Einbürgerung Sachverständigenrat kritisiert hohe Hürden

 In Deutschland lassen sich bislang vergleichsweise wenige Ausländer einbürgern.
In Deutschland lassen sich bislang vergleichsweise wenige Ausländer einbürgern.

EU-Bürger sehen oft keinen Grund, sich in Deutschland einbürgern zu lassen. Ein Beispiel ist der als innovativer Pandemie-Bekämpfer bekannt gewordene Oberbürgermeister von Rostock. Zuwanderer aus anderen Teilen der Welt schrecken die Hürden oft ab.

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) hat Bund und Ländern empfohlen, die Hürden für die Einbürgerung zu senken. Die Verfahren sollten bundesweit einheitlich und nutzerfreundlich gestaltet werden, schlägt das Gremium in seinem am Dienstag veröffentlichten Jahresgutachten vor. Im europäischen Vergleich sei der Anteil von Ausländern, die sich einbürgern ließen, in Deutschland relativ niedrig. Dies habe einen Mangel an politischer Beteiligung von Menschen mit Migrationsgeschichte zur Folge. Nur in Dänemark, Österreich, der Slowakei und Litauen würden noch weniger Menschen durch Einbürgerung zu Staatsbürgern.

Laut SVR führte 2019 zwar der Brexit-Sondereffekt dazu, dass die Einbürgerungsrate unter hier lebenden Briten höher war als bei Ausländern anderer Nationalitäten. Und in absoluten Zahlen stellten türkische Staatsbürger mit 16.235 Einbürgerungen 2019 die größte Gruppe. Doch ließen sich nur 1,2 Prozent der berechtigten Türken einbürgern. Von den Syrern taten dies 19,7 Prozent. In der Regel muss ein Ausländer acht Jahre warten, bis er einen Einbürgerungsantrag stellen kann – schneller geht es bei Zugewanderten, die eine Ehe oder Lebenspartnerschaft mit einer Deutschen oder einem Deutschen eingehen.

Eine „Turbo-Einbürgerung“ sollte nach Ansicht des SVR schon nach vier Jahren Aufenthalt ermöglicht werden, wenn Ausländer besonders gut integriert sind, sehr gut Deutsch sprechen, ihren Lebensmittelpunkt eindeutig nach Deutschland verlagert haben, und wenn ihr polizeiliches Führungszeugnis einwandfrei ist. Der Einbürgerungstest sollte aus Sicht der Berater nicht überbewertet werden. Die Fragen seien bekannt, seit der Einführung 2009 hätten ihn über 90 Prozent der Teilnehmenden bestanden. Abschreckend wirkten eher die Gebühren oder der Sprachtest.

Gerade Türken gäben zudem häufig den Wunsch, die alte Staatsangehörigkeit nicht aufzugeben, als Hindernis an. Der SVR unterstützt hier das „Generationenschnitt-Modell“. Es sieht vor, dass die doppelte Staatsangehörigkeit bei der Einbürgerung zunächst akzeptiert würde. In der nächsten oder übernächsten Generation würde die Weitergabe der ursprünglichen Staatsangehörigkeit dann aber unterbrochen. Im Vergleich der Bundesländer haben Hamburg und Thüringen seit Jahren mit vier Prozent die höchste Einbürgerungsquote. In Berlin und im Saarland war die Quote mit 1,9 Prozent besonders niedrig.

Der Sachverständigenrat hält es für problematisch, dass EU-Staatsangehörige in Deutschland bereits nach kurzem Aufenthalt auf kommunaler Ebene wählen und kandidieren dürfen, Ausländer anderer Nationalitäten aber nicht. Prominentes Beispiel für einen ausländischen Kommunalpolitiker ist der für seine ungewöhnliche Anti-Corona-Strategie bekannte parteilose Oberbürgermeister von Rostock, Claus Ruhe Madsen. Der Unternehmer ist Däne und hat nach eigenem Bekunden auch nicht vor, Deutscher zu werden.

Die Experten des SVR halten ein kommunales Wahlrecht auch für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten für wünschenswert. Sie gehen aber davon aus, dass dafür womöglich eine Verfassungsänderung notwendig wäre.

Der interdisziplinär besetzte Sachverständigenrat war 2008 von acht privaten Stiftungen gegründet worden. Der Bund hat im Dezember 2020 beschlossen, die Förderung des Gremiums zu übernehmen.

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