Politik Leitartikel: Nicht grenzenlos

Wegen eines Streiks der Piloten werden beim Billigflieger Ryanair heute

Hunderte Flüge ausfallen. Der Arbeitskampf ist auch Folge eines

Geschäftsmodells, das nur auf möglichst niedrige Preise setzt. Ryanair soll seine Mitarbeiter

ordentlich bezahlen? Für Michael

O’Leary ist das ein Affront.

Die Realität hat nun auch Michael O’Leary eingeholt. Der Chef der irischen Billigfluglinie Ryanair gibt sich gerne sportlich und kämpferisch. Mit Kostendruck und vielen Versprechungen ist es ihm gelungen, aus der kleinen Fluggesellschaft einen der größten Billiganbieter am europäischen Himmel zu machen. Seine Ziele erreichte O’Leary mit viel Verhandlungsgeschick. Zunächst reichte ihm die Präsenz auf einem Regionalflughafen, weil die großen Airports zu teuer waren. Doch nach und nach wurde auch bei Ryanair deutlich, dass dieses Geschäftsmodell nicht auf Ewigkeit funktionieren kann. Zuerst mussten die Passagiere für Koffer bezahlen, für die Sitzplatzreservierung sowieso, für Kreditkartenzahlungen und und und. Schließlich haben auch die Iren erkannt, dass es durchaus lukrativ, aber eben auch teurer ist, vom internationalen Flughafen in Frankfurt zu starten und nicht nur vom 120 Kilometer entfernten Hunsrück-Airport Hahn, den sie irreführend Frankfurt-Hahn nennen. Und nun soll Ryanair auch noch seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ordentlich bezahlen? Für Michael O’Leary ist das ein Affront. Das Unternehmen zahle doch schon gut, hält er den Gewerkschaften entgegen, die jetzt aufmucken. Außerdem hätten die Beschäftigten bei Ryanair ja einen sicheren Arbeitsplatz bei einem Unternehmen, das wächst und wächst. Aber das Geschäftsmodell von Ryanair, das darauf gründet, dass immer mehr Flugreisende nur auf den Preis schauen und dadurch das Wachstum der Billigflieger unendlich schien, scheint an seine Grenzen zu stoßen. Das liegt zum einen daran, dass auch die sogenannten Qualitätsanbieter immer häufiger günstige Preise – zu bestimmten Zeiten und unter bestimmten Voraussetzungen – anbieten. Und es liegt zum anderen daran, dass der zunehmende Flugverkehr auch immer wieder für Staus am Himmel sorgt – und das trifft Billigflieger ebenso wie einen First-Class-Passagier der Lufthansa. Das ist nicht nur eine Folge von Streiks. Die Verspätungen und Ausfälle, die sich seit Jahresbeginn häufen, haben viele Ursachen. Da ist der Ausfall des zweitgrößten deutschen Anbieters Air Berlin, diese Lücke kann nicht nahtlos geschlossen werden. Da sind Mängel in der Infrastruktur, etwa bei den Sicherheitskontrollen an den Flughäfen, aber auch bei den Fluglotsen. Ryanair hat den Fehler gemacht, anfangs nur über den Preis möglichst viele Kunden zu werben, dabei aber die eigene Belegschaft zu vernachlässigen. Air Berlin hatte den Spagat versucht, aus einem Ferienflieger auch eine „Qualitätsairline“ zu machen, die für Geschäftsreisende interessant ist. Die Lufthansa – anfangs noch dafür belächelt – versucht den umgekehrten Weg: Wer mehr bezahlt, sollte auch mehr Leistung erwarten dürfen. Das ist aber innerhalb eines Unternehmens, einer Struktur, schwer umzusetzen. Dafür hat die deutsche Nummer eins hart mit den Gewerkschaften gekämpft. Gerade der Stau am Himmel zeigt aber, dass es aus unternehmerischer Sicht zwingend erforderlich ist, den komplexen Flugbetrieb mit einer „Mischkalkulation“ aufrechtzuerhalten. Es muss die Passagiere geben, die bereit sind, für mehr Qualität einen höheren Preis zu zahlen. Wenn sie dabei aber im gleichen Stau landen wie alle anderen, dann wird auch diese Bereitschaft abnehmen.

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