Kalenderblatt: Kalender: Nelson Mandela – Häftling und Held

Umjubelt Zwei Tage nach seiner Freilassung nach 27-jähriger Haftzeit grüßt Nelson Mandela mit seiner damaligen Frau Winnie die M
Umjubelt Zwei Tage nach seiner Freilassung nach 27-jähriger Haftzeit grüßt Nelson Mandela mit seiner damaligen Frau Winnie die Menge. 1994 wurde er der erste schwarze Präsident Südafrikas.

Am 10. Mai 1994 wird Nelson Mandela als erster schwarzer Präsident Südafrikas vereidigt.

Der Himmel war stahlblau, wie es im Mai hier üblich ist. Unüblich war die Menschenmenge, die sich im Amphitheater vor dem südafrikanischen Regierungsgebäude, den Union Buildings in Pretoria, versammelt hatte: Präsidenten, Popstars, Prinzen, Bischöfe und Generäle. PLO-Chef Yassir Arafat war da, genauso wie Israels Präsident Chaim Herzog, Kubas Fidel Castro und der britische Prinz Philip. In seiner Antrittsrede versprach der zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas vereidigte Ex-Häftling Nelson Mandela: „Nie, nie und niemals wieder wird dieses schöne Land noch einmal die Unterdrückung eines Menschen durch einen anderen erleben.“ Danach donnerte eine Staffel Kampfjets über die illustren Gäste – zum Zeichen, dass selbst das Militär, der Stolz der einstigen Apartheidmacht, dem neuen Präsidenten gehorchen wird. Spätestens jetzt flossen die Tränen.

Südafrika war an diesem Tag vom „Stinktier“ (Nelson Mandela) zum Star der Weltgemeinschaft aufgestiegen. Das „Wunder vom Kap“ – die Tatsache, dass sich der Rassistenstaat ohne viel Blutvergießen in eine moderne Demokratie verwandelt hatte – war perfekt. Fünf Jahre lang durfte die „Regenbogennation“ ihren Status als erfüllter Traum der aufgeklärten Menschheit mit Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit genießen – dann trat der 81-jährige Mandela, für viele zu früh, als Präsident zurück.

Das Land ist noch immer gespalten

Von der Euphorie des 10. Mai 1994 ist 26 Jahre später nichts, oder zumindest nicht viel übrig geblieben. Zurecht pflegt Erzbischof Desmond Tutu zwar auf die Tatsache zu verweisen, dass dem Kap der Guten Hoffnung das Schlimmste, nämlich ein Rassenkrieg, erspart geblieben sei. Doch mit viel mehr kann sich die Regenbogennation nicht brüsten. Ihre Bevölkerung ist noch immer in zwei Hälften gespalten: Hier ein großer, armer und fast ausschließlich schwarzer Teil, dort ein kleines und wohlhabendes Segment, dem zwar inzwischen auch einige schwarze, mehrheitlich jedoch noch immer weiße Südafrikaner angehören. Tragischerweise sind die beiden Hälften im vergangenen Vierteljahrhundert eher noch weiter auseinandergetrieben. Dafür machen frustrierte jugendliche Schwarze auch Nelson Mandela verantwortlich: Mit seiner Versöhnungspolitik habe er es versäumt, für eine auch wirtschaftlich radikale Umwälzung zu sorgen.

Tatsächlich scheiterte der Plan Mandelas und seines Nachfolgers Thabo Mbeki, den Kuchen dermaßen zu vergrößern, dass er neu verteilt für alle reichen würde. Obwohl die Wirtschaft zunächst brummte, nahm die Zahl der Arbeitsplätze partout nicht zu. Der nächste Präsident Jacob Zuma änderte die Strategie: Er sah die Neuverteilung darin, nur noch sich selbst und seine Seilschaften auf kriminelle Weise zu bereichern. Mit der Corona-Pandemie ist Südafrika nun vollends in eine der tiefsten Wirtschaftskrisen seiner Geschichte gesackt: Auch die Spannungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen verschärfen sich wieder. „Nie, nie und niemals wieder…“: Wenn der Appell nur nicht endgültig verhallt.

Die RHEINPFALZ feiert 2020 ihren 75. Geburtstag. In unserem Jubiläumskalender erinnern wir jeden Tag an ein besonderes Ereignis oder eine ungewöhnliche Geschichte aus den vergangenen 75 Jahren.

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