Türkei Cem Özdemir: Kritik an Erdogan-Fans in Deutschland
Bundesagrarminister Cem Özdemir hat sich kritisch zu den Feiern von Anhängern des wiedergewählten türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Deutschland geäußert. Hier feierten Menschen, „ohne für die Folgen ihrer Wahl einstehen zu müssen“, schrieb der türkischstämmige Özdemir auf Twitter. Der Grünen-Politiker äußerte auch Sorgen hinsichtlich der Entwicklung in der Türkei.
Bei der Stichwahl um das türkische Präsidentenamt hatte Erdogan knapp gewonnen, unter den rund 1,5 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland dabei ungefähr eine Zweidrittelmehrheit geholt. 67,2 Prozent der in Konsulaten in Deutschland abgegebenen Stimmen entfielen auf Erdogan. Sein Herausforderer Kemal Kilicdaroglu kam auf 32,8 Prozent. Gut 760.000 Menschen gaben demnach in Deutschland ihre Stimme ab, das entspricht einer Wahlbeteiligung von rund 50,4 Prozent. Insgesamt gewann Erdogan die Türkei-Stichwahl mit 52 zu 48 Prozent der Stimmen.
Tausende auf den Straßen
Als sich am Sonntagabend Erdogans Sieg abzeichnete, zog es in vielen deutschen Städten Tausende Unterstützer auf die Straße. Unter anderem in Berlin, Duisburg, Hamburg, Frankfurt, München, Mainz, Alzey und Saarbrücken fuhren hupende und mit Türkei-Fahnen geschmückte Autos durch die Straßen. In Stuttgart wurden drei Männer laut Polizei durch Messerstiche verletzt. Auch in Mannheim kam es zu Auseinandersetzungen. In Dortmund gerieten einige Feiernde mit der Polizei aneinander. In vielen Städten gab es zudem Anzeigen – etwa wegen Verkehrsvergehen oder Pyrotechnik. Allein in München wurden 94 Verkehrsordnungswidrigkeiten angezeigt.
Özdemir sagte, der laute Jubel vieler Erdogan-Anhänger in deutschen Städten sende ein verstörendes Signal. „Die hupen, weil jemand eine Wahl gewonnen hat, der das Land in eine Art offenes Gefängnis verwandelt, während sie hier gleichzeitig die Vorzüge einer liberalen Demokratie genießen.“
Erdogan hatte schon vor zwei Wochen die Nase vorn
Widerspruch kam vom Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu. „Je mehr Bashing gegenüber den Wählerinnen und Wähler betrieben wird, desto mehr und entschlossener gehen die Menschen auch zur Wahl“, sagte er am Montag. „Man könnte gerade auch die Menschen, die so politisiert sind, so aktiv in der Politik sind, auch mal für die deutsche Politik gewinnen.“ Da habe die deutsche Politik sehr viel versäumt.
Erdogan hatte bereits im ersten Wahlgang vor zwei Wochen bei den in Deutschland lebenden türkischen Wahlberechtigten deutlich die Nase vorn.