Politik Berlusconi rückt zur Seite

Die Wunder von Rom nehmen kein Ende. Nachdem der Fußballclub AS Rom im Viertelfinale der Champions League vor einem Monat die Spitzenmannschaft aus Barcelona aus dem Turnier gekickt hatte, ereignete sich in Italiens Hauptstadt am Mittwochabend ein weiteres Wunder: Silvio Berlusconi erklärte sich bereit, zugunsten des Zustandekommens einer Regierung selbst ins Abseits zu treten. Damit ist der Weg für die rechte Lega aus Berlusconis Bündnis frei, zusammen mit der Fünf-Sterne-Bewegung eine Regierung zu bilden. Ein gestriges Treffen zwischen den Parteichefs Matteo Salvini (Lega) und Luigi Di Maio (Fünf Sterne), bei dem über ein gemeinsames Programm gesprochen wurde, sei in einem „positiven Klima“ verlaufen“, ließen die beiden in einer gemeinsamen Erklärung wissen. Man habe bedeutende Schritte nach vorne gemacht. Damit hatte in Italien nach den Ereignissen Anfang der Woche niemand mehr gerechnet. Noch am Montag hatte Staatspräsident Sergio Mattarella nach einer weiteren Runde mit den Parteien erklärt, die Bildung einer politischen Regierung sei gescheitert. Neuwahlen oder eine so genannte „neutrale Regierung“ seien die einzig verbliebene Möglichkeit. Doch anstelle der Meldung, wen Mattarella nun als Ministerpräsidenten vorschlagen werde, erreichte die Italiener plötzlich die Erklärung von Salvini und Di Maio, man bitte den Staatspräsidenten um weitere 24 Stunden, dann würde man mit einer politischen Lösung aufwarten. Bislang war der Zusammenschluss der beiden Parteien trotz gemeinsamer Mehrheit in beiden Parlamentskammern daran gescheitert, dass sich Silvio Berlusconi, Ex-Ministerpräsident und Chef der Forza Italia, nicht grün sind. Die Forza Italia war mit der Lega und Fratelli d’Italia in einem gemeinsamen Mitte-Rechts-Bündnis zur Wahl am 4. März angetreten. Für Berlusconi ist die populistische Bewegung Fünf Sterne um den Komiker Beppe Grillo der Grund, warum er überhaupt wieder aus der politischen Versenkung aufgetaucht war. Um das Land vor diesen „Nichtsnutzen“, wie Berlusconi die Mitglieder der Bewegung gerne nennt, zu schützen. Umgekehrt verkörpert Berlusconi für die Anhänger der Cinque Stelle (Fünf Sterne) genau den Politikertypus, den es zu bekämpfen gelte: Rechtskräftig Verurteile haben laut Statut der Bewegung nämlich nichts in der aktiven Politik zu suchen. Eine Loslösung der Lega von der Forza Italia war nicht in Sicht, da diese Parteien bereits in einigen Regionalparlamenten des Landes eng zusammenarbeiten, also irgendwie aufeinander angewiesen sind. Bis vor wenigen Stunden glaubte daher niemand ernsthaft daran, dass Berlusconi sich freiwillig in die zweite Reihe zurückziehen könnte. Der Parteichef der Forza Italia hielt das Zepter in der Hand, auch wenn er bei der Wahl vor zwei Monaten wegen einer Verurteilung aufgrund des Hinterziehens von Steuern nicht hatte kandidieren dürfen. Am Mittwochabend dann die Überraschung: Berlusconi erklärte, die Forza Italia werde eine Regierung zwischen Fünf-Sterne-Bewegung und Lega stillschweigend unterstützen. Will sagen: Weder gehe seine Partei in die Opposition noch werde sie Teil eines Regierungsbündnisses. Sollte es zur Vertrauensfrage im Parlament kommen, würden die Abgeordneten den Saal verlassen, sich also praktisch enthalten. Soweit ist es noch nicht. Eine neue Regierung hat Italien noch immer nicht. Aber der erste Schritt von vielen ist getan. In den kommenden Tagen müssen sich Salvini und Di Maio auf ein gemeinsames Programm verständigen. Erwartet wird ein Minimalwurf von vier bis fünf Punkten, wie beispielsweise eine Steuersenkung für Unternehmen, eine Reform des Rentengesetzes und eine gemeinsame politische Linie beim Thema Immigration. Danach steht der wohl schwierigste Teil der Verhandlungen an: Salvini und Di Maio müssen sich auf einen Ministerpräsidenten einigen. Da keiner der beiden den jeweils anderen in diesem Amt sehen will, wird bereits spekuliert, ein Dritter könne den Posten übernehmen. Die Aussicht auf eine populistisch geprägte Regierung in Italien lässt bei vielen Bürgern des hoch verschuldeten Landes die Alarmglocken klingeln. Der scheidende Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan verwies auf die Märkte, die das italienische Polit-Chaos bislang relativ gelassen hingenommen hätten. „Es ist nicht gesagt, dass die Märkte weiter so ruhig bleiben, wenn die neue Regierung den Haushalt aufbläht oder Reformen vorschlägt, die nicht realisierbar sind wie etwa ein Bürgereinkommen (in Deutschland diskutiert als Grundeinkommen, Anm. d. Red.) oder wie eine Flat Tax (der Steuersatz steigt stetig an – und nicht in Stufen).“

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