Umweltschutz Klagen für das Klima nehmen zu

Neben dem Protest auf der Straße gehen Klimaschützer auch den juristischen Weg.
Neben dem Protest auf der Straße gehen Klimaschützer auch den juristischen Weg.

Immer öfter ziehen Umweltverbände gegen die globale Erderwärmung vor Gericht. Ihr Ziel: den Klimaschutz gesetzlich zu verankern. Und immer öfter geben Richter den Klägern Recht.

„Es gibt eine wesentliche juristische Entwicklung in letzter Zeit im Zusammenhang mit dem Klimaschutz,“ sagte die Bundesrichterin am Schweizer Bundesgericht, Julia Hänni, auf der 65. Jahrestagung der Deutschen Sektion der Internationalen Juristen-Kommission in Mannheim. Die Tagung ging am Sonntag zu Ende.

Die Unterzeichnerstaaten sollen die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 einhalten, fordern Umweltschützer und setzen neben Demonstrationen zunehmend erfolgreich Klimaklagen ein. Urteile in Deutschland und den Niederlanden zeigen: Auch die Gerichte schauen dem Klimawandel nicht länger zu.

Bereits im Dezember 2019 hatte die niederländische Umweltschutzorganisation Urgenda vor dem obersten Gericht erstritten, dass die Regierung die Treibhausgasemissionen bis Ende 2020 auf maximal 25 Prozent des Ausstoßes von 1990 senken müsse. Für Deutschland gilt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021, wonach das deutsche Klimaschutzgesetz von 2019 in Teilen verfassungswidrig ist, als wegweisend. Es verletze die Freiheitsrechte der jungen Beschwerdeführer, so die Begründung des Gerichts.

Durchbruch dank Shell-Urteil

„Jeder Staat muss seinen Teil dazu beitragen, das Klimaproblem zu bewältigen,“ sagte Julia Hänni. „Regionale Probleme haben globale Ursachen,“ verwies sie auf die ungleiche Betroffenheit des globalen Südens und westlicher Industrieländer durch den Klimawandel. Aus Artikel 2 der Europäischen Menschrechtskonvention (EMRK) das Recht auf Leben und Artikel 8 das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens leitete die Bundesrichterin Klagemöglichkeiten gegen den Staat „wegen Unterlassung“ ab.

Diese Unterlassung sei bei Staaten allerdings nur schwer nachzuweisen, räumte die Schweizer Bundesrichterin ein. Klimaklagen gegen Unternehmen dagegen waren jüngst erfolgreich. Als Durchbruch gilt das Shell-Urteil vom Mai 2021 in den Niederlanden. Das oberste Gericht in Den Haag hatte erstmals einen multinationalen Konzern dazu verurteilt, seinen CO 2 -Ausstoß bis 2030 um 45 Prozent gegenüber 2019 zu reduzieren. Es wird erwartet, dass das Urteil Auswirkungen auf andere Konzerne hat.

Klimaaktivisten wie der Jugendrat der Generationen Stiftung feiern die „Klimaurteile“ als Erfolg. Wirtschaft und Industrie sehen diese Entwicklung mit Sorge, sagte der langjährige leitende Mitarbeiter der BASF in Ludwigshafen, Wolfgang Haas. Klimaklagen gegen Unternehmen, könnten im Extremfall dazu führen, das Unternehmen stillzulegen, kritisierte der Rechtsanwalt.

„Wir brauchen den CO 2 -Preis als Steuerungsinstrument“, forderte die Leiterin des Geschäftsfelds Klimapolitik am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung, ISI, in Karlsruhe, Vicki Duscha. Sie entwarf ein Modell, wie jeder Einzelne seine CO 2 -Bilanz verbessern könnte.

Der Vorsitzende des Präsidiums der Deutschen Sektion der Internationalen Juristen-Kommission, Andreas L. Paulus, allerdings warnte: „Die soziale Frage spielt bei der CO 2 -Einsparung eine Rolle.“ Der Verfassungsrichter sagte: „Die Gerichte können den sozialen Ausgleich nicht schaffen.“ Denn Juristen machten nicht die Gesetze. Das sei Aufgabe der Politik. Ein Gericht könne lediglich entscheiden, dass ein Gesetz nicht der Verfassung entspricht.

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