Meinung Selbstzerstörerisches Duell bei Italiens Fünf-Sterne-Protestbewegung

Giuseppe Conte (Bildmitte, im Vordergrund) war einst Ministerpräsident Italiens (Archivbild von 2019).
Giuseppe Conte (Bildmitte, im Vordergrund) war einst Ministerpräsident Italiens (Archivbild von 2019).

Italiens Fünf-Sterne-Protestbewegung zerlegt sich wegen eines Machtkampfs zwischen den beiden Selbstdarstellern Beppe Grillo und Giuseppe Conte gerade selbst. Was übrig bleibt, ist politischer Sternenstaub.

Der Unterhaltungswert des Hahnenkampfes ist beträchtlich. Das liegt vor allem daran, dass einer der beiden Protagonisten ein professioneller Komiker ist: Beppe Grillo hatte im Jahr 2007 seinen ersten „Vaffa-Day“ organisiert, den „Leck-mich-am-Arsch-Tag“, und angesichts des Großerfolgs dieses Events in Bologna gründete er kurz darauf die Fünf-Sterne-Bewegung. Der heute 76-jährige Grillo ist nie um eine witzige oder perfide Pointe verlegen. So auch nach den Europawahlen im Juni, an denen die Protestbewegung mit neun Prozent einmal mehr ein enttäuschendes Resultat hinnehmen musste: „Silvio Berlusconi erhält als Toter mehr Stimmen als Giuseppe Conte zu Lebzeiten“, tönte Grillo in Anspielung auf das achtbare Wahlresultat der früheren Berlusconi-Partei Forza Italia. Doch der verspottete Conte ist nicht etwa ein Vertreter der verhassten „System-Parteien“, sondern der ehemalige Premier und heutige Parteichef der Fünf Sterne.

Grillo und Conte: Die Chemie zwischen den beiden Fünf-Sterne-Selbstdarstellern hatte nie gestimmt. Aber als die Protestbewegung im Jahr 2018 mit sensationellen 32 Prozent der Stimmen die Parlamentswahlen gewann und mit über 300 Parlamentariern ins Abgeordnetenhaus und in den Senat einzog, musste eine präsentable, unverbrauchte Figur her, die als neuer Regierungschef den gestrengen Anforderungen von Staatspräsident Sergio Mattarella genügen würde. So zauberten die politisch völlig unerfahrenen Fünf Sterne den bis zu diesem Zeitpunkt unbekannten Professor und Anwalt für Zivilrecht aus Süditalien aus dem Hut. In seiner Antrittsrede im Parlament bezeichnete sich der Erzpopulist Conte als „Anwalt des Volkes“.

Conte wird nach umstrittener Abstimmung Parteichef

Nach seinem Sturz als Premier 2021 wurde Conte in einer umstrittenen Online-Abstimmung zum Parteichef der Fünf Sterne gewählt. Für den Gründer und Guru der Protestbewegung Beppe Grillo wurde der Posten eines „Garanten“ geschaffen. Seither eskaliert der Machtkampf zwischen den beiden Platzhirschen: Grillo wirft dem Ex-Premier unverhohlen vor, sein eigenes politisches Süppchen zu kochen und die ursprünglichen Werte der Bewegung zu verraten. Conte wiederum unterstellt dem „Garanten“ Grillo, der sich selbstironisch auch als „Il Elevato“ (der Erhöhte) bezeichnet, er wolle die alleinige Macht ausüben, als eine Art unfehlbarer Übervater der Bewegung.

Conte kommuniziert mit Grillo nur noch auf postalischem Weg, mit eingeschriebenen Briefen. Zuletzt drohte er, dem Parteigründer den Parteinamen und das Parteisymbol, das Grillo als sein geistiges Eigentum betrachtet, gerichtlich entziehen zu lassen. Und nicht zuletzt droht Conte auch damit, Grillo die 300.000 Euro zu streichen, die dieser jedes Jahr erhält.

Finaler Showdown im Oktober – und dann nur noch Sternenstaub?

Im Oktober wird es zwischen Grillo und Conte zum finalen Showdown kommen: Die Anti-System-Bewegung, die bei den Parlamentswahlen 2022 auf 15 Prozent abgestürzt ist, will sich bei einer „konstituierenden Versammlung“ eine neue Satzung geben und dabei auch Führungsfragen diskutieren. Das Zerwürfnis der beiden Hauptfiguren ist – politisch und auf der menschlichen Ebene – derart tief, dass das Resultat des Treffens kaum etwas anderes sein kann als eine Parteispaltung. Damit dürfte von den Fünf Sternen nicht viel mehr als Sternenstaub übrig bleiben.

Die meisten ihrer Wählerinnen und Wähler sind ohnehin längst dorthin zurückgekehrt, wo sie einst hergekommen sind: zu den Rechtsparteien von Giorgia Meloni und Matteo Salvini, zum linken Partito Democratico – oder zurück in die politische Abstinenz.

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