Saach blooß – die Dialektserie Rind trifft Kamel
Aber auch im Pfälzischen sind vor allem Redensarten erhalten wie „Der guckt wie die Kuh, wann’s blitzt“, „wie de Ochs vorm Scheierdoor“ oder „wie de Ochs am Berch“. Gemeint ist hier jeweils: Hier schaut jemand verdutzt oder dumm aus der Wäsche. Womit wir wieder beim miesen Image des – wie stets behauptet – dummen Rindviehs angelangt sind.
Kuh, Stier, Ochse und Kalb stehen beileibe nicht allein im tierischen Pfälzer Schimpf- und Schmähwortuniversum – es gibt noch „die dumm Gääß“, „die bleed Gans“, „de letzohriche Hund“ und „des närrische Hinkel“ – aber das Rindvieh wird stets an vorderster Front beleidigt. Ein Beleg dafür: Mehrere Folgen hat „Saach blooß“ der zoologischen Gattung Bovidae bereits gewidmet. (Apropos dumm: Eine Sammlung von Pfälzer Sprüchen zum Thema finden Sie hier: Pfälzisch für Dummies: Die schönsten Sprüche für Dabbschädel und Dollbohrer.)
Wir können jedenfalls, was die Rindviecher angeht, festhalten: Solange die Menschen Pfälzisch sprechen, werden „die dumm Kuh“, „de bleede Ochs“ und all die vielen Varianten davon im Pfälzer Sprachschatz überleben. Das Schimpfwort „Rindskamuffel“ allerdings, nach dem wir in der jüngsten Folge gefragt hatten, steht auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Dialektwörter. Was „Saach blooß“ in diesem Fall sehr schade findet, weil das „Rindskamuffel“ schon beim ersten Hören so viele Rätsel birgt. Was ist ein „Kamuffel“? Was ist das für eine Zusammensetzung? Und: Was ist damit überhaupt gemeint?
Zur letzten Frage sind die Zuschriften der Leserinnen und Leser relativ eindeutig. Es hat sich – wieder einmal – jemand „dabbich“ angestellt. „Meine Mutter hat es bei passender Gelegenheit benutzt, zum Beispiel beim Kartenspielen, wenn der Partner die falschen Karten abgeworfen hat“, erklärt Marianne Vogt aus Weingarten. „Dann hieß es: Du bist so ein Kamuffel, warum hast du nicht ... Jetzt haben wir verloren!“ Dabei meine es das (oder der) „Kamuffel“ doch gar nicht böse, ergänzt die Leserin aus der Südpfalz, sondern es sei „einfach nur dämlich, ein Dussel, ein Döskopp – aber halt relativ ungefährlich“.
„Stur, stoffelig, nicht verhandlungsbereit“
Immerhin ist das „Kamuffel“ oder „Rindskamuffel“ in unterschiedlichen Regionen der Pfalz noch bekannt. Roland Rübel aus Bruchmühlbach-Miesau kennt es von seiner Großmutter und deren Schwester aus Landstuhl und er hört sie noch heute sagen: „Mensch, des is doch e richtiches Kamuffel“ oder „Was hadden des Kamuffel jetzt schunn werre oogestellt!“ Gemeint gewesen seien „meist eine Frau oder ein Kind, die etwas behäbig oder schwer von Begriff waren“. Doris Rittmann aus Birkenheide wiederum meint, (Rinds-)Kamuffel werde „für gewisse männliche Wesen gebraucht“, die sich „stur, stoffelig, nicht verhandlungsbereit“ und damit eben „dumm“ zeigten.
Dummheit scheint allerdings nicht das einzige mögliche Kriterium zu sein, das man erfüllen kann, um in der Pfalz als „Kamuffel“ oder „Rindskamuffel“ bezeichnet zu werden.
