Außenpolitik Deutsch-chinesische Gespräche: Das Nicken des Herrn Li

Höflicher Gast: Chinas Ministerpräsident Li Qiang erinnert Kanzler Olaf Scholz daran, den Ohrhörer abzulegen.
Höflicher Gast: Chinas Ministerpräsident Li Qiang erinnert Kanzler Olaf Scholz daran, den Ohrhörer abzulegen.

Der Kanzler spricht gewiss keinen Klartext. Aber Olaf Scholz spart in seinem Statement nach den Regierungskonsultationen die kritischen Punkte im Verhältnis zu China nicht aus. Was sein Gast davon hält, verrät dessen Körpersprache.

Der chinesische Ministerpräsident hat sich offenbar vorgenommen, in der Substanz nicht viel mehr zu sagen als freundliche Worte über den Wert der Zusammenarbeit mit Deutschland. Fragen möchte Li Qiang auch nicht beantworten. Da ist auch schon die kleinste Geste des chinesischen Ministerpräsidenten interessant, während er im Kanzleramt zunächst den Ausführungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lauscht.

Scholz beginnt das gemeinsame Pressestatement nach den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen auch erst einmal mit netten Worten. Er begrüßt den „sehr geehrten Herrn Ministerpräsidenten“, der in Berlin gerade auch auf seiner ersten Auslandsreise sei. „Der direkte Dialog, das persönliche Gespräch, ein wirklicher Austausch – all das ist in dieser außergewöhnlichen Zeit voller globaler Herausforderungen und Krisen noch wichtiger als sonst“, sagt der Kanzler. Li Qiang nickt.

Das wiederholt sich in den ersten Minuten mehrfach. Der Kanzler sagt, die Pandemie habe gezeigt, wie wichtig internationale Zusammenarbeit sei. Li Qiang nickt. Scholz erläutert, in China wie in Deutschland stiegen die Temperaturen, es gebe Gefahren durch Extremwetterereignisse. Li Qiang nickt. Als Scholz herausstreicht, wie wichtig jede gemeinsam eingesparte Tonne CO2 sei, fällt das Nicken des chinesischen Kollegen etwas zögerlicher aus.

Auf Wunsch der Chinesen sind keine Nachfragen erlaubt

Einen kritischen Punkt spricht Scholz schon sehr früh in seinem Statement an – direkt nachdem er gesagt hat, wie wichtig ein offener Austausch sei. „Freiheit und Offenheit braucht auch der Journalismus“, betont der Kanzler. „Deutsche Korrespondentinnen und Korrespondenten wollen gern aus China berichten.“ Dafür bräuchten sie auch einen Zugang. Li Qiang nickt natürlich nicht. Chinas Ministerpräsident schaut einfach nur starr nach vorn.

Der Einwurf ist Scholz’ Art damit umzugehen, dass die chinesische Seite darauf beharrt hat, dass es zum Abschluss dieser Pressekonferenz – die damit nicht wirklich eine ist – keine Fragen von Journalisten geben dürfe. Die Bundesregierung hat diesem chinesischen Wunsch am Ende dann doch entsprochen.

Auch als Scholz über Russland und die Ukraine spricht, gibt es kein Nicken des chinesischen Kollegen. Die Regierung in Peking solle ihren Einfluss auf Russland stärker geltend machen, so wünscht es sich der Bundeskanzler. Als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen trage China „eine ganz besondere Aufgabe“, sagt er.

Kein Wort Li Qiangs zur Ukraine

Scholz betont das Recht der Ukraine auf ihre territoriale Integrität und Souveränität. „Klar ist: Grenzen müssen Bestand haben. Imperialismus ist nie die Lösung“, sagt Scholz. Der chinesische Ministerpräsident schaut während dieser Ausführungen nicht nach vorn, sondern auf sein Rednerpult – und macht sich offenbar kurz Notizen.

Der Bundeskanzler hebt zudem die Bedeutung der Menschenrechte bei der Herstellung von Produkten und in der Lieferkette hervor. Verbraucher auf der ganzen Welt würden immer genauer darauf achten, wie Produkte hergestellt würden. „Würdige Produktionsbedingungen und damit verbunden Verbesserungen der Menschenrechtslage sind in unser beider Interesse.“

In seinem eigenen Statement wird Li Qiang nicht darauf eingehen – und auch nicht auf die Ukraine-Frage. Dafür lobt er den Austausch mit Deutschland bei den Regierungskonsultationen als „praxisorientiert und hocheffizient“. Die chinesische Regierung sieht die Gespräche in Deutschland auch als Bühne, auf der sie nachweisen kann, dass man international nicht isoliert sei.

