Politik SPD vor Gesprächen selbstbewusst - Mützenich führt Fraktion

Rolf Mützenich
Rolf Mützenich bleibt Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion.

Strahlende Gesichter und Entschlossenheit - die SPD zeigt sich vor dem Start der Sondierungen über eine Regierung in aufgeräumtem Zustand. Laut und eng wird es beim Gruppenbild mit Olaf Scholz.

Berlin (dpa) - Die SPD zieht selbstbewusst, optimistisch und mit demonstrativer Eintracht in die Sondierungen mit FDP und Grünen. Die neue SPD-Fraktion wählte am Mittwoch ihren Vorsitzenden Rolf Mützenich mit überwältigender Mehrheit erneut in sein Amt.

Generalsekretär Lars Klingbeil verkündete: «Unser festes Ziel ist, eine Koalition der Gewinner zu schmieden.» Gelassen zeigte sich der SPD-Parteimanager darüber, dass die beiden Wunschpartner für ein Ampelbündnis Vorsondierungen per Instagram-Selfie öffentlich gemacht hatten: Wenn beide schon einmal einen schönen Abend hatten, sei das für eine gute künftige Zusammenarbeit ja «sehr wichtig».

Gute Stimmung herrschte unter den 206 neuen und wiedergewählten Abgeordneten. Sie wählten Mützenich mit 97 Prozent erneut an ihre Spitze. Danach traten sie zum Fraktionsbild zusammen - ohne Maske und ohne größere Abstände, aber laut Fraktion alle geimpft. Mützenich wurde fürs Gruppenfoto mit La-Ola-Welle empfangen. Lauter wurde es noch, als Kanzlerkandidat und Neu-Fraktionsmitglied Olaf Scholz in die erste Reihe trat: Ein Gewitter zog in dem Moment über das Regierungsviertel hinweg - und gewaltiger Donner erschütterte den Bundestag. Fast symbolträchtig, wie einige meinten.

Viele Abgeordneten ließen Aufbruchstimmung aufkommen: Jünger, diverser, etwas ausgeflippter ist die SPD im Bundestag geworden. Mehr als jeder zweite Abgeordnete ist neu, jeder Dritte unter 40 Jahre alt. 42 Prozent der Fraktionsmitglieder sind Frauen. Seit Tagen zeigen die 104 neuen Abgeordneten auf Twitter stolz, dass sie nun dazugehören. 49 von ihnen sind im Juso-Alter, auch Kevin Kühnert, der ehemalige Juso-Chef und aktuelle SPD-Vize wurde direkt gewählt. Die Fraktion könnte sich mit ihnen deutlich nach links verschieben.

Viele verschiedene Geschichten in neuer Fraktion

Mehrere Neu-Parlamentarier sind Bürgerkriegsflüchtlinge, die berührende Geschichten erzählen können. Mit Verena Hubertz wagt eine erfolgreiche Start-up-Gründerin den Schritt ins Parlament - sie könnte ein Bindeglied zur FDP sein, heißt es. Dazu kommt eine Fußball-Schiedsrichterin aus Brandenburg. Und Biathlon-Olympiasieger Frank Ullrich, der in Thüringen den Einzug von CDU-Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen ins Parlament verhinderte und heftig gefeiert wird.

Die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker entwerfen längst Planspiele: Wo könnten sie es mit ihren Themen in einer Ampelkoalition leichter oder schwerer haben als mit der Union? So hieß es, mit der FDP könne es bei Innerem und Migration «etwas gehen». Bei der Finanz- und Haushaltspolitik fürchtet man bei der SPD hingegen große Differenzen. Scholz betonte am Dienstagabend die Überschneidungen von SPD, Grünen und FDP. Alle drei hätten «Fortschrittsideen». «Da passt was zusammen, wenn man das zusammenbringen will», sagte Scholz.

Mit dem Näherrücken von Koalitionsverhandlungen wird auch lauter über Posten spekuliert - auch wenn die Ämterverteilung offiziell erst am Ende von Koalitionsgesprächen auf den Tisch kommt. So wird seit Tagen immer wieder Mützenich als möglicher Nachfolger von Wolfgang Schäuble als Bundestagspräsident genannt. Schäuble muss seinen Posten räumen, weil die Union nicht mehr stärkste Fraktion ist.

«Sie können sicher sein, dass wir einen starken Kandidaten, eine starke Kandidatin dafür nominieren», sagte Mützenich am Mittwoch. Der 62-Jährige ist eigentlich für die nächsten zwei Jahre gewählt - könnte aber für ein anderes Amt zurücktreten. Auf Nachfrage meinte er: «Wenn es eine Wertschätzung sein soll, dass ich genannt werde, freue ich mich darüber.» Gewählt wird Ende Oktober bei der Konstituierung des Parlaments.

Als gesetzt für ein weiteres hohes Amt gilt Hubertus Heil, der als Arbeitsminister Kernprojekte der SPD umgesetzt hat und sich als SPD-Vize auch im Wahlkampf als Aktivposten erwies. Wahlkampfmanager und Generalsekretär Lars Klingbeil zählt nach der erfolgreichen Kampagne ebenso zu den starken Figuren in der SPD mit Eignung für herausgehobene Posten. Ob der umtriebige Corona-Einordner Karl Lauterbach, Parteichefin Saskia Esken oder auch weiter aus der bisherigen SPD-Ministerriege - an Namen, die für mögliche Regierungsämter genannt werden, mangelt es nicht.

Ebenfalls Futter für Spekulationen gibt der Zeitplan. Manchen würde es gefallen, wenn Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Scholz bereits Ende Oktober beim G20-Gipfel in Rom als ihren Nachfolger vorstellen würde. Andere haben eher den Jahreswechsel für den Start einer neuen Regierung im Blick.

© dpa-infocom, dpa:210929-99-409696/7

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