Rheinland-Pfalz „70 Prozent unserer Patienten kriegen wir durch“
Mehr als 1200 verletzte Vögel, Igel und Fledermäuse haben die Mitarbeiter der Wildvogelpflegestation in Kirchwald (Landkreis Mayen-Koblenz) im vergangenen Jahr wieder aufgepäppelt. 1984 ins Leben gerufen, feiert das Tierkrankenhaus in der Eifel heuer sein 30-jähriges Bestehen. Über die Arbeit mit den hilfsbedürftigen Bussarden, Eulen oder Schwänen sprach Markus Knopp mit der Leiterin der Wildpflegestation, Andrea Friebe.
Frau Friebe, von wem werden die kranken oder verletzten Wildvögel zu Ihnen überwiesen?
Leute, die die Tiere draußen finden, am Straßenrand etwa oder auf dem Feld, rufen bei uns an oder bringen die Tiere direkt zu uns. In der Regel sind das aber nicht die Verursacher, also diejenigen, die dem Tier den Schaden zugefügt haben. Wir selbst haben keine Möglichkeit, die verletzten Tiere abzuholen, da wir über keinen eigenen Fahrdienst verfügen.
Die Wildvögel, die zu Ihnen gebracht werden, sind also angefahren worden oder gegen Fensterscheiben geflogen?
Ja, zum Beispiel. Jedenfalls sind die meisten Verletzungen durch Menschen beziehungsweise deren Eingriff in die Natur verursacht worden. Und das sind nicht nur Verletzungen infolge eines direkten Unfalls. Wir bekommen immer wieder auch Tiere mit Vergiftungen, die beispielsweise Pestizide im Körper haben.
Wodurch verursacht?
Durch die Landwirtschaft. Mäuse oder auch Kleinvögel fressen diese Mittel auf den Feldern und die Greifvögel wiederum fressen die Mäuse und damit auch die Chemikalien. Mit furchtbaren Folgen. Bei den vergifteten Vögeln bilden sich an Flügeln schmerzhafte nässende Stellen, die Tiere beißen sich dann selbst, amputieren sich letzten Endes sogar die Körperteile, weil sie die Schmerzen nicht mehr aushalten können.
Können Sie in solchen Fällen überhaupt noch helfen?
Wenn die Vergiftung noch in einem frühen Stadium ist, schon. Wenn der Prozess allerdings fortgeschritten ist, bleibt uns meist nur noch die Euthanasie.
Sind Sie und Ihre Kollegen ausgebildete Tierärzte oder Tierarzthelfer?
Die stellvertretende Stationsleitung Gina Röser und ich sind gelernte Tierarzthelferinnen. Insgesamt sind wir hier aber zu neunt, dazu kommen noch mehrere ehrenamtliche Helfer. Und die Tierärztin Anja Baronetzky-Mercier, bei der meine Kollegin und ich gelernt haben, ist auch diejenige, die die Vögel und Igel zunächst untersucht, sie erstbehandelt, gegebenenfalls auch operiert, bevor sie dann zu uns in Pflege kommen.
Welche Vögel und anderes Getier sind denn gerade Ihre Sorgenkinder?
Derzeit pflegen wir unter anderem einen Habicht, der einen Flügel gleich viermal gebrochen hat. Dann haben wir noch einen Mäusebussard mit diversen Knochenbrüchen und einen schwer erkälteten Igel.
Wer bringt denn hustende Igel zu Ihnen?
() Tierfreunde, die besorgt sind, wenn so ein Tier in ihrem Garten sitzt und dauernd vor sich hinröchelt. Die bringen den Igel dann eben zu uns.
Wie viele der Tiere, die Sie gebracht bekommen, kriegen Sie durch, wie viele sterben?
In guten Jahren kriegen wir rund 70 Prozent unserer Patienten durch. Voriges Jahr, nach dem langen Winter, war keine so gute Zeit. Da waren viele Greife völlig entkräftet, weil sie keine Nahrung mehr fanden. Die haben in ihrer Not in der Erde gegraben und die Erde auch gefressen, viele sind letztlich gestorben. Das war ganz schlimm, da sind bei uns auch schon mal Tränen geflossen.
Hegen Sie, wenn Sie täglich das Leid der Tiere miterleben, inzwischen einen gewissen Groll gegen die Hauptverursacher, also die Menschen?
Nein, aber ich würde mir wünschen, dass der Mensch rücksichtsvoller den Tieren gegenüber wäre. Etwa wenn wir, wie schon geschehen, einen Schwan gebracht bekommen, dessen Schnabel mit Angelhaken wie zugetackert ist und überall eitert. Oder einen Igel, dem mit einem Laubbläser ein Auge ausgeschossen wurde.
Wie lange bleibt so ein Tier denn bei Ihnen auf Station?
Das hängt natürlich ganz von der Art der Verletzung ab. Aber das kann sich, wie etwa bei dem verletzten Bussard, den wir gerade hier haben, schon mal über mehrere Monate hinziehen.
Gewöhnt sich da nicht mancher Vogel daran, von Ihnen versorgt zu werden, anstatt selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen?
Wir passen bei aller Fürsorge schon sehr darauf auf, dass das Wildtiere bleiben. Das heißt, wir haben mit den Vögeln und Igeln nicht mehr Kontakt als nötig, und wir üben mit den Greifen auch das Fliegen und Jagen, bevor wir sie wieder in die Freiheit entlassen. Das ist dann immer ein besonders schöner Moment, auch für uns. Schließlich gibt es nichts Schöneres, als wenn ein Bussard oder Habicht über einem am Himmel kreist.
Wie finanzieren Sie Ihre Arbeit?
Hauptsächlich durch Spenden. Außerdem werden wir vom Land unterstützt, da wir mit der Pflege verletzter Tiere eine Aufgabe erfüllen, die eigentlich Sache des Landes wäre. Aber die Kosten für Futter, Medikamente und Miete sind so hoch, dass wir wirklich jeden Euro gut gebrauchen können.