Politik Kalender: 9. Februar 1973 – der zweite deutsche Staat wird salonfähig

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Am 9. Februar 1973 erkennen Frankreich und Großbritannien als erste westliche Siegermächte des Zweiten Weltkriegs die DDR diplomatisch an. Von Rolf Gauweiler

Fast 41 Jahre lang, von 1949 bis 1990, gab es zwei Staaten auf deutschem Boden. Doch der östliche der beiden war für die westlichen Demokratien lange nur Luft. Erst hieß er „die Zone“, dann war er „ein Phänomen“ (Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger). Doch schließlich setzte sich die Erkenntnis durch, dass hier ein Staat entstanden war, der nicht ignoriert werden konnte: Heute vor 47 Jahren nahmen mit Großbritannien und Frankreich die ersten westlichen Siegermächte des Zweiten Weltkriegs diplomatische Beziehungen mit der Deutschen Demokratischen Republik auf, wie „die Zone“ offiziell hieß.

Voraussetzung für diesen Schritt war die neue Ostpolitik der SPD/FDP-Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt. Sie ging davon aus, dass es humanitäre Erleichterungen für die Menschen im geteilten Deutschland nur geben könne, wenn zuvor die Realitäten anerkannt werden würden. Dazu gehörte die Aufgabe des Alleinvertretungsanspruchs, demzufolge nur die frei gewählte Bundesregierung berechtigt sei, für die 16 Millionen Deutschen im Ostteil des Landes zu sprechen und zu handeln.

Diese nach Walter Hallstein, dem früheren diplomatischen Berater Konrad Adenauers, genannte Hallstein-Doktrin war im Lauf der Zeit brüchig geworden. Besonders die neuen Staaten in Afrika und Asien sahen nicht ein, warum sie auf Handel und wirtschaftlichen Austausch mit dem anderen deutschen Staat verzichten sollten.

 

Stiefel für die Kicker, Reisen für die Kumpel

Aber auch die Verbündeten der Bundesrepublik hielten die Isolation der DDR für nicht mehr zeitgemäß. Sportliche und kulturelle Begegnungen sowie wirtschaftliche Kontakte hatte es schon in den Sechzigerjahren gegeben. Das staatliche DDR-Reisebüro „Berolina“ warb für die Teilnahme an der Leipziger Messe und bot Kohlekumpeln aus den britischen Midlands Reisen ins Arbeiter- und Bauernparadies an. Ostdeutsche Exporteure verkauften britischen Autobauern Maschinen für die Fließband-Fabrikation und Sportartikel-Händlern im Mutterland des Fußballs Stiefel der Marke „Hansa-Dynamo“. Und das Berliner Sinfonieorchester brillierte mit Beethoven in der Londoner Royal Albert Hall.

Westlich des Rheins forderten Intellektuelle wie Jean-Paul Sartre und Schauspieler wie Michel Piccoli eine Normalisierung des Verhältnisses zwischen Frankreich und der DDR. Die Unterzeichnung des Grundlagenvertrages zwischen den beiden deutschen Staaten im Jahr 1972 machte den Weg dazu frei. Nun waren die Beziehungen zwischen den westlichen Großmächten und der DDR geregelt, wurden aber dadurch nicht herzlich. Erst im Jahr 1988 empfing der französische Staatspräsident François Mitterrand in Paris seinen Kollegen Erich Honecker. Zwei Jahre später gab es die Deutsche Demokratische Republik nicht mehr. Dass die Deutschen jemals wieder in einem Staat vereinigt sein würden, das hatte sich am 2. Februar 1973 beim Botschafteraustausch wohl niemand vorstellen können.

 

Die RHEINPFALZ feiert in diesem Jahr ihren 75. Geburtstag. 365 Tage lang. In diesem Kalender erinnern wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, jeden Tag an ein besonderes Ereignis oder eine ungewöhnliche Geschichte aus den vergangenen 75 Jahren.

 

SchutzmachtFrankreich, Großbritannien und die USA hatten während der deutschen Teilung in West-Berlin das Sagen.
SchutzmachtFrankreich, Großbritannien und die USA hatten während der deutschen Teilung in West-Berlin das Sagen.
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