Türkei Erdogans nächster Schlag gegen die Meinungsfreiheit

Fürchtet um die Macht bei den Wahlen im nächsten Jahr: der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Fürchtet um die Macht bei den Wahlen im nächsten Jahr: der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Das türkische Parlament verabschiedet ein Zensurgesetz, das nicht so heißen darf.

Als der Oppositionspolitiker Burak Erbay im türkischen Parlament ans Rednerpult trat, brachte er sein Handy mit – und einen Hammer. Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan habe der Jugend des Landes schon viele Freiheiten genommen, kritisierte Erbay während der Debatte über ein neues Mediengesetz. Geblieben seien noch soziale Medien. Doch das neue Gesetz werde nun auch damit Schluss machen, rief er aus und zertrümmerte sein Telefon mit dem Hammer.

Erbay konnte mit seiner Aktion nicht verhindern, dass das Parlament mit der Mehrheit von Erdogans Partei AKP und deren nationalistischer Partnerin MHP das „Gesetz zur Bekämpfung der Desinformation“ verabschiedete. Die Opposition spricht von einem Zensurgesetz. Doch Erdogan dürfte das Gesetz in den kommenden Tagen mit seiner Unterschrift in Kraft setzen. Das wird der Meinungsfreiheit in der Türkei den Rest geben, befürchten seine Gegner.

Was eine Falschinformation ist, bleibt offen

Im Mittelpunkt der Kritik steht Artikel 29. Er sieht bis zu drei Jahre Gefängnis für alle vor, die „Falschinformationen“ über die innere oder äußere Sicherheit des Landes, die gesellschaftliche Ordnung und die Volksgesundheit verbreiten, um in der Bevölkerung „Sorgen, Angst oder Panik“ zu verursachen und so die öffentliche Ordnung zu stören.

Was eine Falschinformation ist, wann eine Meldung die öffentliche Ordnung stört oder Panik verursacht, bleibt offen. Die Auslegung liegt allein bei der Staatsanwaltschaft, die größtenteils mit regierungshörigen Juristen besetzt ist. Bestraft werden können Journalisten, aber auch Privatleute, die ihre Meinung über die sozialen Medien verbreiten.

Beschwerden über die hohe Inflation und steigende Mieten

Der Rechtsexperte Gökcer Tahincioglu gab am Freitag einige Beispiele dafür, welche Aussagen künftig eine Haftstrafe nach sich ziehen können: Warnungen vor steigenden Benzinpreisen, Voraussagen über einen weiteren Wertverlust der türkischen Lira, Berichte über Korruption in den Behörden oder über Wahlmanipulationen.

Mit dem neuen Gesetz wolle Erdogan vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr die regierungsunabhängigen Medien und das Internet knebeln, sagen Kritiker. Beschwerden über die hohe Inflation und steigende Mieten lassen derzeit die Unterstützung für die Regierung schwinden: Das Bündnis aus AKP und MHP liegt in Umfragen hinter einer Allianz aus sechs Oppositionsparteien.

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