Neues Aus der Redaktion Ein Herz für den Amateursport

Chefredakteur der RHEINPFALZ: Michael Garthe.
Chefredakteur der RHEINPFALZ: Michael Garthe.

Tageszeitungen hätten gute Gründe, die Fußball-Europameisterschaft zu boykottieren. Den Amateursport aber wird die RHEINPFALZ immer mit Sympathie begleiten. Von Chefredakteur Michael Garthe

Über 22 Millionen Menschen in Deutschland haben am Dienstagabend das erste Spiel der deutschen Fußballnationalmannschaft im Fernsehen verfolgt. Ich habe nur die letzten 15 Spielminuten live gesehen. Und das mit kaum zu unterdrückendem Groll. Nicht, weil die deutsche Mannschaft in der Spielanlage und im Sturm vergleichsweise schwach war (aber: Ich bin kein Bundestrainer!). Sondern, weil auch dieses Spiel von größtem öffentlichen Interesse erst um 21 Uhr angepfiffen worden ist.

Ich halte das für eine Zumutung für Menschen, die morgens früh zur Arbeit müssen, und vor allem auch für fußballbegeisterte Kinder und ihre Eltern. Außerdem demonstrieren solche Anspielzeiten das völlige Desinteresse der nationalen und internationalen Verbände an den Möglichkeiten von Zeitungsverlagen für ihre gedruckten Produkte. Unsere Andruckzeiten sind denen total schnuppe. Das beklage ich seit vielen Jahren, auch in dieser Kolumne und ebenso in konzertierten Aktionen mit anderen Chefredaktionen von Tageszeitungen. Völlig erfolglos. Wir laufen da im wahrsten Sinne des Wortes gegen eine Wand. Für Verbände und Vereine zählen nur die Einnahmen aus TV-Übertragungsrechten und Werbung. Die einzigen, die da auf unserer Seite stehen, sind die organisierten Fans, die Spielpläne und die Andruckzeiten seit Jahren scharf kritisieren.

Nur mit einem riesigen Aufwand

Uefa, Fifa und die nationalen Verbände wie der DFB verursachen mit Anspielzeiten um 21 Uhr, dass Zeitungsverlage nur noch unter riesigem redaktionellen und logistischen Aufwand in Print aktuell berichten können. In den Andruckausgaben können wir das gar nicht mehr schaffen. Unser digitales Angebot ist topaktuell. Aber viele unserer Abonnenten erwarten immer noch eine aktuelle Tageszeitung.

Ich bekenne mich dazu, gelegentlich ein Heißsporn zu sein. Einen Boykott der EM-Berichterstattung durch die Tageszeitungen würde ich in solchen Momenten befürworten. Aber bei den Verbänden würde es auch nichts bewirken und die meisten unserer Abonnenten würden sich über uns ärgern. Da ist uns unsere Leserschaft am Ende doch am wichtigsten. Deshalb haben wir alles daran gesetzt, dass unser EM-Reporter Udo Schöpfer bei allen Spielen des DFB-Teams vor Ort dabei sein kann. Auch das ist bei der Vergabe der Presseplätze in den Stadien keine Selbstverständlichkeit mehr, weil die Verbände andere Medien für wichtiger halten als die Tageszeitungen. Dabei berichtet doch die RHEINPFALZ seit Jahrzehnten mit eigenen Redakteuren von allen großen Sportereignissen. Das scheint heute nicht mehr viel zu zählen. Nun: Udo Schöpfer ist bei den drei Vorrundenspielen jetzt doch für unsere Leserschaft dabei.

Riesiges Engagement vor Ort

Ich habe nur die letzte Viertelstunde des Spiels gegen Frankreich gesehen, weil ich in den Stunden unmittelbar davor in Marnheim am Donnersberg „Sporthelden“ geehrt habe. Unsere Lokalredaktionen in Kaiserslautern und Kirchheimbolanden/Rockenhausen haben statt der gewohnten Wahl zu den „Sportlerinnen, Sportlern und Mannschaften des Jahres“ während der Pandemie die Leserschaft zur Wahl der „Sporthelden“ des Jahres aufgerufen. So konnten wir gemeinsam mit Partnern vor Ort Vereine ehren, die sich mit tollen Ideen und riesigem Engagement auch während des Corona-Lockdowns vorbildlich um ihre Mitglieder gekümmert haben. Ich habe meine kleine Dankesrede wie folgt begonnen: „In einer Demokratie, einer offenen Gesellschaft kann jeder Verantwortung tragen – nicht nur für sich, auf für andere, ja für das Allgemeinwohl. Dies ist in Krisenzeiten noch wichtiger als sonst. Vor allem im Sport und in der Kultur haben sich viele während der Corona-Pandemie dieser Verantwortung gestellt. Sie haben, fast immer ehrenamtlich, das Leben aufrechterhalten. Sie haben für Bewegung, Unterhaltung, Gemeinschaft gesorgt – für Zusammenhalt. Aus Zusammenhalt wachsen Kraft und Zuversicht, Krisen zu meistern.“ Beendet habe ich die Rede so: „Zu unserer demokratischen, offenen Gesellschaft und zum Allgemeinwohl tragen der Amateursport und die Vereine viel mehr bei als der Profisport und seine Verbände.“

Das Herz der RHEINPFALZ-Redaktion und mein Herz schlagen für den Amateursport.

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