Politik Burkaverbot mit Fingerspitzengefühl

Nach Frankreich, Belgien und dem Schweizer Kanton Tessin gilt auch Österreich ab 1. Oktober das sogenannte Burkaverbot. Es ist in erster Linie dem Wahlkampf geschuldet.

Rached Nekkaz, ein algerischer Geschäftsmann, will auch in Österrereich sämtliche Geldbußen für muslimische Frauen übernehmen, die gegen das Burkaverbot verstoßen. Außenminister Sebastian Kurz, Kanzlerkandidat der konservativen ÖVP, reagierte wütend wie selten auf die Ankündigung. Anstiftung zu einem Verwaltungsdelikt warf er Nekkaz vor: „Wir werden keine Symbole tolerieren, die darauf abzielen, in Österreich eine Gegengesellschaft zu errichten.“ Kurz und sein Parteifreund Innenminister Wolfgang Sobotka sind die maßgeblichen Betreiber des Burkaverbots, im ungelenken österreichischen Amtsdeutsch Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz (AGesVG) genannt. Es ist Teil einer weiteren Verschärfung der Ausländergesetze, welche im Juni im Parlament beschlossen worden war. Gefordert hat das Burkaverbot bereits vor Jahren die rechte FPÖ, die bis zur Flüchtlingskrise 2015 auf das Thema Sicherheit/Migration quasi ein Monopol hatte. Seither haben Kurz und die ÖVP das Thema erfolgreich besetzt. Dass das Burkaverbot mitten im heißen Wahlkampf in Kraft tritt – Österreich wählt am 15. Oktober vorzeitig ein neues Parlament –, dürfte das Anti-Ausländer-Klima im Land weiter aufheizen. Lob dafür kommt verlässlich von der deutschen AfD, der neuen Schwesterpartei der FPÖ. „Österreich macht vor, wie es geht“, jubelte AfD-Kovorsitzender Jörg Meuthen auf der Internetseite der Partei. Doch wie das Verhüllungsverbot ab 1. Oktober vollstreckt werden soll, ist eben auch in Österreich noch nicht klar. „Wir werden es behutsam, aber trotzdem konsequent umsetzen“, sagte Michaela Kardeis, Generaldirektorin für Öffentliche Sicherheit im Innenministerium, ohne genauer zu erläutern, wie dies zu verstehen sei. Auch auf Nachfrage von Journalisten blieb Kardeis nebulös und sagte lediglich, sie erwarte sich von der Exekutive „Fingerspitzengefühl“. Laut Gesetz gilt das Verbot für jene drei der acht islamisch-religiösen Kopfbedeckungen, die das Gesicht ganz verhüllen: Burka, Bushiya (Gazeschleier) und Niqab. Verstöße gelten nicht als Straftat, sondern lediglich als Verwaltungsdelikt, mit einer Geldbuße von 150 Euro belegt. Auch Gesichtsmasken, wie sie vorwiegend Touristen aus Japan und China tragen, sind grundsätzlich verboten – es sei denn, die Träger weisen ein ärztliches Attest vor oder die Behörden rufen in Österreich Smogalarm aus. Gewöhnlich sind in Österreich vollverschleierte Frauen eher selten zu sehen, und wenn, dann sind es meist Touristinnen aus arabischen Ländern. In manchen Alpenregionen, wie beispielsweise im Salzburger Land, tragen die zahlungskräftigen arabischen Touristen mit bis zu einem Viertel zu den Einnahmen bei. Die Tourismuswirtschaft hält sich mit Kritik zurück und schweigt sich über mögliche Folgen des Burkaverbots aus. Nur sehr vage deuten die Wiener Hotellerie und die von Arabern bevorzugten Alpenregionen an, dass man wohl mit Einbußen rechnen müsse. Abschreckend wirkte der 2014 im Salzburger Land eingeführte „Knigge“, der als Aufklärung gedacht war, aber von den arabischen Gästen als beleidigender Vorwurf aufgefasst wurde, sie könnten sich nicht benehmen. Die Benimmregeln wurde wieder aus dem Verkehr gezogen. Umso schärfer kritisieren Menschenrechtler und die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) das Burkaverbot. Amnesty International nennt es „unverhältnismäßig und diskriminierend“ und spricht von einem „negativen Höhepunkt“ der ständigen Verschärfung der Ausländergesetzte. Ein IGGÖ-Sprecher sieht einen Eingriff in die Religions- und Meinungsfreiheit. Menschenrechtler und Glaubensgemeinschaft bezweifeln stark, dass das Vollverschleierungsverbot zur Integration der in Österreich lebenden Muslime beiträgt.

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