Die Opposition spricht vom „Passiv-Kanzler“

Beim deutsch-chinesischen Wirtschaftsforum – ebenfalls in Anwesenheit des Bundeskanzlers – äußert sich Li Qiang dann etwas deutlicher. „De-Risking“ – jenes Konzept also, über das in Deutschland gesprochen wird, wenn es darum geht, ökonomische Abhängigkeiten von China zu vermindern – dürfe nicht bedeuten, dass es zu diskriminierenden Maßnahmen komme, sagt der chinesische Ministerpräsident. Das schade dem Wettbewerb. „Wir werden nicht gegenüber Deutschland De-Risking betreiben.“

Die Opposition kritisiert währenddessen die Bundesregierung für ihren Umgang mit der Volksrepublik. „Mit China zu sprechen ist richtig“, sagt Unionsfraktionsvize Jens Spahn unserer Redaktion. „Ohne Strategie mit China zu sprechen, so wie die Ampel, ist allerdings ein Fehler“, ergänzt er. Es fehle eine einheitliche Linie der Regierung. Die eine Bundesministerin reise nach Taiwan, während der andere vor Eskalation warne. „Scholz zeigt sich auch hier als Passiv-Kanzler“, sagt Spahn.

Sicherheit in Krisenzeiten: Europas Dilemma mit China

Europa will sich auf zukünftige Krisen besser vorbereiten. Unter dem Eindruck der Corona-Pandemie und des Überfalls Russlands auf die Ukraine hat die EU-Kommission am Dienstag ein Papier vorgelegt, in dem eine neue Strategie skizziert wird, wie die wirtschaftliche Sicherheit des Kontinentes in Krisenzeiten gesichert werden kann. Die meisten der geplanten Maßnahmen zielen dabei auf China.

Die seit Jahren wachsende wirtschaftliche Abhängigkeit von Peking bereitet der Europäischen Union immer größere Sorgen. Der Zusammenbruch mancher Lieferketten während der Corona-Pandemie hat deutlich vor Augen geführt, wie gefährlich diese engen Verflechtungen sind. „Wirtschaftliche Sicherheit ist für uns zu einer Priorität geworden“, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bei der Präsentation. Nun soll ein Prozess eingeleitet werden, der mit dem etwas sperrigen Begriff „De-Risking“ umschrieben wird. Vor allem im Bereich der Rohstofflieferungen soll Europa unabhängiger von der Volksrepublik werden. Betont wird, dass eine vollständige Abkopplung von Peking nicht vorgesehen und auch nicht machbar sei. China ist der wichtigste Handelspartner der EU.

Konkrete Vorgaben bei den Rohstoffen

Zwar fordert die EU-Kommission die verstärkte Förderung von Rohstoffen in Europa, erkennt jedoch, dass die Unternehmen auch weiterhin auf Importe angewiesen sein werden. Aus diesem Grund soll die Beschaffung auf eine solidere Basis gestellt werden und „mit einem möglichst breiten Spektrum von Partnern zusammengearbeitet werden“, heißt es in dem Papier. Dazu sollen auch neue Freihandelsabkommen abgeschlossen werden.

Die Kommission hat im Bereich der Rohstoffe bereits sehr konkrete Vorgaben gemacht. 10 Prozent des jährlichen Bedarfs soll in den Mitgliedsstaaten abgebaut werden, 40 Prozent sollen innerhalb des Binnenmarkts verarbeitet und 15 Prozent recycelt werden. Höchstens 65 Prozent sollen aus einem einzigen Drittstaat importiert werden. Vor allem Deutschland tut sich mit solchen Vorgaben schwer. Nach einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hat die Abhängigkeit von Importen aus China in manchen Bereichen zuletzt sogar zugenommen. Bei Magnesium, das etwa in der Robotik und beim 3D-Druck verwendet wird, stieg Chinas Anteil an den gesamten Importen im vergangenen Jahr von 59 Prozent auf 81 Prozent. „Insgesamt lässt sich ein wachsender chinesischer Einfluss vor allem bei einigen Rohstoffen, chemischen Grundstoffen und elektronischen Bauteilen beobachten. Hier ist von Diversifizierung nichts zu sehen, im Gegenteil“, heißt es in der Studie.

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