Politik Giuseppe Conte hat etwas gegen „sinnlose Gesetze“

Durchbruch in der italienischen Regierungsbildung: 80 Tage nach der Wahl haben die Chefs der Fünf-Sterne-Bewegung und der rechten Lega dem Staatspräsidenten gestern Abend einen Vorschlag gemacht, wer das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen könnte – Giuseppe Conte, Rechtsanwalt und Politik-Neuling.

Den Namen Giuseppe Conte nannten weder Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung noch Mettaeo Salvini von der Lega nach ihren Treffen mit dem Präsidenten Sergio Matarella offiziell. Wenig später erschien der Name aber – ob absichtlich oder nicht – in einer Mitteilung auf dem Blog der Fünf Sterne: Giuseppe Conte, Professor und Rechtsanwalt, werde Premier der neuen Regierung, stand dort zu lesen. Es wäre das sechste Mal, dass jemand von außen, also ein nicht vom Volk Gewählter, die Geschicke Italiens leitet. Der 54-jährige Jurist Conte steht zwar den Fünf Sternen nahe, politisch aktiv war er aber bislang nicht. Conte wurde aber bereits im Wahlkampf von Sterne-Chef Di Maio als möglicher Minister für Verwaltung zur Sprache gebracht. In diesem Zusammenhang hatte sich Conte sowohl für die Abschaffung von mehr als 400 „sinnlosen Gesetzen“ – und damit eine Entbürokratisierung als auch für einen verstärkten Kampf gegen Korruption – ausgesprochen. Conte hat eine Kanzlei in Rom und lehrt an der Universität von Florenz Privatrecht. Seine akademische Laufbahn führte ihn an die bekanntesten Universitäten: Er war in Yale, Wien, Paris und Cambridge tätig. Die Italiener witzelten in den sozialen Netzwerken bereits, dass dieser Premier – anders als sein Vorvorgänger Matteo Renzi – wohl keine Probleme mit der englischen Sprache haben werde. Er habe früher die Linke gewählt, so äußerte sich Conte im Wahlkampf, aber heute würden die ideologischen Muster des 20. Jahrhunderts nicht mehr passen. Die Fünf-Sterne-Bewegung, die sich selbst politisch weder links noch rechts verorten will, bezeichnete er als „wunderbares, unglaubliches, politisches Labor“, weil sie auch unabhängige Figuren mit einbezöge. Laut einer Umfrage der Zeitung „La Repubblica“ wären die Italiener mit der Lösung Conte halbwegs zufrieden. Die Variante, einen Dritten als Premier einzusetzen, der weder ein Politiker der einen noch der anderen Partei ist, unterstützen 35 Prozent der Befragten, während die Parteichefs Luigi Di Maio oder Matteo Salvini jeweils nur für 21 beziehungsweise 22 Prozent der Befragten der geeignete Kandidat für dieses Amt wäre. Mit der Einigung auf einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten ist die angestrebte Regierungsbildung zwischen den Sternen und der Lega einen großen Schritt weitergekommen. Nun liegt der Ball wieder im Feld von Staatspräsident Sergio Mattarella. Er muss Conte formal den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen und mit dem künftigen Premier ein Kabinett formen, bevor das Parlament über die neue Regierung abstimmt. Mattarella hatte bereits in den vergangenen Tagen klar gemacht, dass seine Rolle nicht die eines Notars sei, der einfach nur etwas fertig Verhandeltes absegnet. Der 76-Jährige legt vor allem Wert darauf, dass Italien seine Stellung innerhalb der Europäischen Union nicht verspielt. Doch alleine die Aussicht auf eine populistische Regierung in Italien hat die Partner und die Finanzmärkte unruhig werden lassen. Am Pfingstmontag, der in Italien kein Feiertag ist, wuchs der so genannte Spread, der Risikoaufschlag für zehnjährige italienische Staatsanleihen im Vergleich zu deutschen Bundesanleihen, auf zeitweise mehr als 180 Punkte. Vor dem Bekanntwerden des ersten Entwurfes für ein Regierungsprogramm, in dem noch ein Ausstieg aus dem Euro thematisiert wurde, lag er bei rund 130 Basispunkten. Aber zum Vergleich: Der Höchststand während der Krise lag im Herbst 2011 bei 574 Basispunkten.

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