Politik Leitartikel: Kaum greifbare Erfolge
Die Polemik beim Thema Migration überdeckt,
dass die neue Regierung Italiens nur wenig vorzuweisen hat.
Doch bei etlichen Landsleuten punktet sie damit. Die italienischen Koalitionsparteien sind sich in wenigen Dingen einig.
Ein Regierungsbruch ist möglich.
„Wenigstens machen sie mal was.“ Diesen Satz hört man zur Genüge dieser Tage in Italien. Selbst wer sich nach rund 100 Tagen Regierungszeit noch kein Urteil über die neue Führungsriege des Landes machen will, trägt ihn auf den Lippen. Dabei kann die Koalition aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechten Lega noch nicht viel Konkretes vorweisen. Das einzige Gesetz, das in den vergangenen Wochen verabschiedet wurde, ist das „Decreto Dignità“, das Vorzeigeprojekt von Arbeitsminister und Vize-Premier Luigi Di Maio. Der Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, die mit 32 Prozent der Wählerstimmen die stärkere Kraft in der Regierungskoalition ist, will damit den Arbeitsmarkt revolutionieren und vor allem die Rechte der prekär Beschäftigten stärken. Das „Dekret Würde“ beinhaltet strengere Regeln für befristete Arbeitsverträge und verbietet Werbung für Glücksspiel. Es sieht zudem für Unternehmen erhebliche Strafen vor, sollten sie staatliche Unterstützung einstreichen und innerhalb von fünf Jahren Teile ihrer Produktion ins Ausland verlegen. Kritiker befürchten allerdings, dass das Gesetzespaket eher die Wirtschaft lähmen als ankurbeln wird. Ausländische Investoren könnten abgeschreckt werden, außerdem würden Anreize für die Unternehmer fehlen, die bisherigen befristeten Arbeitsverträge in unbefristete umzuwandeln. Tito Boeri, der Chef der italienischen Sozialversicherung INPS, warnte bereits, das Vorgehen der neuen Regierung in Rom werde in den kommenden zehn Jahren 80.000 Arbeitsplätze kosten. Was aus den eigentlichen Wahlversprechen der beiden Regierungsparteien wird, wird sich erst in den kommenden Wochen zeigen, wenn die Regierung ihren Haushaltsplan für 2019 vorlegen muss. Die Fünf-Sterne-Bewegung konnte im Wahlkampf vor allem damit punkten, dass sie den Italienern die Einführung eines sogenannten Bürgereinkommens versprach, das von der Idee her dem Hartz-IV-System in Deutschland ähnelt. Die Lega sammelte Stimmen, weil sie eine Flat Tax, also einen einheitlichen Steuersatz, von 15 Prozent einführen möchte. Experten gehen davon aus, dass die Umsetzung all dieser Wahlgeschenke rund 130 Milliarden Euro kosten würde – Geld, das das hochverschuldete Italien nicht hat. Die Staatsverschuldung liegt bei 132 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Wirklich einig sind sich die Regierungsparteien außerdem in nur wenigen Dingen. Die Gefahr eines frühen Endes der Zweckehe und von Neuwahlen ist durchaus real. Über ein neues Wahlrecht wird schon gar nicht mehr geredet. Dabei ist das aktuelle, das in aller Hektik vor den zurückliegenden Wahlen entstanden ist, ein unverständlicher Wirrwarr aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht. Doch das kümmert momentan nur wenige in Italien. Die Regierung – allen voran Innenminister Matteo Salvini – punktet mit ihrer lauten und direkten Kommunikation über die sozialen Medien. Mit seiner Härte gegenüber Migranten hat Salvini in den ersten drei Monaten seiner Amtszeit als Innenminister öffentlichkeitswirksam die politische Bühne dominiert und auch die internationalen Partner in Schach gehalten: Mehr als einmal hat er die italienischen Häfen für Schiffe mit Geretteten geschlossen – zuletzt sogar für Schiffe der eigenen Küstenwache, die zur italienischen Marine zählen. Bei etlichen Landsleuten kommt diese rabiate Vorgehensweise Salvinis an.