Politik Anschlag auf Utøya: Kaltblütiger Massenmord

Utøya ist nur etwa elf Hektar groß.
Utøya ist nur etwa elf Hektar groß.

Viele Überlebende des Massakers auf der norwegischen Insel Utøya bleiben ein Leben lang gezeichnet. Ein deutscher Urlauber wurde damals zum Held.

Es sind bedrückende Bilder, die zeigen, dass es für die Überlebenden auch nach ihrer Rettung nicht vorbei ist. Die norwegische Fotografin Andrea Gjestvang hat ein Jahr nach dem Anschlag auf Utøya Porträtfotos von 43 Jugendlichen veröffentlicht, die das Massaker auf der kleinen Insel im Tyrifjord, einem See in der Nähe Oslos, überlebt haben. 67 Menschen wurden dort am 22. Juli 2011 von einem rechtsradikalen Terroristen erschossen, zwei starben auf der Flucht vor ihm.

Cecilie Herlovsen kam noch davon. Doch sie wurde von Kugeln in Arm, Schulter und Kinn getroffen, ihr rechter Arm musste amputiert werden, wie Gjestvangs Foto zeigt. Die Fotografin zeigt auch die Narben von Eirin Kristin Kjær, die bei dem Versuch, jüngere Freunde zu schützen, dreimal angeschossen wurde. Da ist auch Iselin Rose Borch, die nach dem Angriff nachts kaum noch schlafen konnte. Und Ina Libak, die viermal getroffen wurde und nur überlebte, weil andere Jugendliche sie im Wald versteckten und ihre Wunden zudrückten.

Als Polizist verkleidet

Der Attentäter hatte gegen 17 Uhr als Polizist verkleidet auf die Insel übergesetzt. Anderthalb Stunden zuvor hatte er im Regierungsviertel in Oslo eine Autobombe hochgehen lassen – acht Menschen starben und zehn wurden dabei verletzt. Auf Utøya waren mehr als 500 Jugendliche zum Sommerferienlager der Jugendorganisation von Norwegens Sozialdemokraten zusammengekommen. Der Angreifer machte die Partei für die „Islamisierung“ Norwegens verantwortlich. Auf der Insel rief er die Jugendlichen zunächst zusammen und eröffnete dann das Feuer. Eine Spezialeinheit der Polizei brauchte etwa eine Stunde, bis sie auf Utøya war. Alle Hubschrauberpiloten seien in Urlaub gewesen, hieß es damals zur Begründung.

Der Täter wurde im August 2012 zur Höchststrafe verurteilt: 21 Jahre Gefängnis mit anschließender Sicherungsverwahrung. Reue zeigte er keine, im Gegenteil, er stilisierte sich zum Retter des Abendlandes. Viele Rechtsextremisten verehren ihn wie einen Helden, weswegen er hier auch nicht namentlich genannt werden soll.

Deutscher rettet Jugendliche aus dem Wasser

Und dieser Text soll auch nicht mit ihm enden, sondern mit einem Deutschen, der am 22. Juli 2011 zum Helden wurde: Marcel Gleffe machte auf dem Campingplatz am gegenüberliegenden Ufer Urlaub, als er mitbekam, was auf Utøya vor sich ging. Mit seinem gemieteten Motorboot fuhr er mehrmals in Richtung der Insel und zog mehr als 20 Jugendliche aus dem Wasser, die schwimmend den tödlichen Kugeln entkommen wollten.

Der Kalender

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