Politik Wenn Personen als Müll gelten

Das Wort „entsorgen“ wird im Duden so erklärt: „Beseitigung von Müll oder Ähnlichem“. Wer das Wort in Zusammenhang mit Personen gebraucht, will bewusst ein Individuum zunächst zu einer Sache machen, die außerdem unerwünscht und zu beseitigen ist. Niemand benutzt also „entsorgen“ ohne die Absicht, einen Menschen zu diffamieren. AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland will die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz „in Anatolien entsorgen“. Über diese Aussage wurde hinlänglich berichtet, und Gauland hatte seinen kalkulierten Eklat. Gaulands Einlassung ist rassistisch, weil der AfD-Politiker auf den Migrationshintergrund von Özoguz abhebt. Das Wort kann zudem als Synonym für „deportieren“ verstanden werden. Das Zitat löste harsche Reaktionen aus, unter anderem von dem SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs. Der schrieb auf Twitter: „Dieser Gauland ist ein mieser, dreckiger Hetzer. Solche Arschlöcher braucht niemand.“ An dieser Meinungsäußerung kann man zwei Dinge ablesen. Zum einen leisten auch Spitzenpolitiker der Verrohung der Sprache im Netz Vorschub, zum anderen lässt Kahrs erkennen, dass er bewusst oder unbewusst etwas verschweigt. Schließlich hat er selbst im März 2013 auf Twitter geschrieben, „wir (die SPD) wollen ja alle die Merkel entsorgen und besser regieren“. Dieses Zitat hat keinen rassistischen Hintergrund, aber das macht es keinen Deut besser. Denn Kahrs bezieht den Begriff „entsorgen“ auf einen Menschen, in diesem Fall auf die Kanzlerin. Kein Ruhmesblatt war auch die Aussage von Sigmar Gabriel im November 2012. Demnach formulierte der seinerzeitige SPD-Chef, es sei das Ziel, nicht nur die Regierung Merkel abzulösen, „sondern rückstandsfrei zu entsorgen“. Gabriel bezieht das „entsorgen“ auf die „Regierung Merkel“ als Oberbegriff für die damalige schwarz-gelbe Koalition. Doch hinter jeder Regierung stehen Personen, so dass auch hier der Begriff vom Entsorgen (noch dazu „rückstandsfrei“) nichts anderes als unanständig ist. Der Aufschrei, den Gaulands Özoguz-Zitat auslöste, war gerechtfertigt. Besser wäre es freilich gewesen, wenn es schon nach Gabriels und Kahrs’ Einlassungen Protest gegeben hätte. Wer im Wahlkampf ein Mindestmaß an Anstand bewahren will, darf nicht der sprachlichen Unkultur frönen. Und das gilt für alle.

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