Rheinpfalz Warmduscher schlafen besser

Ein warmes Fußbad, 90 Minuten vor dem Zubettgehen, erleichtert das Einschlafen.
Ein warmes Fußbad, 90 Minuten vor dem Zubettgehen, erleichtert das Einschlafen. Foto: Imago Images/Panthermedia

Sechs bis zehn Prozent der Deutschen leiden unter Schlafstörungen. Viele von ihnen sind verzweifelt und greifen zu risikoreichen Medikamenten. Dabei gibt es, wie Wissenschaftler in den letzten Jahren zunehmend nachweisen konnten, weitaus harmlosere und trotzdem wirksame Alternativen dazu.

Zugegeben, im Sommer verspürt man abends nicht gerade ein starkes Verlangen, sich warm abzuduschen oder sogar in ein warmes Bad zu steigen. Doch wer unter Schlaflosigkeit leidet, sollte das trotzdem im Hinterkopf behalten und in Erwägung ziehen. Denn US-Forscher haben jetzt ermittelt, dass warme Duschen oder Bäder beim Einschlafen helfen und auch den Schlaf tiefer machen. Vorausgesetzt, man wählt für sie den richtigen Zeitpunkt vor der Bettruhe.

Der Schlummer-Effekt

Das Forscherteam sichtete über 5300 wissenschaftliche Arbeiten zu dem Thema, von denen schließlich 13 übrig blieben, die den Anforderungen entsprachen, die eine aussagekräftige Studie erfüllen muss. Dabei stellte sich heraus: Wer rund 90 Minuten vor der Nachtruhe in 40 bis 42,5 Grad Celsius warmem Wasser duscht oder badet, schläft zehn Minuten eher ein als jemand, der ohne Wasseranwendung ins Bett geht, und er sinkt auch deutlich tiefer ins Reich der Träume. Und wem es in Anbetracht der Sommerhitze partout nicht unters warme Wasser zieht, kann es mit einem warmen Fußbad versuchen, denn damit lassen sich ähnliche Effekte erzielen. Studienleiter Richard Castriotta von der University of Texas erklärt den Warmwasser-Schlummereffekt damit, dass wir rund eine Stunde vor der Bettruhe beginnen, unsere Körperkerntemperatur zu senken. Doch oft gelingt das nicht, beispielsweise, wenn es sehr warm ist oder Stress den Körper in Habacht-Stellung hält. Dann kann es sinnvoll sein, diesen Regulationsmechanismus künstlich, nämlich durch eine warme Wasseranwendung zu stimulieren. Dadurch verlagert sich das Blut zügig in die Peripherie, beispielsweise in Hände und Füße, um Wärme aus dem Körperinnern nach außen abzuführen. „Dies leitet bereits“, wie Castriotta erklärt, „die zum Schlafen notwendige Abkühlung ein“. Der Körper muss also nicht mehr mühselig und schlafstörend nach dem Schalter für sie suchen - und das beschleunigt den Einschlafprozess. Vorausgesetzt, wir führen die Warmwasseranwendung halbwegs präzise 90 Minuten vor der Bettruhe durch. Wer hingegen danach weniger als eine oder mehr als zwei Stunden verstreichen lässt, wird vermutlich länger wach liegen. Andere Wissenschaftler haben ebenfalls deutliche Hinweise dafür gefunden, dass man den Schlaf auch jenseits risikoreicher Pharmazie fördern kann. Beispielsweise durch Akupressur. Sie hat zwar, wie die Akupunktur, auch bestimmte Reizpunkte am Körper im Visier, nur dass diese eben nicht per Nadel angepiekst, sondern per Daumen, Finger oder auch Ellbogen oder Knie massiert werden. Die Studienlage zu ihrer Wirksamkeit sei, wie Jerome Sarris von der University of Melbourne berichtet, zwar spärlich, aber im Trend durchaus positiv. „Zur Akupunktur sind die Daten hingegen widersprüchlich“, betont der australische Psychiater. Was daran liegen könnte, dass die Nadelpiekser einen stärkeren Reiz ausüben und dadurch generell anregender wirken als Akupressur. Bei Tai Chi und Yoga soll der Anwender lernen, sich in Eigenregie in einen Zustand der tiefen Entspannung zu befördern. Dass dies bei Schlafstörungen helfen könnte, liegt auf der Hand - und die wissenschaftliche Datenlage bestätigt dies. „Der Vorteil beider Techniken liegt darin, dass auch der ältere Mensch sie durchführen kann - und der leidet ja bekanntermaßen besonders oft unter Schlafstörungen“, betont Sarris. Ein der individuellen Leistungsfähigkeit angepasster Sport sei zwar auch eine Option, weil er das Regenerations- und damit das Schlafbedürfnis des Menschen erhöht. „Doch in einem Vergleich mit Tai Chi schnitt er etwas schlechter ab“, berichtet Sarris. Auf dem Weg zum guten Schlaf scheint also die Fähigkeit zum Entspannen wichtiger zu sein der Grad der Müdigkeit.

Versuch kann nicht schaden

Geradezu chaotisch wird hingegen die Datenlage, wenn es um pflanzliche Einschlafhilfen geht. Egal, ob Baldrian oder Lavendel, ob Johanniskraut oder Hopfen - mal zeigen sie in Studien ihre Wirksamkeit, mal aber auch nicht, wenn sie unter klinischen Bedingungen getestet werden. Was wohl vor allem an den unterschiedlichen Extrakten liegt, die bei den Tests zum Einsatz kommen. In einem Testergebnis waren sie jedoch eindeutig: Ihr Nebenwirkungsrisiko ist viel geringer als etwa bei den Benzodiazepinen. Ein Versuch kann also in der Regel nicht schaden. Vergleichsweise gering ist auch das Risiko bei Melatonin, dem aktuellen Hit unter den alternativen Schlafhilfen. Es blockiert im Hypothalamus zielsicher die so genannten Orexin-Neurone, die uns sonst wach und aufmerksam machen würden. Das Problem ist jedoch die unklare Rechtslage. Denn eigentlich sind Nahrungsergänzungen mit Melatonin hierzulande zulassungs- und rezeptpflichtig, um den Patienten vor eventuellen Nebenwirkungen zu schützen. Doch einige Hersteller zogen mit dem Argument vor Gericht, dass man über den Verzehr natürlicher Nahrungsmittel wie etwa Pistazien und Cranberry ebenfalls an hohe Melatonindosierungen kommen könnte und deshalb ihr Präparat keiner Zulassung als Arzneimittel bedarf. Die meisten Gerichte sind dieser Auffassung nicht gefolgt – doch einige schon.

Wirksamkeit umstritten

Die Globuli und Tropfen der Homöopathie sind hingegen in der Regel apotheken-, aber nicht rezeptpflichtig, die Rechtslage zu ihnen ist also relativ eindeutig. Ihre Wirksamkeit ist dafür umstritten. Immerhin: In einer aktuellen Studie aus Indien sorgten sie dafür, dass die Probanden länger schliefen und sich danach deutlich erholter fühlten als sonst. Die jeweiligen Medikamente waren, wie in der Homöopathie üblich, individuell auf jeden Patienten zugeschnitten worden. Ein Arzt hatte ihn also genauestens befragt, beobachtet und diagnostiziert - und das ist bekanntlich oft schon die beste Medizin.

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