Politik Leitartikel: Debakel für die SPD

Machtwechsel im bevölkerungsreichsten Bundesland: Bitter für die

Sozialdemokraten und ihren Plan für die Bundestagswahl. Aber auch eine

Belohnung für einen CDU-Wahlkampf, der ganz auf Landespolitik gesetzt hat. Glück im Unglück: Die Niederlage geht nicht mit Martin Schulz heim, sondern mit Hannelore Kraft.

Ausgerechnet in Nordrhein-Westfalen. Ausgerechnet in dem Bundesland, das die Sozialdemokraten als ihr Stammland ansehen, wo das Wirtschaftswunder der 50er Jahre Laufen lernte, wo die SPD in den 60er Jahren den Grundstein legte für die erste sozialdemokratisch geführte Bundesregierung. Ausgerechnet dort erlebt die SPD nun eine Wahlniederlage, die die Partei nicht so wird wegstecken können wie die Verluste zuvor im Saarland und in Schleswig-Holstein. Denn in Nordrhein-Westfalen war immerhin gut ein Fünftel jener Bürger zur Abstimmung aufgerufen, die am 24. September auch über die Zusammensetzung des Bundestages bestimmen sollen. Auch wenn am gestrigen Wahlsonntag nicht die Bundespolitik zur Debatte stand, sondern die Wähler ihr Urteil fällten über die Politik der rot-grünen Landesregierung – in der Strategie der SPD für dieses Wahljahr war ein Sieg in Nordrhein-Westfalen fest eingeplant: als Basis für ein erfolgreiches Abschneiden in der Bundestagswahl. Das ist gründlich schiefgegangen, und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz kann im Nachhinein nur froh sein, dass die SPD in Nordrhein-Westfalen ihren Wahlkampf ganz auf Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zugeschnitten hat. So geht die Niederlage nicht mit Schulz heim, sondern mit Hannelore Kraft. Mit ihrem sofortigen Rücktritt steht sie ihrer Partei immerhin nicht im Wege, wenn nun die Verhandlungen über eine Zusammensetzung der künftigen Landesregierung anstehen. Aber auch die Grünen zwischen Rhein und Weser haben ihren Anteil an der Niederlage. Schul- und Verkehrspolitik wurden im Wahlkampf zu Prüfsteinen, und die Mehrheit der Bürger war offenbar mit den Leistungen der Landesregierung in diesen Fragen besonders unzufrieden. Der Wähleranteil der Grünen wurde glatt halbiert. Anders als bei der Wahl in Schleswig-Holstein eine Woche vorher hat sich der kleinere Koalitionspartner nicht genug profiliert. Taktisch unklug war überdies, eine Koalition mit CDU und FDP von vornherein auszuschließen. Aber in Nordrhein-Westfalen sind Grüne und Liberale nur durch eines verbunden: gegenseitige herzliche Abneigung. Die FDP kann das leicht verschmerzen, denn sie hat im Wahlkampf auf Eigenständigkeit gesetzt – und damit offensichtlich alles richtig gemacht. Die heikle Frage des „Interims-Spitzenkandidaten“ – FDP-Chef Christian Lindner tritt im Herbst auch für den Bundestag an – hat den Liberalen offenbar nicht geschadet. Am meisten von ihren Stimmengewinnen profitiert die CDU. Sie stellt mit Armin Laschet den nächsten Ministerpräsidenten. Laschet ist in der Union lange unterschätzt worden – wohl auch deshalb, weil er zu einer Zeit treuer Gefolgsmann von Bundeskanzlerin Angela Merkel blieb, als viele Unionisten von ihrer Parteichefin abrückten. Laschet hat die CDU in Nordrhein-Westfalen aus dem tiefen Tal des beschämenden Wahlergebnisses von 2012 herausgeführt. Was auch deshalb bemerkenswert ist, weil er anders als manch andere CDU-Wahlkämpfer in den Ländern darauf verzichtete, sich mit populistischen Forderungen um mögliche AfD-Wähler zu bemühen. Laschet setzte auf landespolitische Themen – und siehe da, die AfD ist erneut in einer Landtagswahl weit von der Zweistelligkeit entfernt geblieben. Was das für die Bundestagswahl aussagt? Eines gewiss: Je mehr Parteien im Parlament sitzen, desto schwieriger wird die Regierungsbildung. Eine Vorentscheidung aber war diese Wahl nicht.

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