Fragen und Antworten Teurer billiger Strom: 60 Jahre Atomkraft

 Bald wird der Reaktordruckbehälter des Kernkraftwerkes Isar 2 komplett von Brennelementen entleert sein.
Bald wird der Reaktordruckbehälter des Kernkraftwerkes Isar 2 komplett von Brennelementen entleert sein.

Mit dem Abschalten der letzten deutschen Reaktoren am Samstag geht eine Ära zu Ende. Was von dieser Zeit bleibt, sind nicht nur Erinnerungen.

Am Samstag sollen die drei verbliebenen Atommeiler – Isar 2 in Bayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg – in Deutschland endgültig vom Netz gehen. Eigentlich sollte dies schon Ende vergangenen Jahres passieren. Wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der dadurch ausgelösten Energiekrise beschloss die Ampel-Koalition im vergangenen Jahr jedoch, die Meiler über den Winter noch weiterlaufen zu lassen.

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Wie viele Atomreaktoren waren in Deutschland insgesamt am Netz?
Seit 1962 produzierten in Deutschland nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft 37 Kernkraftwerke Strom – Forschungsreaktoren sind dabei nicht eingerechnet. Die erste Einspeisung in der Bundesrepublik gab es 1961 im Versuchsatomkraftwerk Kahl in Bayern. In der DDR ging 1966 die Anlage in Rheinsberg (heute Brandenburg) in Betrieb.

Wie lange produzierten die Meiler Elektrizität?
Sehr lange am Netz waren mit 37 Jahren zum Beispiel die Atomkraftwerke in Grohnde (Niedersachsen), Gundremmingen (Bayern) und Obrigheim (Baden-Württemberg). Aber auch andere Anlagen liefen über 30 Jahre. Ganz kurz in Betrieb war dagegen der rund sieben Milliarden Mark (3,6 Milliarden Euro) teure Meiler in Mülheim-Kärlich nahe Koblenz. In den DDR-Anlagen Rheinsberg und Greifswald ging das Atomstrom-Zeitalter bereits kurz nach der Wende, also nach 1990, wegen Sicherheitsbedenken zu Ende.

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Nahmen alle Meiler, die geplant wurden, den Betrieb auf?
Nicht alle Atomkraftwerke, deren Planung weit fortgeschritten war, wurden auch ans Netz angeschlossen. Nicht einmal alle gebauten. Der „Schnelle Brüter“ im nordrhein-westfälischen Kalkar zum Beispiel war 1985 fertig, er ging aber wegen Bürgerprotesten und Sicherheitsbedenken aufgrund seiner neuartigen Technologie mit Plutoniumeinsatz nie in Betrieb. Die Investitionsruine kostete (den Steuerzahler) rund sieben Milliarden Mark (3,6 Milliarden Euro). Sie ist heute ein Freizeitpark.

Wie viel Strom wurde in den Kernkraftwerken produziert?
Nach Angaben des Vereins Kerntechnik Deutschland erzeugten deutsche Atomkraftwerke zwischen 1961 und Ende 2021 rund 5560 Milliarden Kilowattstunden Strom brutto. Mit einer Kilowattstunde Strom kann man zum Beispiel über eine Stunde staubsaugen. Der Anteil der Kernenergie am deutschen Strommix lag viele Jahre bei rund einem Drittel. Der schrittweise deutsche Atomausstieg führte dazu, dass der Anteil der Kernkraft 2022 nur noch 6,4 Prozent ausmachte. Zum Vergleich: Grüne Energie brachte es da auf einen Anteil von 46,3 Prozent, Kohle lag bei 33,3 Prozent und Erdgas bei 11,4 Prozent.

Wie teuer oder billig ist Strom aus Atomkraftwerken?
Eine Kostenanalyse von Strom aus Kernenergie in Deutschland ist selbst für die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags ein Problem. Für 2021 wurden die gesamtgesellschaftlichen Stromkosten verglichen – darin sind beispielsweise Subventionen und Umweltschäden enthalten. Mit 37,8 Cent pro Kilowattstunde war Atomstrom demnach mit Abstand am teuersten. Kohle liegt nach dieser Berechnung zwischen 23,3 und 25,6 Cent, Solar bei 22,8 Cent und Wind zwischen 8,8 und 18,5 Cent pro Kilowattstunde.

Was sind die Folgekosten der Atomkraft?
Allein die Menge hochradioaktiver Abfälle aus Brennelementen wird in Deutschland auf 10.500 Tonnen geschätzt. Dazu kommen noch viel größere Mengen an schwach- bis mittelradioaktiv strahlendem Müll. Eine Kommission hat die gesamten Entsorgungskosten für Deutschland 2016 auf 48,8 Milliarden Euro kalkuliert (mit Preisen von 2014).

Dabei gibt es noch gar kein Endlager in Deutschland für hochradioaktiven Abfall. In einer Broschüre des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung heißt es, die Endlager mit ihrem noch lange strahlenden Müll beträfen das Leben von mehr als 33.000 künftigen Generationen.

Stellen sich für Atomanlagen auch neue Risiken?
Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind kerntechnische Anlagen das erste Mal Ziel kriegerischer Auseinandersetzungen geworden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung listet auf der gesellschaftlichen Kostenseite von Atomenergie auch die Gefahr der Weiterverbreitung waffenfähigen radioaktiven Materials aus Meilern auf. Dazu kommen die bekannten Risiken radioaktiver Strahlung. Große Havarien gab es bereits in Harrisburg (USA/1977), Tschernobyl (Sowjetunion/Ukraine/1986) und Fukushima (Japan/2011). Der Verein Kerntechnik Deutschland sieht den Nutzen der Kernenergie dennoch um das mindestens Achtfache höher als die gesellschaftlichen Kosten.

abschaltung akw
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