Rheinland-Pfalz Helds privates Geschäft bringt SPD in Rage
Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Oppenheimer Bürgermeister Marcus Held gerät nach dem Bekanntwerden eines weiteren zweifelhaften Immobiliengeschäfts in der eigenen Partei unter Druck. Der SPD-Kreisverband Mainz-Bingen fordert seinen Rücktritt von allen Ämtern, der Landesverband legt ihm dies indirekt nahe. Wegen anderer Delikte ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Held.
«OPPENHEIM/ROCKENHAUSEN.»Als Privatmann hat Held Ende 2016 eine Immobilie erworben und sie nach nur acht Monaten mehr als doppelt so teuer an das Pfälzer Diakoniewerk Zoar verkauft. Zoar will dort Wohnungen für 21 Menschen mit Beeinträchtigungen einrichten. Kurz vor dem Weiterverkauf hat der Oppenheimer Stadtrat das Gelände von einem reinen Gewerbegebiet in ein Mischgebiet aus Gewerbe- und Wohnbebauung umgewandelt, wie die Mainzer „Allgemeine Zeitung“ am Montag berichtete. Dadurch ist der Wert des 1099 Quadratmeter großen Grundstücks möglicherweise gestiegen, auf dem eine Immobilie mit 600 Quadratmetern Wohn- und Nutzfläche steht. 367.000 Euro soll Held im Dezember 2015 gezahlt haben, für 747.500 verkaufte er es im August 2016 an Zoar. Der Geschäftsführer des Evangelischen Diakoniewerks, Peter Kaiser, sagte gestern auf RHEINPFALZ-Anfrage: „Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich natürlich noch härter verhandelt.“ Aber nach den Expertisen, die er eingeholt hat, sei der Preis gerechtfertigt. Ein Gutachten, das schon die Vorbesitzer der Immobilie von einem Sachverständigen aus Worms hätten anfertigen lassen, habe den Wert sogar mit 1,39 Millionen Euro angegeben.
Verkäufer habe unter Druck gestanden
Dass Held nur einen Bruchteil dafür gezahlt hat, könnte mit einem Brandschaden zusammenhängen. Der Berliner Anwalt Helds, Jan Hegemann, teilte auf Anfrage mit, der Verkäufer habe seinerzeit unter erheblichem Druck gestanden und wollte unbedingt noch im Jahr 2015 verkaufen. „Angesichts der erheblichen Risiken wegen der Brandbeschädigung des Gebäudes und unklarer weiterer Verwendungsmöglichkeiten waren damals weder die Gremien der GWG noch der HGA im Stande, derart kurzfristig einen Kauf zu realisieren“, heißt es in der Stellungnahme. GWG steht für die Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft Oppenheim, deren Chef Marcus Held ist, HGO ist eine Tochtergesellschaft. Laut dem Anwalt hat Held selbst „erhebliche Investitionen“ vorgenommen, um die Schäden zu beseitigen. Doch trifft es tatsächlich zu, dass die Anschlussverwendung unklar war? Bereits im Mai 2015, also mehr als ein halbes Jahr vor Helds Immobilienkauf, trafen sich Kaiser und der Bundestagsabgeordnete auf der „Altenheim Expo“ in Berlin. Um Menschen mit Beeinträchtigungen dezentral in der Nähe ihrer Wohnorte unterzubringen und als Ersatz für zwei Häuser im rheinhessischen Heidesheim ist Zoar in vielen Kommunen auf der Suche nach passenden Immobilien. Landesweit beschäftigt das Diakoniewerk 1500 Mitarbeiter. Zoar unterhält fünf Behindertenwerkstätten und ist im Bereich Eingliederungshilfe für Behinderte tätig sowie in der Altenhilfe. Held kannte also das Interesse.
Zoar-Geschäftsführer: "Gab keinen Grund misstrauisch zu sein"
Für Zoar-Geschäftsführer Kaiser hatte das Geschäft bei der Abwicklung nichts Anrüchiges. Held habe erklärt, er sei als Privatmann eingesprungen, um den Ankauf zu beschleunigen. „Wir saßen in seinem Büro im Rathaus, es waren auch noch Mitarbeiter dabei. Es gab keinen Grund misstrauisch zu sein.“ „Das Geschäft ist problematisch. Es wäre gut gewesen, er hätte die Immobilie nicht selbst gekauft“, sagte Helmut Krethe, der zweite Beigeordnete der Stadt Oppenheim, der seit Januar die Amtsgeschäfte führt. Damals meldete sich Held auf unbestimmte Zeit krank. Er habe Held aufgefordert, mit dem Thema offensiv umzugehen und der Bevölkerung zu erklären, ob der Verkaufspreis „im Lichte der von ihm getätigten Investitionen“ gerechtfertigt sei, sagt Krethe.
Staatsanwaltschaft ermittelt bereits gegen Held
Helds Anwalt war zu keiner weiteren Stellungnahme bereit. Ob der Fall strafrechtlich eine Rolle spielen wird, blieb unklar. Eine Anzeige sei nicht eingegangen, teilte die Leitende Oberstaatsanwältin von Mainz, Andrea Keller, mit. „Presseberichte werden als öffentlich zugängliche Quellen in die laufenden Ermittlungen einbezogen.“ Wegen der Verdachts der Untreue und wegen Bestechlichkeit ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits: Ein Prüfbericht des Landesrechnungshofs hat Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften aufgedeckt. Die Hinweise dazu kamen aus einem anonymen Dossier. Der SPD-Landesverband hat den Ermittlern Rechenschaftsberichte vorgelegt, um Zusammenhänge zwischen illegalen Geschäften und Parteispenden zu prüfen. „Mit Entsetzen verfolgt der SPD-Kreisverband die jüngsten Entwicklungen in und um Oppenheim“, erklärte die Parteigliederung in Mainz-Bingen, die von Kulturstaatssekretär Salvator Barbaro geführt wird. „Ein Rückzug von allen Ämtern ist die einzig akzeptable und verantwortungsgerechte Antwort auf den massiven Vertrauensverlust.“ So weit geht SPD-Generalsekretär Daniel Stich für den Landesverband nicht: Held müsse sich die Frage stellen, „ob in Anbetracht der Situation das Ausüben seiner Ämter weiter möglich ist“.