Politik Streit mit Ankara: Berlin denkt auch ans Geld

Im Streit mit der Türkei ist die Bundesregierung zwar um Mäßigung bemüht. Doch gestern hat das Kanzleramt erstmals politische Folter-instrumente angedeutet.

Steffen Seibert ist das Sprachrohr der Kanzlerin. Und es kann davon ausgegangen werden, dass Seiberts gestriger Appell an die Türkei haarfein mit Angela Merkel abgestimmt war. Seibert sprach vor Journalisten in Berlin an Ankara gerichtet: „Lassen Sie uns offen und lassen Sie uns wo nötig kritisch miteinander reden, aber lassen Sie uns dabei die besondere Bedeutung unserer engen deutsch-türkischen Partnerschaft und Beziehung im Auge behalten.“ Auftritte türkischer Regierungsmitglieder seien in Deutschland möglich. Voraussetzung sei, dass das Recht beachtet würde. Insofern nichts Neues. Doch dann deutete Seibert angesichts des neuen türkischen Kurses erstmals finanzielle Konsequenzen an. Vage zwar, aber immerhin. Es geht um die sogenannten Heranführungsmittel der EU. Seibert: „Da wird man sicherlich, wie bei allem anderen, was die EU ausgibt, immer wieder die Frage stellen müssen, ob die Mittelzahlungen auch den ursprünglich mal intendierten Zweck erreichen.“ Heranführungsmittel der EU. Hinter dem Bürokratensprech verstecken sich Milliardensummen. Sie werden EU-Beitrittsländern gewährt. Im Zeitraum 2007 bis 2013 sind 11,5 Milliarden Euro gezahlt worden, für die Periode 2014 bis 2020 liegen 11,7 Milliarden Euro im Schaufenster. Davon hat allein die Türkei bis 2013 knapp 4,9 Milliarden Euro bekommen, bis 2020 liegen weitere 4,5 Milliarden Euro bereit. Diese Zahlen gehen aus EU-Statistiken hervor. Neben der Türkei haben Länder wie Albanien, Bosnien, Kosovo, Mazedonien oder Serbien von Brüssels Geldsegen profitiert. Wofür werden die Heranführungsmittel gezahlt? Sie sollen die Beitrittsländer in die Lage versetzen, ihre Behörden auf EU-Niveau zu bringen, Institutionen aufzubauen, EU-Gesetzgebung umzusetzen oder grenzüberschreitende wirtschaftliche Zusammenarbeit zu fördern. Im sogenannten „Twinning“-Verfahren helfen beispielsweise Experten aus EU-Ländern den Beitrittskandidaten. Wie soll es nun weitergehen mit den Heranführungsmitteln und der Türkei? Da hat sich Seibert gestern zurückgehalten. Es sagte lediglich: Das sei eine europäische Entscheidung.

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