Randnotiz Gehörlose Abgeordnete: Gebärden statt großer Worte
Dieser Vermerk im Sitzungsprotokoll hat Seltenheitswert: „Beifall im ganzen Hause“. Tatsächlich alle Fraktionen applaudieren gemeinsam – das gab es schon lange nicht mehr im Hohen Hause. Die Anerkennung gilt der gehörlosen SPD-Politikerin Heike Heubach zu Beginn ihrer allerersten Rede im Plenum. Und Beifall heißt zu diesem besonderen Anlass: Alle Abgeordneten reißen ihre Arme hoch und lassen die Hände flattern.
Diese stille Geste steht in der Gebärdensprache für Applaus. Heubach hält kurz inne, genießt den Augenblick sichtlich, dann beginnt sie mit Händen und Mimik ihre vierminütige Rede zu halten. Zwei Dolmetscherinnen mit Mikrofon sitzen vor dem Pult und übersetzen simultan abwechselnd die Gebärden der 44-jährigen Industriekauffrau in Sprache. Das funktioniert so problemlos, dass man nach kurzer Zeit den Eindruck hat, die Politikerin und nicht jemand anderes spreche zum Publikum.
Die Mimik ist wichtig
Bei der Gebärdensprache wird mit Handbewegungen und Gesichtsmimik kommuniziert. Gebärdensprachen sind voll ausgebildete natürliche Sprachen von derselben Komplexität wie gesprochene Sprachen. Vor allem die Mimik dient zur Erkennung der Grammatik. Viele grammatische Funktionswörter, wie „ob“ oder „wenn“ finden ausschließlich Ausdruck im Gesicht.
Spricht man Heubach auf ihr Handicap an, winkt sie ab: „Ich habe eine vollständige Teilhabe.“ Sie könne ihre Termine genauso wahrnehmen und Menschen treffen wie alle anderen Abgeordneten auch. Der Bundestag sollte aus ihrer Sicht ein Spiegel der Gesellschaft sein, in dem alle Gruppen vertreten sein müssten. Ihre Botschaft ist: „Wenn ich was schaffen will, dann kann ich das auch schaffen.“
Zwischenrufe gab es nicht
In ihrer Jungfernrede verteidigte sie die geplanten Änderungen im Baugesetz. Die Kommunen bekämen künftig mehr Möglichkeiten, sich an den Klimawandel anzupassen. Zwischenrufe gab es bei der Rede nicht, aber auch darauf wären die Dolmetscherinnen vorbereitet gewesen.
Heubach, die ihren Wahlkreis in Augsburg hat, ist erst seit März im Bundestag. Sie übernahm den Platz des SPD-Politikers Uli Grötsch, der zum Polizeibeauftragten des Bundes gewählt wurde. Damals freute sich der Deutsche Gehörlosenbund, „dass nun eine taube Person im Herzen der deutschen Demokratie“ vertreten sei.