Politik Der Umgang mit Orbán spaltet die Europäische Union

Viktor Orbán will in Ungarn einen „illiberalen Staat“ errichten.
Viktor Orbán will in Ungarn einen »illiberalen Staat« errichten.

«Budapest/Brüssel.» Ungarns rechtsnationaler Ministerpräsident Viktor Orbán geht nach seinem Triumph bei der Parlamentswahl am Sonntag gestärkt in die Auseinandersetzung um wichtige Richtungsentscheidungen für Europa. Rechtspopulisten aus ganz Europa freuten sich über seinen Sieg. Die Europäische Union wiederum könnte vor einer Zerreißprobe stehen.

Was hat Orbán jetzt vor?

Er wird weiter an der von ihm 2014 ausgerufenen „illiberalen Demokratie“ arbeiten. Bereits gestern kündigte Orbáns Regierungspartei Fidesz an, im Mai das geplante Gesetzespaket gegen regierungskritische Organisationen zu beschließen. Orbán dürfte auch versuchen, die letzten unabhängigen Medien mundtot zu machen. Er wird die immer noch relativ unabhängige Gerichtsbarkeit seiner Kontrolle unterwerfen. Auf europäischer Ebene wird er sich weiter gegen jede auf Solidarität oder Umverteilung gegründete Asylpolitik stemmen. Was bedeutet das für Europa? Zunächst hat sich für die EU wenig geändert. Orbán war schon seit Amtsantritt 2010 ein schwieriger Partner, der für seine Reformen von Verfassung, Justiz und Medien immer wieder EU-Rügen und -Klagen einsteckte. Seit Jahren schon wettert der Regierungschef zu Hause gegen Brüssel und propagiert den starken Nationalstaat. Je länger er aber im Amt ist, desto mehr fürchten seine Kritiker den Umbau des Landes zu einer „Wahl-Autokratie“, wie die „New York Times“ schrieb. Für die EU ist das ein Dilemma. „Die EU ist eine Union der Demokratie und der Werte“, mahnte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gestern über einen Sprecher. Und die Verteidigung dieser Werte sei „eine gemeinsame Pflicht aller Mitgliedstaaten, ohne Ausnahme“. Kann die EU nichts unternehmen? Denkbar ist ein Sanktionsverfahren wegen Gefährdung des Rechtsstaats und europäischer Werte nach Artikel 7 des EU-Vertrags, wie es die EU-Kommission jüngst gegen Polen einleitete. Damit können einem Land Stimmrechte im Ministerrat entzogen werden. Das EU-Parlament drohte schon im Mai 2017 mit diesem Knüppel. Für Donnerstag erwarten die Abgeordneten einen vermutlich kritischen Bericht der niederländischen Grünen Judith Sargentini zum Zustand der ungarischen Demokratie. Der Grünen-Fraktionschef Philippe Lamberts ist trotzdem unsicher, ob sich im Parlament eine Mehrheit für ein Artikel-7-Verfahren findet. „Ich sehe keinen politischen Willen“, sagt Lamberts. Und geißelt die christdemokratische EVP, zu der neben CDU und CSU Orbáns Fidesz gehört. Welche Rolle spielt Angela Merkel ? „In Ungarn herrscht nationalistischer Populismus, ich weiß keine andere Bezeichnung dafür“, ereifert sich Lamberts. „Und trotzdem wird Orbán aktiv unterstützt von der EVP.“ Der Grüne meint: „Wenn Angela Merkel direkt mit Orbán reden und ihn unter Druck setzen würde, wäre das sicher hilfreich.“ Für denkbar hält der Grüne auch, EU-Gelder zurückzuhalten, wenn Missbrauch oder Korruption nachweisbar sind. Kann man sich mit Orbán arrangieren? Die EVP und ihr Fraktionschef Manfred Weber (CSU) setzen auf eine Umarmungsstrategie und betonen, dass man Orbán als Mitglied der eigenen Parteienfamilie immer wieder eingefangen und ihn trotz aller Anti-Brüssel-Rhetorik zu Kompromissen bewegt habe. Weber gratulierte dem Ungarn denn auch auf Twitter und schrieb, er freue sich auf die weitere Zusammenarbeit. CSU-Chef Horst Seehofer schloss sich an und warnte die EU vor einer „Politik des Hochmuts und der Bevormundung“. Und auch Merkel entrichtete Glückwünsche und empfahl Deutschland „als zuverlässigen Partner“. Denn in der EU stehen wichtige Entscheidungen an. Die langfristige Finanzplanung und mögliche EU-Reformen müssen einstimmig beschlossen werden.

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