch wieder so weich und mitfühlend, wie wir es kennen von unserem Feldkamp und wie wir es ja auch mögen bei ihm.

„Nein“, beschwichtigt er. „Ich bin nicht von der Polizei. Ich bin Journalist. Und ich verspreche Ihnen auch, dass Ich ihren Namen rauslassen werde aus dieser Geschichte.“

Das war jetzt natürlich wieder falsch, dass er so ehrlich ist. Denn von Journalisten lässt sich eine wie die Frau von Lewitz natürlich erst recht nicht beeindrucken. Und so hat sie von der einen auf die andere Sekunde ihre Fassung wiedergefunden, erhebt sich vom Bett, streicht ihren Rock glatt und geht zur Tür.

„Ich glaube, es ist besser, ich gehe jetzt“, sagt sie tonlos.

Aber nicht mit dem Feldkamp. Denn der ist zwar kein Macker, aber so ganz neu im Geschäft auch wieder nicht. Und dazu gehört, auch immer noch etwas in petto zu haben. Genauso wie der nette Kommissar im Fernsehen, der beim Verhör mit seinem Verdächtigen Katz und Maus spielt.

„Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun“, sagt er und lächelt.

„Und warum nicht?“, fragt sie schnippisch zurück, schon wieder ganz die Alte. „Wollen Sie zur Polizei gehen? Was soll mir da schon passieren? Das war ein normaler Todesfall. Bedauerlich. Aber das kommt vor. Und nachweisen können Sie mir gar nichts. Schon deshalb, weil ich nichts mit seinem Tod zu tun hatte.“

„Da haben Sie wahrscheinlich recht, Frau von Lewitz. Für die Polizei ist der Fall abgeschlossen. Und ich glaube auch nicht, dass Sie den Herrn Sandig umgebracht haben. Aber wissen Sie, was ich mich die ganze Zeit frage?“

„Was?“

„Was wohl ihre Agentur dazu sagt, wenn sie erfährt, dass Sie sie die ganze Zeit um ihre Vermittlungsprovision beschissen haben.“

Das war ein Schuss ins Blaue. Aber wie es der Feldkamp erhofft hat, auch ein Treffer ins Schwarze.

Denn jetzt wird die von Lewitz zum ersten Mal richtig blass um die Nase, weil mit den Männern, mit denen Feldkamp heute am Telefon gesprochen hat, wohl nicht zu spaßen ist, wenn es um Geld geht. Für den Feldkamp ist dies zudem genau der richtige Zeitpunkt, um seinen letzten Trumpf aus der Hosentasche zu ziehen. Den Zettel nämlich, auf dem er sich notiert hat, in welchen Städten der Sandig in letzter Zeit noch so gepfiffen hat. Hauptsächlich 2. Liga. Einmal sogar Bundesliga.

„Keine Provision“, wiederholt er. „Und das nicht nur für den Samstag im Hubertushof. Nein. Da waren ja auch noch die Treffen in Würzburg, in Regensburg, in München, in Zwickau und nicht zu vergessen – in Köln.“

Das sind jetzt noch einmal fünf Schüsse ins Blaue gewesen, die der Feldkamp da gerade abgefeuert hat. Und ob auch nur einer davon diesmal ins Schwarze getroffen hat, weiß er nicht. Ihre Wirkung scheinen sie trotzdem nicht verfehlt zu haben. Denn jetzt muss die von Lewitz erst einmal tief durchatmen.

„Na gut“, sagt sie und macht auf ihren hohen Hacken kehrt. „Was genau wollen Sie denn wissen, Herr Feldkamp?“

Weiterlesen? Alle Teile des Betze-Krimis finden Sie hier.

 

Zur Person

Udo Röbel, geboren 1950 in Neustadt an der Weinstraße, ist Journalist und Autor. Der ehemalige RHEINPFALZ-Volontär wurde später in die Chefredaktion des Kölner „Express“ und an die Spitze der BILD-Zeitung berufen. Für seine Rolle in der sogenannten Kießling-Affäre wurde er mit dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse ausgezeichnet. 1988 stieg er bei der Geiselnahme von Gladbeck zu Entführern und Geiseln ins Auto. Das Verhalten der Medien während der Geiselnahme führte zu einer Erweiterung der Richtlinien im Pressekodex. Heute lebt Röbel in Hamburg und Berlin. Ein Interview mit dem Autor finden Sie hier.

 

 

 

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