Leitartikel Bahnbetrieb in Bedrängnis

Die Deutsche Bahn versucht derzeit, jahrelang im Schienennetz Versäumtes nachzuholen. Schwerpunkt ist im Moment vor allem die Ri
Die Deutsche Bahn versucht derzeit, jahrelang im Schienennetz Versäumtes nachzuholen. Schwerpunkt ist im Moment vor allem die Riedbahn von Mannheim nach Frankfurt.

Der schlechte Zustand des teilweise überlasteten Schienennetzes und akuter Personalmangel an neuralgischen Stellen sind aktuell die größten Probleme der Deutschen Bahn. Spardruck wird deren Lösung noch weiter erschweren.

Am 18. September soll sich der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn (DB) mit einem Sanierungsprogramm beschäftigen, das den Titel „S3“ trägt – für die drei Sanierungsfelder Infrastruktur, Betrieb, Wirtschaftlichkeit. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte am 3. September in einer Pressekonferenz eine Reihe von Forderungen an die DB gestellt. Was das sollte, ist nicht ganz klar. Am plausibelsten ist wohl die Vermutung, dass es Wissing dabei vor allem darum ging, sich selbst aus der Schusslinie zu bringen, wenn, wie leider angesichts der Sachlage zu erwarten ist, schnelle Fortschritte erst einmal ausbleiben.

Wissings Verdienste

Wissing hat zweifellos beim Thema Bahn einige Verdienste. Seine drei CSU-Vorgänger (insbesondere der im doppelten Wortsinn allerletzte Andreas Scheuer) haben ihm ein schweres Erbe hinterlassen. Erst unter ihm war es dem DB-Vorstand möglich, die Folgen der jahrelangen Vernachlässigung des DB-Netzes offen zu legen, nachdem vorher lang Zeit versucht worden war, sich mit unzureichenden Mitteln irgendwie durchzuwurschteln. Dabei mischte nicht zuletzt Angela Merkels früherer Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) als DB-Infrastrukturchef maßgeblich mit.

Wissing hat in erheblichem Umfang zusätzliche Mittel für die Schienennetz-Sanierung organisiert, aber seit dem Bundesverfassungsgerichts-Urteil zum Klima-Transformationsfonds fehlt ein großer Teil von dem, was der DB zugesagt worden war. Dabei hatte Wissing selbst betont, es brauche langfristig Klarheit, damit die Bauindustrie die nötigen Kapazitäten bereitstellt.

Hanau noch schlimmer als Ludwigshafen

Zweites zentrales Problem neben dem schlechten Zustand und den mangels Ausbau fehlenden Kapazitäten im deutschen Schienennetz ist aktuell der Personalmangel insbesondere in den Stellwerken. Ludwigshafen ist dabei ein Brennpunkt, noch schlimmer ist die Situation vor allem im Raum Hanau, wo es an neuralgischen Stellen noch besonders viel Uralt-Technik gibt. Zu den Gründen für den Personalmangel gehören nicht zuletzt versäumte Investitionen in die Modernisierung der Stellwerkinfrastruktur.

So ergibt sich nun die Situation, dass an einigen Stellen dringend zusätzliches Personal gebraucht wird, die Personalkosten insgesamt aber eigentlich zu hoch sind. Dieses Problem kurzfristig zu lösen, kommt der Quadratur des Kreises gleich. Obwohl ein klares politisches Signal nötig wäre, dass ein zuverlässiger Bahnbetrieb oberste Priorität hat, wird die DB von der Politik nun stattdessen auch noch unter massiven Spardruck gesetzt.

GDL-Chef: Viele Lokführer arbeiten lieber länger

Ein wichtiger Grund für die schlechten DB-Bilanzzahlen im ersten Halbjahr 2024 waren die Streiks der Lokführergewerkschaft GDL. Ihr Chef Claus Weselsky wollte unbedingt noch vor seinem Ruhestand mit der Brechstange die 35-Stunden-Woche durchsetzen. Dadurch droht sich der akute Lokführermangel künftig noch weiter zu verschärfen. Vielleicht gibt es wenigstens hier einen kleinen Lichtblick, weil das Interesse der Lokführer an kürzeren Arbeitszeiten offenbar viel geringer ist als von der GDL lange behauptet wurde. Weselskys Nachfolger Mario Reiß sagte jüngst in einem Interview: „Da scheint die Inflation so viel Druck auf den Geldbeutel auszuüben, dass sich ein Großteil der Kollegen für mehr Stunden entscheidet.“

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