Politik Der Schatten über der Geburtstagsfeier

Mit gemischten Gefühlen sehen Kanadas indigene Völker, also die Ureinwohner, den Feiern zum 150. Geburtstag Kanadas an diesem Wochenende entgegen. Manche protestieren bereits. Die Geschichte Kanadas ist für sie auch eine Geschichte der Unterdrückung, der Ausgrenzung und gebrochener Versprechen. Als die Europäer das Gebiet des heutigen Kanada ab dem Beginn des 16. Jahrhunderts erreichten und dann zu besiedeln begannen, lebten hier bereits seit Jahrtausenden viele Völker. Ohne die Ureinwohner, so viel ist sicher, hätten die ortsunkundigen ersten Europäer die harten Winter in Nordamerika nicht überlebt. Roberta Jamieson ist eine der profiliertesten Führungspersönlichkeiten der First Nations, wie die indianischen Völker Kanadas genannt werden. Die 64 Jahre alte Frau aus dem Volk der Mohawk war 1976 die erste Frau aus den First Nations, die einen Universitätsabschluss in Jura erreichte. Die Geschichte der indigenen Völker mit Kanada sei zweifellos ein „tragische Geschichte“ sagt sie. „Wir begannen auf dem richtigen Weg. Zu der Zeit, als wir uns trafen, entschied unser Volk, mit den Siedlern Verträge zu schließen.“ Und dann sei alles schrecklich schief gegangen. Zuerst sei man ein Partner gewesen, dann aber hätten die Weißen die indigenen Völker beiseite geschoben. „Unser Volk, unsere traditionellen Tänze, unsere Religion, unsere Sprachen wurden geächtet. Wir gingen durch eine äußerst dunkle Zeit, und heute leben wir mit den Folgen dieser Phase“, bedauert Jamieson. Das dunkelste Kapitel sind die staatlichen Internatsschulen. In den „Residential Schools“, in denen Indianer-, Inuit- und Métiskinder (die Nachkommen europäischer Pelzhändler und Indianerfrauen) bis in die 1960er Jahre hinein zwangsassimiliert wurden, spielten sich Tragödien ab. Indianische Kinder wurden ihren Familien oft gewaltsam entrissen und in weit entfernte Internatsschulen gebracht. Dort wurden viele sexuell missbraucht. Die „Residential Schools“ zielten darauf ab, „den Indianer im Kind zu töten“, hieß es sogar offiziell. Tausende überlebten das nicht. Kanada hat sich für das Geschehene offiziell entschuldigt. Doch jetzt, zum Geburtstag, brechen die alten Wunden wieder auf. Dabei, so Premierminister Justin Trudeau, sei für Kanada keine Beziehung wichtiger als die zu seinen indigenen Völkern.

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