Rheinpfalz Ruine Neudahn: Die Dépendance der Dahner Reihenhaus-Ritter

Schiffsbug und Schanze: Neudahns Ostspitze kombiniert auf originelle Weise eine Mischung aus Schildmauer und Schalenturm mit ein
Schiffsbug und Schanze: Neudahns Ostspitze kombiniert auf originelle Weise eine Mischung aus Schildmauer und Schalenturm mit einem Element des frühneuzeitlichen Festungsbaus.

Unsere Serie über Burgen in der Pfalz und im Nordelsass begleitet das neue LEO-Buch „Ritter, Räuber und Ruinen“.

Die vierte Folge ist einer Burg gewidmet, die stark nach Dürerzeit ausschaut: Neudahn. Bei Dahner Burgen denkt jeder an die Ruinendreierkette aus Altdahn, Grafendahn und Tanstein, die sich direkt über dem südwestpfälzischen Luftkurort eng aneinander schmiegt. Dass es jenseits dieser mittelalterlichen Reihenhaussiedlung auch noch Neudahn gibt, haben viele nicht auf dem Schirm. Dabei lohnt sich ein Ausflug zur nordwestlich der Stadt gelegenen Dépendance der Dahner Ritter unbedingt. Nahebei liegen der Neudahner Weiher mit Campingplatz, die Dahner Hütte des Pfälzerwald-Vereins, das wasserreiche Naturschutzgebiet Moosbachtal und bizarre Buntsandsteinfelsen, die so suggestive Namen tragen wie Satansbrocken und Hexenpilz. Und auch architektonisch ist Burgruine Neudahn höchst interessant: Ganz anders sieht sie aus als ihre drei Dahner Schwestern, nämlich gar nicht wie eine typische Wasgau-Felsenburg, sondern eher wie jene spätmittelalterlichen Trutzschlösser, die man oft im Hintergrund der Holzschnitte und Kupferstiche Albrecht Dürers (1471-1528) ausmachen kann.

Zwillingsbastion

Diese Wirkung verdankt sich vor allem dem Doppelgeschützturm, der mutmaßlich in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts dem annähernd quadratischen Felsenkern der Burg vorgesetzt wurde. Von außen betrachtet, scheint das aus sauber gearbeiteten Glattquadern errichtete Bollwerk aus zwei einzelnen Rundtürmen zu bestehen, die durch einen schmalen Mittelgang miteinander verbunden sind. Im Innern jedoch zeigt sich, dass der Verteidigungsbau auf jeder Etage aus einem einzigen durchgehenden Raum besteht und somit von vorneherein als eine Art Zwillingsbastion konzipiert wurde. Im oberen Bereich war der Doppelbatterieturm mit einem Wohnbau auf dem Felsplateau verbunden. Entsprechend durchbrechen in diesen hohen, zivil genutzten Etagen rechteckige Fenster das Mauerwerk des Turms, während in den darunterliegenden „militärischen“ Stockwerken Maulscharten mit grotesken Fratzen und Brillenscharten die Doppelturmfassade gliedern. Neben dem Mauerwerk selbst sind es diese Stilelemente, die eine bauhistorische Einordnung in die Übergangszeit zwischen Spätgotik und Frührenaissance erlauben. Ins 16. Jahrhundert weist außerdem das keilförmige Verteidigungswerk, das sich am Ostzipfel der Burg wie ein steinerner Schiffsbug gegen den Bergrücken schiebt. Es ist eine ziemlich singuläre Kombination aus Schildmauer, Schalenturm und dreieckigem Ravelin, einem Element des frühneuzeitlichen Festungsbaus.

Um 1500 wurde Neudahn also nochmals ordentlich aufgemotzt

Entstanden aber ist die Burg viel früher, etwa um 1250. 1285 erscheint sie erstmals als Gegenstand urkundlich fassbarer Erbschaftsangelegenheiten. Dass es sich bei der in der Urkunde genannten „Burg Than“ tatsächlich um Neudahn handelt, kann man lediglich aus der Beschreibung des Burgbezirks erschließen. Eine namentliche Ausdifferenzierung der vier Dahner Burgen erfolgte erst im Laufe des 14. und frühen 15. Jahrhunderts. Was wiederum damit zusammenhängt, dass die Burgen lange Zeit als Einheit aufgefasst werden konnten, als zusammengehöriges Besitztum des Speyerer Bischofs, der damit die Ritter von Than (vom Tann) belehnte. Wobei sich die weit verzweigte Dahner Ritterfamilie wie eine moderne Eigentümergemeinschaft auf die einzelnen Bauwerke verteilte. Mit der Ausnahme von Burg Grafendahn, die 1339 an die Grafen von Sponheim kam und dadurch eine eigene Besitzgeschichte erfuhr, blieben Altdahn, Neudahn und Tanstein die Jahrhunderte hindurch untrennbar mit dem Geschick der Herren von Dahn verwoben. Besonders deutlich wird das an Ereignissen des Jahres 1401, als der Pfälzer Kurfürst Ruprecht III., der damals seit einem Jahr auch deutscher König war, Burg Neudahn beschlagnahmen ließ, um auf diese Weise die gesamte Dahner Ritterfamilie abzustrafen. Den Anlass für diese Strafaktion hatten dem Landesherrn zwei Dahner Jungherren geliefert, die sich zwei Jahre zuvor bei der Belagerung von Burg Tannenberg (bei Seeheim-Jugenheim) auf die Seite seiner Gegner geschlagen hatten.

Hoher Besuch 1552

Hohen Besuch bekam Neudahn 1552: Da nächtigte der französische König Heinrich II. auf der Burg. Der Gatte Katharinas von Medici, der sieben Jahre später tragisch an einer Turnierverletzung starb, war damals auf der Durchreise, um Krieg gegen Kaiser Karl V. zu führen. Ob Neudahn extra für diesen königlichen Besuch seine imponierende Doppelturmfront erhielt? Wie dem auch sei, gelohnt haben sich die Investitionen des 15. und 16. Jahrhunderts auf jeden Fall: Unter allen Dahner Burgen trotzte Neudahn am längsten dem Verfall. Und selbst, als der letzte Dahner Ritter 1603 in seinem Schlösschen in Burrweiler gestorben war, hatte auf der Burg noch ein Amtmann des Speyerer Hochstifts seinen Sitz. Endgültig zerstört wurde Neudahn, wie so viele Burgen der Region, von französischen Truppen im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697). Dabei soll auch das Familienarchiv der Dahner Ritter in Flammen aufgegangen sein. Mehr über die Dahner und andere Burgen findet man im LEO-Buch „Ritter, Räuber und Ruinen“ von Kai Scharffenberger und Roland Happersberger, Ludwigshafen, PVA 2017, 224. S., zahlreiche Abbildungen, 14,80 Euro, ISBN 978-3-87629-355-4.


Info

Burgruine Neudahn: Wanderparkplatz beim Neudahner Weiher, Einkehrmöglichkeit: Dahner PWV-Hütte, www.pwv-dahn.de.

Imponierarchitektur: der Doppelgeschützturm. Links davon der älteste Teil der Burg: Palas-Ecke mit Buckelquadern.
Imponierarchitektur: der Doppelgeschützturm. Links davon der älteste Teil der Burg: Palas-Ecke mit Buckelquadern.
Neudahn, romantisch: Ludwig Lindenschmit (1809-1893) verewigte die Burgruine in einem Aquarell.
Neudahn, romantisch: Ludwig Lindenschmit (1809-1893) verewigte die Burgruine in einem Aquarell.
91-108555284.JPG
x