Kalender Zwangsarbeiter – erst verschleppt, dann vergessen

Im Erfurter Südpark erinnert eine Grabanlage für polnische Zwangsarbeiter an das dunkle Kapitel deutscher Geschichte.
Im Erfurter Südpark erinnert eine Grabanlage für polnische Zwangsarbeiter an das dunkle Kapitel deutscher Geschichte.

Der Kampf um Entschädigungszahlungen für Menschen, die die Nazis aus deren Heimat größtenteils nach Deutschland verschleppten, war für die Betroffenen oft frustrierend. Die Bundesrepublik verschob die Frage von Entschädigungen auf den Tag, an dem ein Friedensvertrag in Kraft treten würde.

Zum Jahresende 1943 waren allein in Ludwigshafen rund 20.000 Zwangsarbeiter registriert, der größte Teil schuftete im Werk der IG Farben, der heutigen BASF. Wer die extreme Ausbeutung, Hunger, Misshandlungen und Erniedrigungen überlebte, kehrte nach Kriegsende in die Heimat zurück – wenn es die noch gab. Finanzielle Entschädigungen gab es erst einmal keine für die Millionen von Menschen, die von den Nazis vor allem aus Polen und der Sowjetunion nach Deutschland verschleppt worden waren. Als am 15. Juni 2001 die ersten Gelder aus dem Entschädigungsfonds ausgezahlt wurden, lebten die meisten von ihnen nicht mehr.

Die Zwangsverpflichtung zur Arbeit hatte bereits vor dem Krieg in Deutschland begonnen. Opfer waren Juden, Sinti und Roma oder auch „Asoziale“. Spätestens 1939, zu Kriegsbeginn, wurde daraus eine Massenerscheinung, denn Deutschlands Männer standen der Front und überall fehlten Arbeitskräfte. Der Dokumentationsstelle NS-Zwangsarbeit in Berlin zufolge gab es in Deutschland damals mindestens 30.000 Lager für zivile Zwangsarbeiter. Hinzu kamen noch die Männer, Frauen und sogar Kinder, die „privat“ untergebracht waren, zum Beispiel auf Bauernhöfen.

Die DDR wies jede Verantwortung von sich

Der Kampf um Entschädigungszahlungen nach dem Zweiten Weltkrieg war für die Betroffenen lang und frustrierend. Die Bundesrepublik verschob die Frage von Entschädigungen oder Reparationen auf den Tag, an dem ein Friedensvertrag in Kraft treten würde. Die DDR wies jegliche Verantwortung von sich. Individuelle Klagen gegen deutsche Großkonzerne waren aufwendig, wenig erfolgversprechend und zeitraubend. Einige wenige mündeten in den 50er-Jahren in Vergleichen mit Firmen wie den Nachfolgern der IG Farben, Krupp, Siemens, AEG und Rheinmetall.

Erst nach der Wiedervereinigung kochte das Thema wieder hoch. Denn jetzt war der offizielle Friedensvertrag vorhanden. Und der Mehrheit der Deutschen wurde erst da bewusst, wie vielen Menschen durch Zwangsarbeit ein wichtiger Teil ihres Lebens geraubt worden war. Die letzten, inzwischen hoch betagten Zeitzeugen kamen endlich zu Wort.

Im Juni 2001 begann die Auszahlung

Am 12. August 2000 wurde schließlich durch ein Bundesgesetz die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) gegründet. Deutsche Unternehmen beteiligten sich mit rund fünf Milliarden DM an dem Zehn-Milliarden-DM-Fonds zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter und anderer NS-Opfer. Am 15. Juni 2001 begannen die Auszahlungen. Die Entschädigung mittels einer Stiftung sollte unnötige Bürokratie vermeiden und den Unternehmen, vor allem aber den betagten Opfern Gerichtsverfahren ersparen. Über 1,6 Millionen Überlebende erhielten Einmalzahlungen zwischen 2556 Euro (für KZ-Häftlinge) und 7669 Euro (Zwangsarbeiter in der Industrie). 2007 wurden die Entschädigungszahlungen offiziell eingestellt.

Der Kalender

DIE RHEINPFALZ feiert 2020 ihren 75. Geburtstag. In unserem Jubiläumskalender erinnern wir jeden Tag an ein besonderes Ereignis oder eine ungewöhnliche Geschichte aus den vergangenen 75 Jahren.

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