Politik Von der Leyens Team Europa

Jetzt geht sie voran: Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit ihrem Vorgänger, dem Luxemburger Jean-Claude J
Jetzt geht sie voran: Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit ihrem Vorgänger, dem Luxemburger Jean-Claude Juncker. Foto: dpa

Die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ihr Wunschteam komplett. Mit der am Montag veröffentlichten Kandidatenliste hat sie ein wichtiges Versprechen (fast) gehalten: Sie wollte einen Frauenanteil von 50 Prozent, und unter den 27 designierten Kommissionsmitgliedern sind nun 13 Frauen. Allerdings muss das Personalpaket noch die Zustimmung des Europaparlaments finden. Planmäßig starten soll die Kommission am 1. November.

Die Chefin

Die Christdemokratin Ursula von der Leyen (60) war die Überraschungskandidatin der EU-Staats- und Regierungschefs und wurde Mitte Juli vom EU-Parlament mit knapper Mehrheit gewählt. In Deutschland war die in Brüssel geborene von der Leyen, die mehrere Sprachen fließend spricht unter anderem Familien-, Sozial- und Verteidigungsministerin.

Die Schwergewichte

Die Liberale Margrethe Vestager (51) wollte selbst Kommissionspräsidentin werden und bekommt nun als „exekutive Vizepräsidentin“ eine besondere Stellung. Als Wettbewerbskommissarin hat sich die resolute Dänin unter anderen Google, Facebook und Amazon vorgeknöpft. Diese Zuständigkeit behält sie. In der Heimat war die studierte Ökonomin vorher Bildungs-, Wirtschafts- und Innenministerin. Der Sozialdemokrat Frans Timmermans (58) wollte ebenfalls selbst Kommissionschef werden. Der ehemalige niederländische Außenminister ist schon seit 2014 Erster Vizepräsident. Diese besonders wichtige Rolle soll er behalten, auf Augenhöhe mit Vestager. Der Diplomat, der sieben Sprachen beherrscht, soll für Klimapolitik zuständig werden. Der Sozialist Josep Borrell (72) wird EU-Außenbeauftragter und ebenfalls Vizepräsident der EU-Kommission, das haben die EU-Staaten bereits entschieden. Der Ökonom ist seit Juni 2018 spanischer Außenminister. Von 2004 bis 2007 war er Präsident des EU-Parlaments.

Die Wackelkandidaten

Janusz Wojciechowski

(64) gehört zur rechtskonservativen Regierungspartei PiS. Er war ursprünglich Richter und leitete lange den polnischen Rechnungshof, bevor er 2004 EU-Abgeordneter wurde. Wegen möglicher Unregelmäßigkeiten bei Reisekostenabrechnungen während seiner Zeit im Europaparlament ermittelt die EU-Anti-Betrugsbehörde Olaf gegen den designierten Kommissar für Landwirtschaft. Rovana Plumb (59) ist Vizepräsidentin der in Rumänien regierenden Sozialdemokratischen Partei und soll Verkehrskommissarin werden. Sie war von 2009 bis 2012 EU-Abgeordnete und danach bis April 2019 Ministerin in verschiedenen Ressorts. Im September 2017 erhob die Staatsanwaltschaft gegen sie den Vorwurf des Amtsmissbrauchs. Die Ermittlungen laufen. Laszlo Trocsanyi (63), Ressort EU-Erweiterung, von der rechtspopulistischen Fidesz-Partei war bis Juni Ungarns Justizminister und ist seither EU-Abgeordneter. Zuvor war der Jura-Professor zeitweise Botschafter in Brüssel und Paris und Verfassungsrichter. Er trug umstrittene und inzwischen gestoppte Justizreformen der Regierung Viktor Orban mit. Im Europaparlament herrschen Zweifel an seiner Bestätigung.

