Ludwigshafen Zu Hause ist es doch am schönsten

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Der niederländische Gitarrist Julian Sas ist einer der führenden Bluesrocker Europas und entdeckt auf seinem elften Album „Coming Home“ auch die härteren Klänge seiner Jugend wieder. Im Ludwigshafener Kulturzentrum Das Haus überzeugte er mit dem ganzen Spektrum seines Handwerks.

Zum ganz großen Erfolg hat es für den 1970 geborenen Julian Sas nie gereicht. Zu jung, um vom Glanz des goldenen Bluesrock-Zeitalters zu profitieren. Zu alt, um als Retro-Hipster die Jugend von heute zu bespaßen. Musikalisch hätte er für beides das Zeug gehabt, denn er kopiert nicht einfach nur den Stil einer vergangenen Zeit, sondern entwickelt ihn auch hier und da organisch weiter. Karriere hin oder her, Julian Sas hat immer noch Spaß auf der Bühne. Und der Abend beweist wieder mal, dass für ein gutes Konzert manchmal auch eine Handvoll Zutaten ausreichen. Stratocaster, Röhrenverstärker, Hammond, Bass, Schlagzeug und reichlich Flaschenbier erzeugen in dem kleinen Konzertraum eine dichtere Atmosphäre als viele große Produktionen mit neuestem Schnickschnack. An der Gitarre macht dem Holländer außerdem niemand was vor. Egal ob Riffs im Stile von Alvin Lee, zuckersüße Flötentöne wie bei Gary Moore oder die ein oder andere Hommage an Jimi Hendrix – Sas spielt souverän auf der Klaviatur der Bluesrockgeschichte. Roland Bakker an der Orgel, Rob Heijne an den Drums und Fotis Anagnostou am Bass ordnen sich entsprechend unter und setzen hier und da einen instrumentalen Glanzpunkt. Dass sein großes Vorbild Rory Gallagher ist, wird aber auch deutlich. Denn der unterschätzte Ire verdankt seinen Kultstatus weniger seinen Studioalben als den elektrisierenden Auftritten, die auf bedeutenden Livedokumenten wie „Live in Europe“ und „Irish Tour“ zu hören sind. Da verwundert es nicht, dass Julian Sas hinsichtlich der Auswahl der Stücke vor allem mit seiner Live-Platte „Feelin’ alive“ auf Tour zu sein scheint. Sein Zuhause ist die Bühne, das merkt man ihm deutlich an. Auf dem elften Studioalbum „Coming Home“ lässt sich das Zuhause auch geografisch verorten. Denn schon beim Opener „Jump for Joy“ hörte man nicht nur den Einfluss von Deep Purple, sondern auch Anklänge an „Radar Love“ der legendären niederländischen Hardockband Golden Earring. Zur großen Freude der Zuschauer nicht der einzige Song, der sich stilistisch wieder an die rauen Siebziger annäherte. Das Publikum war übrigens der heimliche Star des Abends. Die Leute beschränkten sich nicht aufs Zuschauen, sondern bejubelten jedes Solo frenetisch und feuerten die Musiker an. Sie prägten das Konzert wie damals, als sie noch jung waren und der Bluesrock das große Ding. Julian Sas und seine Band nahmen sogar das manchmal schleppende Mitklatschen gerne an und ließen sich zu immer neuen Höhenflügen antreiben. Es war etwas da von der Magie, die diese Musik einst groß werden ließ. Die Veranstalter hätten sich vielleicht den ein oder anderen Gast mehr gewünscht, und die Band hätte das auch verdient. Aber dazu fehlt einfach ein bisschen Griffigkeit, denn die Songs sind unterm Strich vor allem Staffage für beeindruckendes instrumentales Kunsthandwerk. Julian Sas ist einen Radioklassiker wie „Still got the Blues“ davon entfernt, große Hallen auszuverkaufen. Aber wahrscheinlich ist er auch einfach happy damit, für immer in den kleinen Clubs zu Hause zu sein.

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