Politik Vermittlungsausschuss besiegelt Bürgergeld-Kompromiss

Bürgergeld-Vermittlungsausschuss
Der Vermittlungsausschuss zum Bürgergeld im Bundesrat.

Das Bürgergeld ist auf der Zielgeraden: Der Vermittlungsausschuss billigt den Gesetzentwurf in einer kurzen Sitzung. Nun muss der Kompromiss noch offiziell beschlossen werden.

Millionen Bedürftige können im neuen Jahr auf höhere staatliche Leistungen und eine gründlichere Betreuung durch die Jobcenter hoffen. Nach der grundsätzlichen Einigung zwischen Ampel-Koalition und CDU/CSU-Opposition stimmte am Mittwochabend auch der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat den Neuerungen zu. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen. Das Gesetz muss nun noch von beiden Häusern formal bestätigt werden. Das gilt als sicher. Die Reform soll das alte Hartz-IV-System ablösen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versprach zuvor schon in der Generaldebatte im Bundestag: «Wir sorgen dafür, dass Arbeit sich mehr lohnt als zu jedem Zeitpunkt einer CDU-geführten Bundesregierung.» Das Bürgergeld soll zum 1. Januar mit deutlich höheren Regelsätzen in der Grundsicherung starten. Wesentliche Teile der Reform sollen aber erst zum 1. Juli in Kraft treten: So sollen die Jobcenter mit jeder und jedem betroffenen Arbeitslosen einen Plan aufstellen, in dem der vorgesehene Weg zurück zu regulärer Arbeit festgelegt wird.

Anderes Bild von den Bürgern

Scholz verteidigte die Reform gegen frühere Kritik aus der Union. Was die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP von CDU und CSU unterscheide, sei «offenbar das Bild, das wir von den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes haben». Die Union hatte verschiedene Regelungen als zu milde bemängelt und gewarnt, dass dies auf Kosten von Steuer- und Beitragszahlern gehen könne.

Viele Menschen sorgten sich in der aktuellen Krise nicht nur um hohe Energie- und Lebensmittelpreise, sondern vor allem um ihren Arbeitsplatz und die Zukunft ihres Betriebs, sagte Scholz. «Das zeigt doch eines ganz klar: Die Bürgerinnen und Bürger wollen arbeiten und sie wollen von ihrer Arbeit anständig leben können.»

Weil der Bundesrat anders als der Bundestag dem Entwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nicht zugestimmt hatte, hatte die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss angerufen. Durch den Kompromiss vom Dienstag zeichnete sich ab, dass dieser zustimmen würde. Die Sitzung dauerte dann auch verhältnismäßig kurz.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), sagte zuvor im Deutschlandfunk, die Ampel sei in den wesentlichen Kritikpunkten auf die Union zugegangen. SPD-Chef Lars Klingbeil sagte bei RTL/ntv auf die Frage, ob Hartz IV damit Geschichte sei: «Ja, definitiv.» Das Bürgergeld bringe einen «wirklichen Kulturwandel».

Größte Sozialreform seit 20 Jahren

Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Das Bürgergeld kann kommen und Hartz IV beenden. Die größte Sozialreform seit 20 Jahren bedeutet eine Weiterbildungsoffensive, ein Perspektivwechsel in den Jobcentern und Sanktionen nur in maßvollen Stufen statt unsachliche Härte.»

Auf Druck der Union wird eine «Vertrauenszeit» aus Heils Entwurf gestrichen. Anders als ursprünglich vorgesehen sollen Arbeitslose damit auch in den ersten sechs Monaten des Bezugs dadurch mögliche Leistungskürzungen hinnehmen müssen, etwa wenn sie sich - anders als mit dem Jobcenter verabredet - nicht auf einen Job bewerben. Der Kompromiss sieht auch vor, dass den Beziehern von Bürgergeld 40 000 Euro eigenes Vermögen zugestanden werden - die Ampel hatte ursprünglich 60 000 Euro vorgesehen.

Der Oberbürgermeister von Münster und Städtetagspräsident, Markus Lewe (CDU), sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): «Das Bürgergeld verbessert die Instrumente, um arbeitslose Menschen zu qualifizieren und weiterzubilden.» Der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann, sagte dem RND, das Gesetz sei eine «gute Grundlage». Er fürchte jedoch, «dass die Angestellten in den Jobcentern nicht genug Ressourcen haben werden, den Geist des Gesetzes auch umzusetzen».

Die Gewerkschaft Arbeit und Soziales, in der Beschäftigte der Jobcenter organisiert sind, lobte den Kompromiss. «Wir finden es positiv, dass die Vertrauenszeit gestrichen wurde. Sie hätte falsche Anreize gesetzt», sagte vbba-Chef Waldemar Dombrowski dem Portal «The Pioneer». Gerade Jüngeren hätte sie dazu verleitet, «sich erst einmal nicht anzustrengen». Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) nannte den Kompromiss im RBB-Sender radioeins dagegen «in allen Punkten eine Verschlechterung».

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