Politik Landtagswahl in Brandenburg: Zwischen Wehmut und Demokratieskepsis

Nicht auf einem Motorrad mit knattrigem Verbrennungsmotor unterwegs, sondern auf einem Fatbike mit emissionsfreiem Elektromotor:
Nicht auf einem Motorrad mit knattrigem Verbrennungsmotor unterwegs, sondern auf einem Fatbike mit emissionsfreiem Elektromotor: In einem Bündnis mit den Grünen ist Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dennoch schwer vorstellbar.

Am Sonntag wird der Potsdamer Landtag neu gewählt. Eine Regierungsbildung dürfte schwierig werden, möglicherweise braucht es eine Koalition aus vier Parteien. Trotz guter Wirtschaftsdaten hat sich im Land viel Frust breitgemacht.

Es gab noch nie einen CDU-Spitzenkandidaten, der grüner daherkam als Ingo Senftleben. Brandenburgs CDU-Chef will „mindestens 25 Millionen Bäume“ neu pflanzen, er kann sich vorstellen, dem Ausbau von Zugtrassen und Radwegen Vorrang vor dem Straßenbau zu geben. Er will Plastik-Einweggeschirr aus Schulen und öffentlichen Gebäuden verbannen und kein Dorf mehr wegen des Braunkohleabbaus abreißen lassen. Auch bekennt Senftleben gern, dass die vergangenen fünf Jahre Opposition zusammen mit den Grünen „Spaß gemacht“ hätten. Als erster Christdemokrat wagte er es, ein Großplakat mit seinem Konterfei aufstellen zu lassen, auf dem er seinen Anspruch verkündete, der in der „roten Mark“ bislang aussichtslos erschien: „Maurer, Brückenbauer, Ministerpräsident“.

Nur noch Rang drei

Um Regierungschef zu werden, ist Senftleben sogar bereit, im Zweifelsfall eine Koalition außer mit den Grünen auch mit den Linken einzugehen. Doch je näher der Wahltag rückt, desto aussichtsloser erscheinen seine Ambitionen. Denn die CDU liegt mit 18 Prozent nur noch auf Rang drei. Der Quereinsteiger Senftleben hat zwar die übliche politische Farbenlehre neu gemischt – aber damit seine eigene Partei gespalten. Die Konservativen lehnen eine Kooperation mit den Linken strikt ab, so dass Senftleben unter den CDU-Anhängern schlechtere Zustimmungswerte erreicht als Ministerpräsident Dietmar Woidke von der SPD. Das muss man erst einmal schaffen. Dabei kann der amtierende Regierungschef an die Stärke und Beliebtheit seiner Vorgänger Manfred Stolpe und Matthias Platzeck nicht anknüpfen. Nach fast 30 Jahren an der Macht wirken die Genossen inhaltlich wie personell ausgezehrt. Die Kreisreform, das wichtigste Projekt der vergangenen Legislaturperiode, musste Woidke nach heftigem Widerstand auch aus den eigenen Reihen absagen. In die Regierungsarbeit schlichen sich zunehmend handwerkliche Defizite ein. Viel zu spät suchte die SPD nach neuen Perspektiven für das Braunkohlerevier in der Lausitz. Die Partei beklagt jetzt, dass in der durch den beabsichtigten Kohleausstieg verunsicherten Region die AfD immer stärker wird. Zwar hat in den jüngsten Umfragen die SPD gegenüber den Rechtsnationalisten wieder knapp die Nase vorn. Doch die Sozis haben mehr aufgrund von Woidkes Amtsbonus und seiner Bekanntheit als durch seinen Politikstil, der nur als behäbig zu bezeichnen ist, zugelegt.

Weiterhin Woidke?

Mit Wehmut erinnern sich viele Genossen an Platzecks furiosen Wahlkampf-Endspurt, der von den Streitereien um Hartz IV dominiert war. Damals, im Jahr 2004, lag die SPD in den Umfragen wenige Wochen vor dem Urnengang abgeschlagen hinter der PDS, den heutigen Linken, und der CDU auf Platz drei. Gleichwohl gewann die Platzeck-SPD mit 31,9 Prozent der Stimmen deutlich. Am Sonntag könnten bereits die aktuell prognostizierten 21 Prozent der SPD reichen, um erneut den Regierungschef zu stellen. Ob er dann allerdings weiterhin Woidke heißen wird, ist offen. Denn am wahrscheinlichsten erscheint ein Bündnis aus SPD, dem bisherigen Koalitionspartner Linke und den erstarkten Grünen. In Potsdam ist es nur schwer vorstellbar, dass der in der Lausitz tief verwurzelte SPD-Landeschef Woidke – angesichts der politischen und kulturellen Gegensätze in der Kohle-, Agrar- und Umweltpolitik – eine Koalition mit der Öko-Partei anführen könnte. Die Grünen indes profitieren von den Debatten um Klimaschutz und Kohleausstieg – und der Glaubwürdigkeit, die ihnen viele potenzielle Wähler dabei attestieren. Sie profitieren aber auch von der überzeugenden Oppositionsarbeit ihrer Spitzenkandidatin Ursula Nonnemacher, und nicht zuletzt vom Bundeshype für die Ökopartei. Bündnis90/Die Grünen liegen mit gut 14 Prozent gleichauf mit den in Potsdam bislang mitregierenden Linken. Die Nachfolgepartei der PDS wird für viele Probleme im Land mitverantwortlich gemacht. Zudem haben die Linken den Rücktritt ihrer größten Hoffnungsträgerin, die auch ursprünglich als Spitzenkandidatin vorgesehen war, nicht überwunden. Gesundheitsministerin Diana Golze musste nach einem Arzneimittel-Skandal gehen.

Zusammenarbeit mit AfD ausgeschlossen

Da auch FDP und Freie Wähler gute Aussichten haben, in den Landtag einzuziehen, könnte die Mark sogar eine Koalitionsregierung aus vier Parteien bekommen – was es in Deutschland nach 1945 noch nie gab. Eine Zusammenarbeit mit der AfD haben alle anderen Parteien ausgeschlossen. „Brandenburg ist Flügelland“, betont AfD-Landeschef Andreas Kalbitz gern. Der Rechtsaußen verweist auf stabile Umfragewerte um 20 Prozent, was für Platz zwei reichen dürfte. Rund jeder fünfte Märker hat bereits bei den vergangenen Wahlen (Bundestag und Europa) AfD gewählt. Umfragen zeigen, dass neben einer demokratieskeptischen Grundstimmung, der Aufregung rund um die Flüchtlingspolitik, dem schlechten Auftreten der großen Koalition in Berlin auch regionale Probleme für den Erfolg der Rechtsnationalen verantwortlich sind. Die Menschen in den Randregionen Brandenburgs fühlen sich „abgehängt“ – es fehlen Ärzte, Polizisten und Lehrer, schnelles Internet und schnelle Bahnverbindungen. Obwohl die Wirtschaft so gut wie nie seit der Einheit dasteht und die Arbeitslosenquote mit 5,7 Prozent (Juli 2019) einen Tiefstand erreicht hat. 2004 betrug sie noch 18,7 Prozent.

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