Meinung Maskenpflicht das kleinere Übel

In den meisten Bundesländern gilt im Nahverkehr noch eine Maskenpflicht.
In den meisten Bundesländern gilt im Nahverkehr noch eine Maskenpflicht.

Soll man im Umgang mit Corona alle Regeln fallen lassen und ganz auf Eigenverantwortung setzen? Den Preis in Form höherer Belastung würde das medizinische Personal bezahlen.

Den „Freedom Day“, den Freiheitstag, hat es nicht gegeben. Also den Tag, an dem auf einen Schlag alle Corona-Regeln aufgehoben wurden. Kassenärztechef Andreas Gassen zum Beispiel hatte im Herbst 2021 einen solchen Tag gefordert. Doch damit drang er zum Glück nicht durch. Es war viel sinnvoller, nach und nach die Corona-Maßnahmen zu beenden, um die Pandemie nicht wieder anzufachen – und den Eindruck zu vermeiden, Corona wäre vollkommen harmlos geworden (in Deutschland sterben weiterhin Hunderte Menschen pro Woche daran). Sich unangenehme Dinge einfach wegzuwünschen, mag in der Vorstellungswelt von Vierjährigen klappen. Erwachsene sollten gelernt haben, dass die Welt so nicht funktioniert.

An Corona-Regeln übrig geblieben sind im Wesentlichen die Maskenpflicht in medizinischen Einrichtungen und in Bussen und Bahnen. Können die nun auch weg, kann man ganz auf Eigenverantwortung setzen? Auf den ersten Blick spricht vieles dafür. In der Bevölkerung ist mittlerweile einen gewisse Grundimmunität vorhanden. Und wir haben die Mittel, um mit Corona umzugehen, insbesondere die Impfungen, die in vielen Fällen schwere oder gar tödliche Krankheitsverläufe verhindern. Menschen, die zu Risikogruppen gehören, sollte mittlerweile bewusst sein, dass ihr Impfstatus für die Schwere von Covid-19 eine große Rolle spielen kann. Das gilt übrigens auch bei der Influenza. Viele Grippetote wären zu vermeiden, wenn die Impfquoten bei Risikopatienten besser wären. Aber es steht jedem und jeder natürlich frei, sich gegen die Spritze zu entscheiden. Das ist zu respektieren, das liegt eben in der Eigenverantwortung.

Es gibt diesen gewichtigen Grund

Diese könnte man auch für die Fahrt mit Bus und Bahn reklamieren und die Maskenpflicht, die Ansteckungen verhindern soll, abschaffen, was beispielsweise Bayern gemacht hat. Wer kein Risiko eingehen möchte, kann freiwillig eine FFP2-Maske tragen – und wäre selbst dann gut geschützt, wenn maskenlose Infizierte mitführen. So einfach ist es aber nicht. Denn der soziale Druck würde dafür sorgen, dass die Masken weitgehend verschwänden. Viele beschleicht dann doch ein komisches Gefühl, wenn sie als Einzige einen Mundschutz tragen.

Das allein reicht gleichwohl nicht, um die Maskenpflicht zu rechtfertigen. Es braucht einen gewichtigen Grund. Den gibt es aber. Dafür muss man nur in die Praxen und Krankenhäuser schauen. Der Krankenstand in Deutschland ist enorm hoch, was freilich nicht nur an Corona liegt. Aber es wäre fahrlässig, die Lage mit einem Verzicht auf die Maskenpflicht zu verschärfen.

Unanständig gegenüber medizinischem Personal

Wer das Ende dieser Corona-Regel fordert, argumentiert oft damit, dass dies nicht zur Überlastung des Gesundheitssystems führen würde. Selbst wenn das zutrifft: Eine dauerhaft hohe Belastung scheint in dieser Argumentation akzeptabel. Das aber ist nicht nur unanständig gegenüber dem Personal in Arztpraxen und Kliniken, die bereits seit Jahren fast durchgängig am Anschlag arbeiten. Es ist auch unklug, weil dann immer mehr medizinisches Personal aus dem Beruf ausscheidet – mit der Folge, dass künftig eine Überlastung des Gesundheitssystems früher eintritt.

Da erscheint es doch als das kleinere Übel, die Masken noch bis Ende des Winters zu tragen.

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