Politik Der Juniorpartner gibt den rüden Ton an
Innenminister Matteo Salvini, Chef der fremdenfeindlichen Lega, hat das politische Zepter Italiens fest in seiner Hand. Dabei ist er nur der Juniorpartner der neuen Regierungskoalition.
Taktik oder Verzweiflung? Die neue Regierung in Italien ist erst seit wenigen Wochen im Amt, und schon sind gewisse Dinge zur Gewohnheit geworden. Ein Beispiel: Innenminister Matteo Salvini poltert gegen die EU und einzelne Staatschefs, und Premier Giuseppe Conte darf in Brüssel versuchen, die Scherben wieder aufzusammeln. So auch geschehen an diesem Wochenende beim Mini-Gipfel zum Thema europäische Asylpolitik. Doch nach einem cleveren Guter-Bulle-Böser-Bulle-Spiel sieht das Ganze nicht aus. Eher nach einem omnipotenten Innenminister, der seinen Premier an die Wand spielt. Der Ton macht bekanntlich die Musik. Und da die Misstöne Salvinis derzeit die lautesten sind, hallt seine Katzenmusik ungestört durch das Land. Dabei hat seine rechtsnationale Lega bei den Wahlen am 4. März mit 17 Prozent gerade einmal knapp die Hälfte der Wählerstimmen erhalten, die der Regierungspartner, die Fünf-Sterne-Bewegung, für sich verbuchen konnte (32,6 Prozent). Doch sowohl der Chef der Cinque Stelle, der 31-jährige Luigi Di Maio, als auch der Kompromiss-Ministerpräsident Giuseppe Conte kommen gegen Innenminister und Vizepremier Salvini nicht an. Gestern Morgen hat Salvini sich in einem Hubschrauber auf den Weg nach Libyen gemacht. Bei dem Treffen mit libyschen Regierungsvertretern machte er den Vorschlag, einen Hotspot für Migranten im Süden Libyens zu errichten. Außerdem lobte er die libysche Küstenwache für die Rettungsaktionen der vergangenen Tage. Geht es nach dem Willen des Innenministers, soll das nordafrikanische Land in Zukunft quasi alleine die Rettung in Seenot geratener Migranten übernehmen. Den bereits von der sozialdemokratischen Vorgängerregierung betriebenen harten Kurs gegenüber privaten Hilfsorganisationen, die im Mittelmeer mit Rettungsschiffen unterwegs sind, hat Salvini seit seinem Amtsantritt noch einmal drastisch verschärft. Schiffen der NGOs hat er verboten, italienische Häfen anzulaufen. Seit Donnerstag ist die „Lifeline“, das Schiff der Dresdner Organisation Mission Lifeline, mit rund 230 Migranten an Bord daher vor der europäischen Küste auf der Suche nach einer Anlaufstelle. Auch Malta verweigert das Anlegen. Das Thema Migration ist das Steckenpferd Salvinis. Die Losung des 45-Jährigen: Prima gli Italiani, die Italiener kommen zuerst. Der gebürtige Mailänder, der sein Geschichtsstudium abgebrochen und danach als Journalist gearbeitet hat, hat 2013 den Vorsitz der damals noch unter dem Namen Lega Nord firmierenden Partei übernommen. Unter seiner Führung wurde die einstige Sezessionspartei, die den reichen Norden Italiens vom Rest des Landes abspalten wollte, zu einer stramm rechten ausländer- und europafeindlichen Partei. Salvinis Vorbilder: US-Präsident Donald Trump und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán. Verbunden fühlt er sich mit dem französischen Front National, der österreichischen FPÖ und der deutschen AfD. Die Wortwahl des Innenministers ist nicht nur rotzig gegenüber den internationalen Partnern, sie ist zum Teil auch offen rassistisch. „Menschenfleisch“ nennt er die Migranten, die auf der „Lifeline“ seit Tagen auf Hilfe warten. Den Ausdruck „facciamopulizia“, übersetzt etwa „Wir machen sauber“, setzt er gerne als Hashtag unter seine zahlreichen Beiträge in den sozialen Netzwerken. Im Wahlkampf sprach Salvini davon, das Land säubern zu wollen, „Straßenzug um Straßenzug“. Vergangene Woche sorgte er mit dem Vorstoß, die in Italien lebenden Roma einer Volkszählung unterziehen zu wollen, für Aufregung. Salvini scheint noch immer – oder schon wieder? – im Wahlkampf zu stecken. Er reist durchs Land, tritt auf den Piazzas auf und spricht via Facebook-Live-Schalte lieber direkt mit seinen Anhängern, statt sich den Fragen der Presse zu stellen. Mehr als 2,8 Millionen Menschen haben seine Seite abonniert. Während der Auseinandersetzung um das Rettungsschiff „Aquarius“, für das letztendlich Spanien einen Hafen geöffnet hat, sind die Umfragewerte der Lega noch einmal um zwei Prozentpunkte gestiegen. Sie liegt nun bei 29 Prozent, gleichauf mit der Fünf-Sterne-Bewegung.