Grossbritannien Wie Boris Johnson die BBC zum Sündenbock macht

Das Sender-Logo prangt am Eingang der britischen Rundfunkanstalt.
Das Sender-Logo prangt am Eingang der britischen Rundfunkanstalt.

Seit 100 Jahren gilt die British Broadcast Corporation (BBC) weltweit als Vorbild für faire mediale Berichterstattung. Auch repräsentiert der Sender die britischen Werte von Demokratie und Freiheit. Doch neue Pläne bedrohen die BBC in ihrer Existenz.

Schon in wenigen Jahren könnte das Gesicht des öffentlich-rechtlichen Senders, weltweit ein Beispiel freier und fairer Berichterstattung, völlig anders aussehen. Denn wie seit Längerem von konservativen Politikern und Medien gefordert, will die britische Regierung die BBC in einen x-beliebigen, teilprivatisierten Sender verwandeln – und das im 100. Jahr ihres Bestehens.

Kulturministerin Nadine Dorries kündigte am Wochenende an, die Axt ans gebührenfinanzierte Geschäftsmodell anzusetzen. „Die Tage sind vorbei, an denen älteren Menschen mit Haftstrafen gedroht wird und Gerichtsvollzieher an Türen klopfen“, twitterte sie mit Verweis auf ein häufig gehörtes, aber nicht zu belegendes Vorurteil zum Einzug der Rundfunkgebühr. Die Beiträge von jährlich derzeit 159 Pfund (190 Euro) pro Haushalt sollen eingefroren werden – was den Sender mittelfristig Milliardensummen kosten würde. Und wenn das bisherige Gebührenmodell 2027 ausläuft, könnte es sogar ganz abgeschafft werden, deutete Dorries an.

Die „Partygate“-Affäre

Begründet wird die Reform mit dem Aufstieg von Streamingdiensten wie Netflix oder Abo-Modellen wie Youtube. Doch Kritiker vermuten ganz andere Gründe für die jähe Attacke. Premierminister Boris Johnson wolle damit von seiner „Partygate“-Affäre um Lockdown-Feiern in seinem Amtssitz ablenken. Der Skandal sorgt seit Wochen für Schlagzeilen und hat Johnsons Beliebtheit massiv geschadet. Die Opposition und auch mehrere konservative Abgeordnete fordern seinen Rücktritt. Mit Spannung wird ein interner Ermittlungsbericht erwartet.

Wie die Zeitung „The Times“ berichtete, will Johnson mit mehreren populistischen Vorhaben zum Befreiungsschlag ansetzen – und so seine Partei wieder hinter sich vereinen. Dazu zählten ein Ende der Corona-Regeln in England sowie ein schärferes Vorgehen gegen Migranten – und eben die BBC-Reform. Kulturministerin Dorries, die 2012 mit ihrer Teilnahme im britischen „Dschungelcamp“ für Aufsehen sorgte, gilt als eine der loyalsten Unterstützer von Johnson. Die Opposition ist empört. Labour-Expertin Lucy Powell wirft der Regierung „Kulturvandalismus“ vor. Der Abgeordnete Michael Fabricant verglich die Absichten sogar mit einem Umsturzversuch.

Berüchtigtes Interview

Klar ist: Die BBC ist nicht frei von Fehlern. Erst vergangenes Jahr musste sie sich für einen Skandal um das berühmte Interview mit Prinzessin Diana entschuldigen, in dem sie 1995 die Affäre ihres damaligen Mannes Prinz Charles mit Camilla Parker-Bowles offenlegte. BBC-Reporter Martin Bashir setzte gefälschte Dokumente ein, um Zugang zur Queen-Schwiegertochter zu erhalten. Später vertuschte die BBC das Fehlverhalten. Doch in der Pandemie ersetzte sie oft genug die Schule, die Bildungsprogramme wurden lautstark gelobt.

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