Tiere Nicht alle Wildtier-Junge brauchen Hilfe

Jungen Eichhörnchen muss rasch geholfen werden – vor allem, wenn sie aus dem Nest gefallen sind.
Jungen Eichhörnchen muss rasch geholfen werden – vor allem, wenn sie aus dem Nest gefallen sind.

Im Frühjahr melden Spaziergänger regelmäßig junge Wildtiere bei Hilfsorganisationen wie Tierheimen und Wildtierstationen. Nicht immer sind die Kleinen wirklich in Gefahr. Wann Hilfe notwendig ist, wie man vorgeht – und wer für Tierarztkosten aufkommt.

Ein kleiner, kaum gefiederter Vogel hüpft am Boden entlang, ein Kitz liegt scheinbar verlassen auf der Wiese, ein winziges Eichhörnchen rennt Spaziergängern hinterher. So manch ein Spaziergänger, Radfahrer oder Jogger wird auch in diesem Jahr wieder vor der schwierigen Frage stehen: Was tun? Das Tier sich selbst überlassen? Es zum Tierarzt bringen? Bei Tierschützern anrufen?

„Ein verloren wirkendes Wildtier ist nicht immer auf die Hilfe der Menschen angewiesen“, sagt James Brückner, Spezialist für Arten- und Naturschutz beim Deutschen Tierschutzbund in Bonn. „Das ist gerade im Frühling zur sogenannten Brut- und Setzzeit bei einer ganzen Reihe von Wildtieren der Fall,“ so Brückner.

Aus der Ferne beobachten

Ist das Tier nicht offensichtlich verletzt, sollte es zunächst aus der Ferne beobachtet werden, damit es nicht durch den Kontakt mit Menschen gestresst und verängstigt wird. Zudem könnte es sein, dass die Eltern bereits in der Nähe sind, sich wegen der Menschen aber nicht zu ihrem Nachwuchs trauen.

So warten zum Beispiel gefiederte, aber noch nicht flügge gewordene Jungvögel gerne im Geäst oder an anderen geschützten Orten auf ihre Eltern, die sie zuverlässig füttern. Kitze oder junge Feldhasen werden höchstens zweimal am Tag von ihren Müttern gesäugt, den Rest des Tages verbringen sie alleine im hohen Gras. „Diese Tiere benötigen in der Regel keine Hilfe“, sagt Brückner.

Im Notfall eingreifen

Ein Notfall ist es dagegen, wenn Tiere offensichtlich verletzt, geschwächt oder apathisch sind. Auch am Boden sitzende, noch ungefiederte Vögel brauchen Hilfe. Das Gleiche gilt für bereits gefiederte Schwalben oder Mauersegler am Boden, die sich nicht ohne Not dort niederlassen würden, sowie für Eichhörnchenbabys, die auf dem Boden liegen, sich leicht einfangen lassen oder Menschen hinterherlaufen. Manche klettern sogar am Hosenbein hoch. In solchen Fällen sollte das Tier mitgenommen werden. Wer sich unsicher ist, kann bei einer Wildtierstation anrufen und nachfragen.

Es gibt jedoch auch bei verletzten oder erkrankten Tieren Ausnahmen, und zwar aus rechtlichen Gründen. Wildtiere, die unter das Jagdrecht fallen, etwa Füchse, Rehe, Hasen und Wildschweine, sind Sache der Jagdbehörde oder des -pächters. Wer ein solches Tier mitnimmt, begeht Wilderei. Findet ein Spaziergänger etwa einen verletzten Frischling oder ein erkranktes Kitz, muss er die zuständige Stelle, zum Beispiel den Förster, informieren.

Bloße Hände verboten

Frischlinge und Kitze sollten zudem nicht mit bloßen Händen angefasst werden, denn dann werden sie eventuell von ihrer Mutter nicht mehr angenommen. „Am besten, man reißt Gras ab, um das Tier damit anzufassen“, rät Ilka Pissin von der Wildtierstation im hessischen Hünfelden. Ebenfalls geeignet sind Stroh oder Heu. Wer Handschuhe dabei hat, kann auch diese nutzen.

Vögel, Eichhörnchen oder Igel stören sich nicht am menschlichen Geruch. Findet also jemand einen Vogel, der aus dem Nest gefallen ist oder in der Nähe einer Straße sitzt, kann er ihn ohne Bedenken mit bloßen Händen nehmen und in Sicherheit bringen.

Tier sicher transportieren

Um das Tier zum Arzt oder zu einer Wildtierstation zu transportieren, sollte es für den Weg möglichst sicher in einer Art Nest eingepackt werden. Es empfiehlt sich, vorher in Tierarztpraxen anzurufen, denn nicht jeder Veterinär hat Erfahrung mit Wildtieren. Behandelt er das Tier, darf er die Kosten dem Finder in Rechnung stellen. „In der Regel tut er das aber nicht“, so die Erfahrung von Pissin. Manchmal bezahlen auch Wildtierstationen von dem Geld auf ihren Spendenkonten die Tierarztrechnung.

Auf keinen Fall sollte ein gefundenes Tier einfach mit nach Hause genommen werden, denn ohne Sachkenntnis kann es in der Regel nicht aufgepäppelt werden. Im Gegenteil, die Lage des Tieres kann sich verschlimmern. Keinesfalls sollte man dem Tier Wasser einflößen, niemals Kuhmilch geben und am besten nicht füttern, ohne vorher mit Fachleuten gesprochen zu haben, wie Pissin empfiehlt.

Kontakt zu Wildtierstationen

In ihrer Wildtierstation nehmen sie und ihre Mitstreiter gefundene Tiere vom Eichhörnchen über Mauswiesel bis hin zu Wildkatzen auf. In ganz Deutschland gibt es solche Aufnahmestellen, in der Regel kennen die Tierärzte vor Ort die Kontaktadressen. Aber auch hier gilt: Zunächst sollte man in einer Wildtierstation anrufen. „Sie sind oft überfüllt und können keine weiteren Tiere aufnehmen. Zudem sind nicht alle Stellen für alle Tierarten eingerichtet“, sagt Sven Fraaß vom Tierschutzverein in Hamburg. Doch ein Anruf bei den Stationen lohnt sich auf jeden Fall, denn die Experten können weitere Kontakte vermitteln und dem Finder Infos dazu geben, wie er mit dem Tier umgehen soll.

In leichteren Fällen könne der Finder sich selbst nach Anleitung eines Experten um das Tier kümmern, so Fraaß. Es darf dann erst wieder in die Natur entlassen werden, wenn es gesund ist. Wird es zu früh ausgesetzt, war alle Mühe umsonst, dann stirbt das Tier wahrscheinlich.

Bei der Auswilderung gibt es Ausnahmen, wie Tierschützer James Brückner erklärt. „Wildschweine, Wildkaninchen und als invasiv eingestufte Arten wie Waschbären und Nilgänse dürfen nicht ausgewildert, sondern müssen dauerhaft untergebracht werden“, so der Fachmann.

 Auch diese Turmfalken-Kinder brauchten Hilfe. In einer Wildtierauffangstation kümmert man sich nun um sie.
Auch diese Turmfalken-Kinder brauchten Hilfe. In einer Wildtierauffangstation kümmert man sich nun um sie.
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