Die „alten Hasen“

Der Liberale Didier Reynders (61) ist seit 2011 belgischer Außenminister. Zuvor war er viele Jahre Finanzminister und Vize-Premier. Bereits 2014 war er als belgischer EU-Kommissar im Gespräch, doch erhielt die Christdemokratin Marianne Thyssen den Vorzug. Jetzt soll er das Ressort Justiz und Rechtsstaatlichkeit übernehmen. Die Liberale Sylvie Goulard (54) war zuletzt Vizegouverneurin der französischen Zentralbank und vorher lange EU-Abgeordnete. 2017 machte Staatschef Emmanuel Macron sie zur Verteidigungsministerin, doch trat Goulard wegen Vorwürfen der Scheinbeschäftigung gegen die Partei Mouvement démocrate nach nur einem Monat zurück. Gegen sie wird noch ermittelt. Sie soll die Bereiche Industriepolitik, Binnenmarkt und Verteidigungsindustrie übernehmen. Der Jurist Margaritis Schinas (57) aus der Hafenstadt Thessaloniki ist seit 1990 Karrierebeamter bei der EU-Kommission – unterbrochen von 2007 bis 2009 durch ein Mandat als EU-Abgeordneter der konservativen Partei Nea Dimokratia. 2014 wurde der Grieche Chefsprecher von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er soll nun schützen, „was Europa ausmacht“. Der Christdemokrat und designierte Handelskommissar Phil Hogan (59) ist seit 2014 EU-Agrarkommissar. Anfang der 1980er Jahre hatte der Ökonom vorübergehend den Bauernhof seiner Familie geführt, bevor er Parlamentsabgeordneter und später unter anderem Umweltminister in Irland wurde. Der Sozialdemokrat Paolo Gentiloni (64) war in Italien mehrfach Minister und schließlich von Ende 2016 bis 2018 Regierungschef. Nach dem Start der Populistenkoalition in Rom blieb er bis zum erneuten Regierungswechsel Abgeordneter der Partei PD. Der Römer hat Politikwissenschaften studiert und spricht fließend Englisch. Er soll sich um die EU-Wirtschaft kümmern. Der Christdemokrat Valdis Dombrovskis (48) ist seit 2014 einer der Kommissionsvizepräsidenten, zuständig für den Euro. Vorher war er von 2009 bis 2013 lettischer Regierungschef. Staatschef Egils Levits lobt seinen Kandidaten. „Ich glaube, er hat eine sehr konstruktive Rolle in den letzten fünf Jahren in seinem Amt gespielt, insbesondere bei der Überwindung der Eurokrise“, sagte Levits. Jetzt soll Dombrovskis für Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion zuständig werden. Johannes Hahn (61) ist schon seit zehn Jahren EU-Kommissar, zuletzt zuständig für Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik mit Blick auf den Westbalkan. Der Österreicher war vor der Brüsseler Zeit Wissenschaftsminister. Früher war der ÖVP-Politiker unter anderem bei einem Glücksspielkonzern tätig. Nun soll er das Ressort EU-Haushalt und Verwaltung übernehmen. Maros Sefcovic (53) ist seit 2009 Mitglied der EU-Kommission und seit 2010 einer ihrer Vizepräsidenten. Zuletzt war er für die Energieunion zuständig. Der Jurist mit langjähriger diplomatischer Erfahrung ist formell parteilos, steht aber den Sozialdemokraten nahe. Diese nominierten ihn 2019 für die slowakische Präsidentenwahl, bei der er aber nur Zweiter wurde. Als Kommissar soll er sich um institutionelle Beziehungen kümmern. Vera Jourova (55) wird wohl EU-Kommissarin für Werte und Transparenz. Die Tschechin setzte sie sich unter anderem für strengere Regeln für Technologieriesen wie Facebook und Airbnb ein. Jourova ist Mitbegründerin der populistischen Partei ANO von Ministerpräsidenten Andrej Babis, die zur liberalen Fraktion im EU-Parlament gehört. Marija Gabriel (40) ist seit Juli 2017 als jüngstes Mitglied der EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker für das Ressort Digitale Wirtschaft und Gesellschaft zuständig und daher kein gar zu „alter Hase“. Zuvor war die Bulgarin von 2009 bis 2017 Europaabgeordnete und wird nun zuständig für Innovation und Jugend. 