Für Claus Becker aus Mauchenheim bedeutet „Kamuff“ „schlechter Kamerad“: jemand, der jemanden kränke oder täusche. Edelgard Oerther aus Oberotterbach erinnert sich an ihre 1905 geborene Großmutter, die den Ausdruck für verstockte Menschen benutzt habe, „die herumdrucksen und nur das Allernötigste sagen“. In eine ähnliche Kerbe schlägt Anton Schäfer aus Rülzheim mit seinem Sechszeiler:
„Wer ,Danke’ nit un ,Bitte’ saacht,
die Dier em vor de Nas zuschlaacht,
wer rilpst am Disch un, uugelooche,
sich ääfach nemmt, ohne ze frooche,
’kurzum: wer ufftret wie en Stuffel,
der isch en echter Rindskamuffel.“
Die einzige und erstaunliche Ausnahme vom „Kamuffel“ als Schmähwort liefert Roland Rübel, der sich an einen Bekannten aus der Südwestpfalz erinnert, der in den 1980er- und 1990er-Jahren seine Frau meist „mei Kamuffelche“ genannt habe, „was absolut zärtlich gemeint war und von seiner Frau auch so aufgefasst wurde“. Der Leser schreibt: „Ob diese Liebkosung im Pfälzerwald unter Eheleuten gang und gäbe war oder ob es sich um eine absolute Ausnahme gehandelt hat, habe ich leider nie erfahren.“
„Camuffare“, heißt es auf Italienisch
„Saach blooß“ hält als Zwischenbilanz fest: In aller Regel ist ein als „Rindskamuffel“ titulierter Mensch (in den Augen anderer) blöd. Die zugrundeliegenden Vergehen variieren und können von Sturheit und Stoffeligkeit über mangelnde Verlässlichkeit und Boshaftigkeit bis zum klassischen Fehlen von Intelligenz reichen.
Schwerer zu fassen ist der mutmaßliche Ursprung des Worts „Rindskamuffel“ beziehungsweise von des zweitem Teil. „Muffeln“ könnte drinstecken, vermutet Edelgard Oerther, was zur Bedeutung „verstockt“ passt. Das italienische „camuffare“ und das französische „camoufler“ für „betrügen“, „täuschen“, „kränken“, „schmähen“ könnte zum „Kamuffel“ in Verbindung stehen, meinen Reinhard Hartmann aus Kaiserslautern und Claus Becker. Auch das Kamel – beliebt für Beschimpfungen – könnte in Kombination mit „muffeln“ zum „Kamuffel“ führen. Das „Rindskamuffel “ wäre damit so etwas wie ein Pfälzer Schimpfwort-Fabel-Trampeltier.
Das „Pfälzische Wörterbuch“ spannt den Bogen zu „kamuffeln“, das „fleißig lernen“ bedeute (ähnlich wie „ochsen“). Ein „Rindskamuffel“ wäre dann also jemand, schlägt „Saach blooß“ zum Abschluss vor, der sich beim Lernen anstellt „wie de Ochs am Berch“.
Womit wir immerhin nicht ganz dumm aus dieser Folge gehen, sondern wenigstens etwas schlauer.
Nächstes Mal: Was heißt „Druschel“?
Die nächste Folge soll dann dem Wort „druschel“ gewidmet sein, das in Worten wie „druschelig“, „Druscheleck“ oder Zusammensetzungen wie „alti Druschel“ auftritt. Wer kennt das Wort und in welchen Verwendungen? Was bedeutet es? Wo kommt es her? Schreiben Sie uns!
Die Serie und die Mitmach-Infos
Unter dem Motto „Saach blooß“ ergründen wir Sprüche, Redensarten und Wörter aus der Pfalz und die Geschichten dahinter. Wir tun das mithilfe unserer Leserinnen und Leser. Heute lesen Sie Folge 297. Folge 296 zum Thema „gemoddelt“ finden Sie hier: Der Klamottenschock: Wie sehen denn Sie aus? Wenn Sie mitmachen wollen, schreiben Sie unter dem Kennwort „Saach blooß“ an: RHEINPFALZ am SONNTAG, Amtsstraße 5-11, 67059 Ludwigshafen, E-Mail: saachblooss@ rheinpfalz.de. Das große Buch zur Serie gibt“s überall im Pfälzer Buchhandel und hier im RHEINPFALZ-Shop.
Info
Dieser Artikel stammt aus der RHEINPFALZ am SONNTAG, der Wochenzeitung der RHEINPFALZ. Digital lesen Sie die vollständige Ausgabe bereits samstags im E-Paper in der RHEINPFALZ-App (Android, iOS). Sonntags ab 5 Uhr erhalten Sie dort eine aktualisierte Version mit den Nachrichten vom Samstag aus der Pfalz, Deutschland und der Welt sowie besonders ausführlich vom Sport.