Flüchtlingspolitik Ein Grundschulmädchen namens Angela

Angela erhielt zur Einschulung Post von Angela Merkel.
Angela erhielt zur Einschulung Post von Angela Merkel.

Während der Kanzlerschaft von Angela Merkel erreichten viele Flüchtlinge Deutschland. Manche nannten ihre Kinder aus Dankbarkeit Angela. Was machen sie heute?

Ob sie schon ein bisschen schreiben kann? Aber ja, das Mädchen nickt: „Soll ich es zeigen?“ Unbedingt. Aber was? Wie sich herausstellt, geht vor allem der eigene Vorname schon ganz gut von der Hand. Die Sechsjährige fängt also an zu krakeln, Buchstabe für Buchstabe. Erst ein A. Dann ein N. Dann ein G. Und dann ahnt man so langsam, auf was es hinauslaufen wird. Am Ende steht „Angela“ auf dem Zettel. Der Namen, den man mit 16 Jahren Kanzlerschaft verbindet.

Angela, sechs Jahre alt, ist am Donnerstag eingeschult worden. Sie geht nun in eine Grundschule im Kölner Süden. Sie wird irgendwann vielleicht auf Gleichaltrige treffen, die Sophie heißen oder Maximilian. Das waren, die Gesellschaft für deutsche Sprache hat es ermittelt, in ihrem Geburtsjahr 2015 die Namen, die Eltern ihren Babys in Deutschland am liebsten gaben.

In Köln geboren – kurz vor Weihnachten

Angela aber heißt tatsächlich Angela wegen Angela Merkel, der Ex-Bundeskanzlerin. Ihre Mutter Medea und ihr Vater Ezzat flohen 2015 aus dem Bürgerkriegsland Syrien nach Deutschland, wie sie erzählen. Wie viele andere auch. Es war das Jahr, in dem Merkel die drei Worte „Wir schaffen das“ sagte. Ein Satz, für den sie von den einen bewundert und von den anderen verteufelt wird. Bei Medea und Ezzat war die Gefühlslage allerdings eindeutig: Sie waren Merkel dankbar für ihre Flüchtlingspolitik. Kurz vor Weihnachten kam ihre Tochter in Köln zur Welt – und bekam den Namen der Kanzlerin. „Wir haben gesagt: Wir machen Angela“, sagt Ezzat, der mittlerweile als Lagerist bei einem Supermarkt arbeitet.

Eigentlich kennt man solche Fälle eher aus anderen Zusammenhängen. Von Film-Helden, von Popstars oder Sportlern. Als der Marathonläufer Waldemar Cierpinski 1980 bei Olympia zu Gold lief, rief der Kommentator Heinz Florian Oertel die legendären Worte „Liebe junge Väter oder angehende – haben Sie Mut! Nennen Sie Ihre Neuankömmlinge des heutigen Tages ruhig Waldemar!“

Aber nach einer Politikerin? „Sie hat vielen Leuten geholfen. Sie hat uns geholfen“, sagt Vater Ezzat, wenn man ihn auf Merkel anspricht. Die Namenswahl, die hält er bis heute für goldrichtig, so viel wird klar.

Angela, Angela, Anna und Elsa

Nun beginnt Angela, die gerne tanzt, schon ihre Schullaufbahn. Wenn man sie fragt, ob die große Angela nett sei, dann sagt sie: „Jaaaaa.“ Zu dem Urteil mag akut auch beitragen, dass sie zur Einschulung Post bekommen hat: Merkels Büro hat ihr ein Foto der Kanzlerin a.D. mit Gruß geschickt. „Für Angela“ steht darauf. Unterschrieben von Angela.

Vermittelt hat die Kontaktaufnahme ein Kölner Ehepaar, das der Familie seit Jahren ehrenamtlich hilft, in Deutschland zurechtzukommen. An diesem Tag wird das Foto übergeben. Angela stellt es flugs neben ihren Ranzen. Nun sieht man vier Gesichter: Angela, Angela, Anna und Elsa. Letztere sind Hauptfiguren aus dem Film „Die Eiskönigin“ und auf dem Rucksack zu sehen. Angela ist Fan. Auf die Schule freut sie sich - sogar unabhängig von den Annehmlichkeiten, die ihre Schultüte verspricht. „Wenn ich alle Süßigkeiten aufgegessen habe, gehe ich weiter in die Schule“, sichert sie zu.

Ein Teil deutscher Geschichte

Tatsächlich gab es in den Jahren nach 2015 immer mal wieder Meldungen über Familien aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak, die ihren Kindern den Vornamen Angela gaben. Heute sind sie ein wenig in Vergessenheit geraten. Die Kölner Silvesternacht Ende 2015 markierte für viele das Ende der Willkommenskultur. Merkel ist zudem nicht mehr im Amt – und vor der Flüchtlingspolitik ballen sich mittlerweile viele andere Großthemen. Russland, Energie, das alles.

Wenn man der kleinen Angela gegenübersteht, ist plötzlich aber wieder viel da von dieser Erinnerung. Irgendwie ist es auch ein Teil deutscher Geschichte, der da nun eingeschult wird. Für Vater Ezzat bleibt Merkel sowieso eine Koryphäe, auch ohne Amt. „Sie bleibt hier“, sagt er. Dabei klopft er sich auf sein Herz.

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