Die Neulinge

Die frühere estnische Wirtschaftsministerin Kadri Simson (42) von der linksgerichteten Zentrumspartei ist Wunschkandidatin von Regierungschef Jüri Ratas. Ihr Vorgänger Andrus Ansip war Vizepräsident der Kommission, zuständig für den digitalen Binnenmarkt. Simson soll sich um den Energiesektor kümmern. Jutta Urpilainen (44) war früher Vorsitzende der finnischen Sozialdemokraten und Finanzministerin. Doch musste die studierte Pädagogin die Parteiführung 2014 an den heutigen Ministerpräsidenten Antti Rinne abgeben. Jetzt wird sie für internationale Partnerschaften zuständig. Dubravka Suica (62), Mitglied der konservativen kroatischen Regierungspartei HDZ, war seit 2013 Europaabgeordnete. Zuvor war die Deutsch- und Englischlehrerin lange Bürgermeisterin von Dubrovnik. Sie erhält nun das Ressort Demokratie und Demografie. Virginijus Sinkevicius (28) vom Bund der Bauern und Grünen in Litauen ist der jüngste Minister in der Geschichte seines Heimatlandes. Seit 2017 ist er zuständig für Wirtschaft und Innovation. Nun könnte der Ökonom und Jurist auch jüngstes Mitglied der EU-Kommission werden. Seine Partei steht den europäischen Grünen nahe, ist aber eher in der politischen Mitte angesiedelt. In Zukunft wird der Ökonom und Jurist wohl die Umweltpolitik der EU steuern. Der Sozialdemokrat Nicolas Schmit (65) war Luxemburgs Botschafter bei der EU und von 2009 bis 2018 Arbeitsminister. Im Mai 2019 wurde er ins Europaparlament gewählt. Schmit hätte schon 2014 EU-Kommissar werden sollen, musste aber wegen Junckers Ernennung zum Kommissionspräsidenten verzichten. Jetzt erhält er das EU-Ressort für Beschäftigung. Die Sozialdemokratin Helena Dalli (56) ist langjährige Abgeordnete im Parlament Maltas. Von 2013 bis 2017 war die promovierte Soziologin Sozial- und Verbraucherschutzministerin, danach Ministerin für EU-Angelegenheiten und Gleichberechtigung. Nun wird sie das Ressort Bürgerrechte und Gleichstellung leiten. Elisa Ferreira (63) war zuletzt Vize-Gouverneurin der portugiesischen Zentralbank. Die Sozialistin war in den 1990er Jahren unter anderem Umweltministerin, später war sie Abgeordnete im nationalen und im Europäischen Parlament. Sie wird sich um Reformen kümmern. Die Sozialdemokratin Ylva Johansson (55), nun zuständig für Inneres, war bisher schwedische Arbeitsmarktministerin, hatte vorher aber auch schon andere Ministerämter. Nach ihrem Lehramtsstudium in Lund arbeitete sie früher als Mathe-, Physik- und Chemielehrerin. Der Diplomat Janez Lenarcic (51) war nicht nur Botschafter Sloweniens bei der EU, sondern auch Vertreter bei der OSZE und den Vereinten Nationen. Zwischendurch war er Berater des Außenministeriums und der Regierung. Seine Aufgabe wird das Krisenmanagement sein. Die Konservative Stella Kyriakidou (63) und designierte Gesundheits-Kommissarin ist langjährige Parlamentsabgeordnete Zyperns, zwischen 2017 und 2018 war sie auch Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Die Kinderpsychologin gilt als Vertraute von Präsident Nikos Anastasiades, der ihr den Vorzug vor dem bisherigen zyprischen EU-Kommissar Christos Stylianides gab.

Die Dänin Margrethe Vestager wird „exekutive Vizepräsidentin“, zuständig für Wettbewerb und Digitales.
Die Dänin Margrethe Vestager wird »exekutive Vizepräsidentin«, zuständig für Wettbewerb und Digitales. Foto: dpa
Der Niederländer Frans Timmermans bleibt Erster Vizepräsident und erhält das Ressort Klimapolitik.
Der Niederländer Frans Timmermans bleibt Erster Vizepräsident und erhält das Ressort Klimapolitik. Foto: dpa
Der Spanier Josep Borrell ist der dritte im Bunde der Vizepräsidenten und wird EU-Außenbeauftragter.
Der Spanier Josep Borrell ist der dritte im Bunde der Vizepräsidenten und wird EU-Außenbeauftragter. Foto: dpa
Der Italiener Paolo Gentiloni war bis 2018 Regierungschef in Rom und ist nun für Wirtschaft zuständig.
Der Italiener Paolo Gentiloni war bis 2018 Regierungschef in Rom und ist nun für Wirtschaft zuständig. Foto: dpa
Die Tschechin Vera Jourova kümmert sich nun um Werte und Transparenz.
Die Tschechin Vera Jourova kümmert sich nun um Werte und Transparenz. Foto: dpa
Die Französin Sylvie Goulard war zuvor Verteidigungsministerin und wird Kommissarin für Binnenmarkt und Verteidigungsindustrie.
Die Französin Sylvie Goulard war zuvor Verteidigungsministerin und wird Kommissarin für Binnenmarkt und Verteidigungsindustrie. Foto: dpa
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