Hochwasser an der Ahr Präzise Warnungen lagen früh vor

Die Bundeswehr hilft. 120 Bundeswehr-Pioniere wurden am Wochenende nach Rheinland-Pfalz verlegt. Ihren Einsatz im Katastrophenge
Die Bundeswehr hilft. 120 Bundeswehr-Pioniere wurden am Wochenende nach Rheinland-Pfalz verlegt. Ihren Einsatz im Katastrophengebiet bei Ahrweiler begannen die Soldatinnen und Soldaten gestern.

Die Behörden im Landkreis Ahrweiler wurden wohl präzise und frühzeitig vor dem katastrophalen Hochwasser gewarnt, das an der Ahr mindestens 134 Menschen das Leben kostete. Diesen Schluss legen Informationen des Landesamts für Umwelt nahe.

Am Mittwoch, 14. Juli, dem Tag vor der nächtlichen Flutkatastrophe, tagte der Krisenstab des Landkreises Ahrweiler ab dem späten Nachmittag etwa 500 Meter Luftlinie von der Ahr entfernt in der Ahrweilerer Wilhelmstraße. Ein Zeitungsbericht deckt nun auf, dass den Verantwortlichen in der Kreisverwaltung präzise Warnungen vorlagen, die das Hochwasser voraussagten. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) in der Samstagausgabe berichtete, habe die Kreisverwaltung neben den online veröffentlichten Informationen im Laufe des Nachmittags und des Abends „mehrere automatisierte E-Mails des zuständigen Landesamts für Umwelt“ erhalten, in denen über einen extrem hohen zu erwartenden Pegelstand von fast sieben Metern informiert worden sei. Das habe ein Sprecher des Landesamts der Zeitung mitgeteilt. Trotzdem habe der Kreis bis in den späten Abend nicht den Katastrophenfall ausgelöst und zunächst auch keine Evakuierung eingeleitet.

135 Tote im Land

Wie berichtet, hatte extremer Starkregen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen vor mehr als zwei Wochen verheerende Überschwemmungen ausgelöst. Viele Gemeinden, insbesondere im rheinland-pfälzischen Ahrtal, wurden verwüstet. Rheinland-Pfalz meldete bislang 135 Tote – 134 Menschen starben im Ahrtal, eine Person kam in Trier ums Leben. 59 weitere Menschen werden noch vermisst. In Nordrhein-Westfalen gab es 47 Todesopfer.

Die Menschen könnten sich darauf verlassen, dass der Abend „exakt aufgearbeitet“ werde, sagte Landesinnenminister Roger Lewentz (SPD) am Freitag der „FAZ“. Er war laut dem Zeitungsbericht an dem Abend selbst zeitweilig im Ahrweilerer Krisenstab, habe sich später aber auch um andere Kommunen gekümmert. Ein Sprecher des Innenministeriums verwies laut dem Zeitungsbericht darauf, dass die Verantwortung für die Einsatzleitung bei der Kreisverwaltung gelegen habe. Landrat Jürgen Pföhler (CDU) ließ nach Angaben der Zeitung mehrere Anfragen unbeantwortet.

Land übernimmt erst nach drei Tagen

Wie die RHEINPFALZ am SONNTAG am 25. Juli berichtete, hatte das Land erst drei Tage nach dem Unwetter die Einsatzleitung für den Katastropheneinsatz in Bad Neuenahr/Ahrweiler übernommen. Die Bewältigung des Unwetters übersteige die Möglichkeiten des örtlichen Katastrophenschutzes, hieß es. Federführend war ab dann die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD).

Die „FAZ“ berichtet nun minutiös über Warnungen des Europäischen Hochwasserwarnsystems am Mittwoch dem 14. Juli, dem Tag vor der nächtlichen Katastrophe. Um 11:47 Uhr habe das Landesamt für Umwelt die Warnstufe für die Ahrregion auf Rot (zweithöchste Warnstufe) angehoben. Ab 17:17 Uhr sei nach Angaben eines Sprechers des Landesamts die höchste Warnklasse (violett) automatisiert an die zuständigen Behörden versendet worden. Zusätzlich habe der Hochwassermeldedienst des Amts Pegelstände prognostiziert. Für Altenahr sei schon am Mittag eine Prognose herausgegeben worden, die beinahe an das Jahrhunderthochwasser heranreichte: 3,30 Meter.

Am Nachmittag Warnung vor Extremhochwasser

Um 15:24 Uhr, so die Informationen der FAZ, habe das Landesamt dann einen noch viel höheren Pegelstand von fünf Metern prognostiziert. Lediglich am frühen Abend sei die Warnung laut der Zeitung kurzfristig etwas entschärft worden. Damit hatte Landrat Jürgen Pföhler (CDU) seine zunächst abwartende Haltung begründet.

Wie die „Rhein-Zeitung“ in dieser Woche berichtet hatte, war der Krisenstab des Landkreises Ahrweiler um 17.40 Uhr in der Kreisverwaltung zusammengekommen – 23 Minuten nachdem das Land die höchste Warnstufe ausgerufen hatte. Als fatal erwies sich laut dem Bericht, dass der Krisenstab die – nur kurzzeitige – Absenkung der Pegel-Prognose von 5 Meter auf „nur“ noch gut über 4 Meter, die um 19:09 Uhr einging, wohl als Entwarnung oder zumindest als Entspannung der Lage interpretiert habe. Tatsächlich, so die Zeitung, sei die Prognose aber bereits um 19:36 Uhr wieder auf fünf Meter erhöht worden, um 20:36 Uhr dann sogar auf 6,90 Meter. Das dürfte den tatsächlichen Wassermengen, die am Abend und in der Nacht das Ahrtal überfluteten, nahegekommen sein.

Evakuierung um 23:09 Uhr angekündigt

Konkret lässt sich das allerdings nicht sagen, da der Pegel, wie berichtet, um 19 Uhr von den enormen Wassermassen zerstört wurde. Erst um 23:09 Uhr, so „FAZ“ und „Rhein-Zeitung“, habe der Krisenstab des Landkreises die Meldung herausgegeben, dass alle Personen in einer Entfernung von 50 Metern zur Ahr evakuiert werden sollten. Viele Menschen waren zu diesem Zeitpunkt längst von den Fluten überrascht worden.

Der Krisenforscher Frank Roselieb hat nun schwere Vorwürfe gegen Landrat Pföhler erhoben. Wie er der „Rhein-Zeitung“ (Samstagsausgabe) sagte, halte er es für unerklärlich, dass im Kreis Ahrweiler kein Voralarm ausgelöst worden sei. Die Auslösung eines Voralarms hätte laut Roselieb bereits am frühen Abend des 14. Juli erfolgen können, „um Notmaßnahmen einleiten zu können“. Dies sei etwa möglich, wenn „die Pegelstände steigen und steigen, ohne dass schon was Schlimmeres passiert ist“.

„Kein Grund, nicht vorbereitet gewesen zu sein“

„Niemand kann sagen, dass es solche Flutwellen im Ahrtal noch nicht gegeben hat“, sagte Roselieb der Zeitung. „Beim Hochwasser vor 200 Jahren waren die Dimensionen etwa noch gewaltiger.“ Vor 100 Jahren sei es ähnlich gewesen. Zudem sei man frühzeitig gewarnt worden. Aus Sicht des Forschers gibt es deshalb keinen Grund, auf eine Flutwelle wie die jüngste nicht vorbereitet gewesen zu sein.

Kommentar: „Spur des Versagens“

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