Rheinland-Pfalz „Das ist keine harmlose Sache“
«Pirmasens». „Es fehlt an Forschung.“ Mit diesen Worten bringt der Toxikologe an der Mainzer Universität, Bernd Kaina, auf den Punkt, was ihn beim Thema Kerosinablass umtreibt. Am Mittwochabend referierte er darüber auf Einladung der Linken im Bezirkstag in einem Pirmasenser Lokal.
Knapp zwei Dutzend Zuhörer waren gekommen, um aus profundem Mund Informationen zu einem Thema zu erhalten, das viele Pfälzer seit Monaten beschäftigt. Der Universitätsprofessor, der seit Kurzem im Ruhestand ist, beklagte, dass allein die Verunsicherung der Bevölkerung zu psychischem Stress führen könne. Der wiederum sei durchaus verantwortlich für bestimmte Krankheiten. Kaina forderte deshalb die Politik auf, endlich für mehr Informationen zu sorgen. Aus Sicht des Toxikologen müssen drei Inhaltsstoffe im Kerosin besonders beachtet werden: Benzol, Toluol und Xylol. Ihr Anteil im zivilen Flugtreibstoff liegt laut Kaina bei rund einem Prozent. Während Toluol und Xylol nicht als krebserregend gelten, sehe es bei Benzol schon anders aus. Der Anteil dieses Stoffes im Kerosin liege bei 0,01 Prozent, so Kaina. Zum Vergleich: Normales Benzin enthält ein Prozent Benzol. Dieser Stoff steht im Verdacht, Leukämie, also Blutkrebs, auslösen zu können. Benzol kommt auch in der Umwelt vor, beispielsweise nach Vulkanausbrüchen oder größeren Waldbränden. In Europa sei der als kritisch erachtete Grenzwert bei fünf Mikrogramm pro Kubikmeter Luft festgesetzt, berichtete Kaina. Die durchschnittliche Belastung der Bevölkerung liege bei zwei Mikrogramm pro Kubikmeter. Allerdings wies der Toxikologe darauf hin, dass dieser Wert teilweise deutlich höher liege: in Tiefgaragen bei 290 und in Raucherwohnungen bei zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Stichwort Raucher: Bei jeder Zigarette werden zwischen zehn und 100 Mikrogramm Benzol inhaliert. Das Benzol allein im Kerosin beunruhigt Kaina nicht, er beurteilte die Mischung mit anderen Inhaltsstoffen als kritisch. Etwas mehr als ein Viertel des zivilen Kerosins bestehe aus Aromaten. Es gebe Studien mit unterschiedlichen Aussagen dazu, wie krebserregend dies bei Menschen sei. Sicher ist der Toxikologe jedoch: Durch die Inhalation von Kerosin könne das menschliche Immunsystem verändert werden. Das bedeutet, Betroffene wären dann leichter anfällig für andere Krankheiten. Unklar bleibt laut Kaina, was am Boden ankommt, wenn Flugzeuge in der Luft Kerosin ablassen. Der Toxikologe berief sich am Mittwoch auf eine Studie der US Airforce. Derzufolge hängt es wesentlich davon ab, welche Temperatur auf der Erde herrscht, wenn ein Flieger Treibstoff absondert. Laut der Untersuchung kämen bei 20 Grad nur rund zehn Prozent des abgelassenen Stoffes an der Erdoberfläche an. Bei minus 20 Grad seien es hingegen bis zu 80 Prozent. Und das unabhängig davon, in welcher Höhe der Pilot das Kerosin ablässt. In Deutschland darf das nur in einer Mindestflughöhe von 1800 Meter geschehen. Kaina konnte in Pirmasens jedoch nicht sagen, ob die Studie aus den 1990er-Jahren auf Messungen oder Simulationen beruhe. Aber fest stehe: „Das ist keine harmlose Sache.“ Der Wissenschaftler forderte erneut Messungen. Dabei sollten seiner Ansicht nach vor allem die Stoffe Xylol und Toluol, die Auswirkungen auf die Gesundheit haben können, sowie Benzol in den Blick genommen werden. Die Bundestags- und Bezirkstagsabgeordnete Brigitte Freihold (Linke) erinnerte daran, dass keine Region in Deutschland vom Kerosinablass so stark betroffen sei wie die Pfalz. Allein in diesem Jahr seien bei sieben Fällen insgesamt 190 Tonnen des Treibstoffs abgelassen worden – und das, obwohl sich hier das größte zusammenhängende Waldgebiet Deutschland befinde: das Biosphärenreservat Pfälzerwald. Freihold fordert vor diesem Hintergrund, nicht zuletzt aus Naturschutzgründen, Alternativen zum Flugverkehr mit Kerosin zu entwickeln.