Impfstoff-Streit Schwere Vorwürfe gegen Astrazeneca

Stella Kyriakides, die für Gesundheit zuständige EU-Kommissarin.
Stella Kyriakides, die für Gesundheit zuständige EU-Kommissarin.

EU-Vertreter halten dem Pharmaunternehmen vor, mit falschen Erklärungen die Verzögerungen bei der Impfstoffproduktion zu begründen. Der Firmenchef hatte der EU eine Mitschuld an den Problemen gegeben.

EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hat Äußerungen des Astrazeneca-Chefs Pascal Soriot zurückgewiesen, wonach das britisch-schwedische Unternehmen nicht zu Impfstoff-Lieferungen an die Europäische Union verpflichtet sei. Diese Sichtweise sei „weder zutreffend noch akzeptabel“, sagte Kyriakides am Mittwoch vor einem Treffen mit Firmenvertretern, das bei Redaktionsschluss noch nicht beendet war. Die Hersteller von Impfstoffen hätten eine „moralische, gesellschaftliche und vertragliche Verantwortung“, bekräftigte die Kommissarin. Sie beklagte: „Wir stecken in einer Pandemie, und wir verlieren jeden Tag Menschen.“Der Konzern hatte vergangene Woche angekündigt, nach der für diesen Freitag erwarteten Zulassung des Impfstoffs in der EU im ersten Quartal nur einen kleinen Teil der zugesagten Menge zu liefern. Als Grund wurden Produktionsprobleme in einem Werk in Belgien angegeben.

Astrazeneca-Chef Pascal Soriot bestritt in einem am Dienstagabend veröffentlichten Interview mit mehreren europäischen Zeitungen, dass sich sein Unternehmen überhaupt zu festen Liefermengen für die EU verpflichtet habe. Er habe lediglich zugesichert, „dass wir unser Bestes geben werden“. Er verwies dabei auf eine sogenannte Best-Effort-Klausel.

Kommissionskreise: „Das ist eine Nebelkerze“

Aus Kommissionskreisen hieß es dazu, das sei eine Nebelkerze. Solche Klauseln seien in allen Verträgen zu Produkten üblich, „die noch nicht auf dem Markt sind“. Es gehe dabei darum, dass sich das Unternehmen bei der Impfstoffentwicklung und -zulassung bestmöglich bemühe. Die Risiken des Unternehmens seien dadurch abgefedert worden, dass die EU mehr als 300 Millionen Euro vorab für die Produktion bereitgestellt habe.

Dass Astrazeneca die geplanten Lieferungen an die EU reduziere, Großbritannien aber wie vereinbart Impfstoff erhalte, erklärte Soriot damit, dass die EU ihren Liefervertrag drei Monate später als Großbritannien abgeschlossen habe. Kyriakides sagte dazu, so gehe es vielleicht beim Fleischer an der Ecke zu, aber nicht im Umgang zwischen Ländern: „In unserer Vereinbarung ist nicht festgehalten, dass irgendein Dritter eher zum Zuge kommt, weil er früher abgeschlossen hat.“ Aus Kommissionskreisen hieß es, dass der Vertrag einen klaren Lieferzeitplan pro Quartal vorsehe und auch alle vier Astrazeneca-Fabriken in Europa genannt würden, also auch die in Großbritannien, die keine Produktionsprobleme hätten. Die EU-Kommission wolle den Vertrag mit Astrazeneca publik machen, teilte sie nach eigenen Angaben dem Unternehmen mit

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