„Spiegel“-Fälscher Warum Relotius’ neuer Job ein genialer Schachzug ist

Wurde einst mit Preisen überhäuft: „Spiegel“-Fälscher Claas Relotius.
Wurde einst mit Preisen überhäuft: »Spiegel«-Fälscher Claas Relotius.

Skandalreporter Claas Relotius hat einen neuen Job – und die Frage „Wer hat’s erfunden?“ bekommt eine ganz neue Bedeutung.

Sein Name steht für einen der größten Medienskandale Deutschlands: Als Reporter – vorwiegend für den „Spiegel“ – hat Claas Relotius jahrelang Geschichten frei erfunden. Ende 2018 flogen seine Lügen auf, Relotius selbst hat sich seither aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Nun hat der 37-Jährige dem Journalismus offenbar den Rücken gekehrt. Wie die „Bild“-Zeitung meldet, arbeitet Relotius neuerdings für die Werbeagentur Jung von Matt.

Die Hamburger Agentur gehört seit Jahrzehnten zu den renommiertesten Werbern in Deutschland. Sie steht für unterhaltsame, freche, provozierende Kampagnen, erfand Sprüche wie „3, 2, 1, meins“ (eBay), „Geiz ist geil“ (Saturn) oder „Wer hat’s erfunden?“ (Ricola). Da scheint es gut zu passen, dass sich nun der Geschichten-Erfinder Relotius derlei Sprüche ausdenken darf. Laut „Bild“ arbeitet Relotius bei Jung von Matt als „Copywriter“ (Texter).

Viele dürften es als Provokation empfinden

Die Agentur selbst wollte sich zu der Personalie zwar bislang nicht äußern, aber ihr könnte mit der Anstellung von Relotius ein genialer Schachzug gelungen sein. Im Journalismus – den der Skandalreporter in Deutschland in eine tiefe Krise gestürzt hat – gilt Relotius völlig zu Recht als verbrannt. Und dass er nun überhaupt einen neuen Job gefunden hat, dürften viele als Provokation empfinden. Aber mit Provokationen spielt Jung von Matt seit jeher.

Für den Autovermieter Sixt entwerfen die Hamburger Werber Plakate, die regelmäßig Empörung auslösen. Immer wieder greifen sie dabei aktuelle, politische Geschehnisse auf. Als im Sommer 2021 Plagiatsvorwürfe gegen die heutige Außenministerin Annalena Baerbock laut wurden, fragte der Autovermieter auf Plakaten: „Sie verwenden ungern Eigenes?“ – und versprach „mehr Spaß am Leihen“, wenn man sich die Sixt-App aufs Smartphone lädt. Dazu abgebildet war Baerbocks Gesicht mit zusammengepressten Lippen, als wäre die damalige Kanzlerkandidatin der Grünen gerade beim Betrügen erwischt worden.

„Lügen haben kurze Beine“

Den Relotius-Skandal griff Jung von Matt damals übrigens erstaunlicherweise nicht auf. So gab es keine Sixt-Plakate mit Sprüchen wie „Fallen Sie nicht auf Fälscher rein – mieten Sie nur beim Original“ oder „Lügen haben kurze Beine – auf Reifen kommen Sie schneller ans Ziel“.

Nun, mit einem so fantasiebegabten „Copywriter“ in ihren Reihen, werden sie solche Elfmeter in Zukunft hoffentlich verwandeln.

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