Rheinland-Pfalz Zitterpartie im Zauberwald

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Tour de Pfalz (5): Die Pfalz. (Fast) unendliche Weiten, Ebenen, Berge, Wasser, Wiesen. Und viel Wald. Die RHEINPFALZ hat sich wieder auf den Weg gemacht. Kreuz und quer durch die Pfalz. In unserer Sommerserie berichten Redaktionsmitglieder, was sie bei der „Tour de Pfalz 2015“ erlebt haben. Heute geht es zu zwei Abschnitten des Rimbachsteigs, die einen gewissen Nervenkitzel zu bieten haben.

Die Landschaft um das zwischen Dahn und Annweiler gelegene Dorf Schwanheim hat schon August Becker verzaubert: „Man wähnt in ein Feenland gekommen zu sein“, beschrieb der Heimatschriftsteller in seinem 1857 veröffentlichten Reiseführer „Die Pfalz und die Pfälzer“ seine Empfindungen. Und weiter: „Ringsum auf den Bergen ragen mächtige Felsen gleich Schlössern empor, die in magischem Abendlicht ins Tal herabschauen.“ Die ganz oben stehenden Tannen und Föhren regten Beckers Fantasie besonders an: „Im Glanz des Abends wähnen wir in ihnen die feenhaften Bewohner dieser Felsenburgen zu sehen, wenn sie ihre Häupter gegeneinander nicken und miteinander flüstern von den geheimen Freuden, den seligen Träumen ihres ungestörten Naturlebens.“ In den 158 Jahren, die seit der Veröffentlichung von August Beckers Lobgesang erschienen sind, hat sich zwar so manches in und um Schwanheim und seinem Nachbardorf Darstein verändert. Doch verzaubern kann die Landschaft ihre Besucher noch immer. Etwa bei einem Ausflug über den Rimbachsteig. Dieser im Jahre 2012 vom Deutschen Wanderinstitut in Marburg zertifizierte Premiumwanderweg führt aber nicht bloß durch das von Becker so umschwärmte „Feenland“. Die Route hat auch einige kleine Mutproben zu bieten, die sich dem Schriftsteller damals in dieser Form noch nicht stellten. Zwei dieser besonders spannenden Abschnitte sollen bei der heutigen Folge der „Tour de Pfalz“ vorgestellt werden. Zwar ist der gesamte, fast 17 Kilometer lange Rimbachsteig einen Ausflug wert: Über einsame Pfade geht es hinauf zu eindrucksvollen Sandsteinfelsen, um dann wieder hinunter zu den Wiesen im Tal zu gelangen. Aber dieses Auf und Ab ist recht anstrengend. Wer den kompletten Rundweg kennenlernen möchte, sollte nach Angaben des Hauensteiner Tourismus-Infozentrums einen Zeitaufwand von sieben Stunden einkalkulieren. Eine etwas gemütlichere Alternative stellt daher die folgende „Rosinenpickerei“ dar. Als Startpunkt für diesen Tourenvorschlag bietet sich die Wasgauhütte des Pfälzerwald-Vereins im Südwesten von Schwanheim an. Die auch für Autos zugelassene Route dorthin ist im Ort ausgeschildert. Bei der urigen Hütte angekommen, folgen wir dem sich nach rechts wendenden breiten Fahrweg. Nach wenigen Metern geht es links ab auf einen Pfad. Schilder weisen dort die Richtung zu Kühhungerfelsen und unserem Etappenziel, dem Hühnerstein. Das Wegzeichen des Rimbachsteigs – geschlängeltes blaues Band, das den Rimbach symbolisiert – wird uns nun begleiten. Der Pfad führt steil bergan, um bald in einen Hohlweg überzugehen. Oben auf dem Bergrücken bietet sich linkerhand ein empfehlenswerter Abstecher hinüber zum Kühhungerfelsen an: Nach 200 Metern wird ein Aussichtspunkt erreicht, von dem aus der monumentale Haselstein zu bewundern ist. Ganz rechts ist in der Ferne der Turm des Berwartsteins auszumachen. Dann geht es wieder zum Rimbachsteig zurück. Der Weg zum Hühnerstein lässt keinen sich bietenden Auf- und Abstieg aus, führt an einsam im Wald gelegenen Felsen vorbei. Dann passieren wir Tisch und Bank des Aussichtspunktes Hahnenstein (manchmal auch Hahnenfels genannt). Wenige Minuten später taucht auch schon der Hühnerstein vor uns auf. Mit Federvieh, wie man vermuten könnte, hat dieser Sandsteinturm rein gar nichts zu tun. Sein Name dürfte auf Hunnen- oder Hünenstein zurückzuführen sein. Seine Besonderheit: Während so mancher andere steile Hüne im Wasgau nur von geübten Kletterern erklommen werden kann, sind die zwölf Meter bis ganz oben seit 1970 über eine Art Himmelsleiter zu bewältigen. Der Aufstieg über ihre 40 Sprossen bis zum Gipfelglück kann bei Menschen, denen Höhenangst nicht fremd ist, zu einer kleinen Zitterpartie ausarten. Nur Mut! Die Metallkonstruktion wurde erst im Jahre 2007 erneuert, der Zustand der Leiter selbst wie auch ihre Befestigungen am Fels hinterlassen einen beruhigenden Eindruck. Im letzten Drittel flacht die Leiter etwas ab. Der Grund: Auf dem Felsenturm ragt als Sahnehäubchen noch ein vergleichsweise schmächtiger Brocken empor, auf dem wie eine steinerne Tischplatte das Aussichtsplateau ruht. Wer diese erste kleine Trainingseinheit gegen Höhenangst absolviert hat, wird mit einer atemberaubenden Aussicht belohnt. Im Osten ist in der Ferne der Trifels zu erkennen. Übrigens: Auch ängstlichere Gemüter können den Rundblick sorgenfrei genießen – das Gipfelplateau ist von einem stabilen Zaun umgeben. Nach diesem Erlebnis picken wir uns eine weitere spannende Passage des Rimbachsteigs heraus. Auf dem Rückweg zur Wasgauhütte folgen wir der etwas kürzeren und weniger anstrengenden Route mit dem roten Punkt. Zurück im Dorf, geht es an der Kreuzung bei der Bushaltestelle geradeaus in die Ringstraße. Die Straße macht eine Linkskurve, bald danach taucht auf der rechten Seite ein Strommast auf. Davor geht es rechts in eine Straße, an deren linken Seite der Kreuzweg beginnt. Über ihn erreichen wir zu Fuß die Lourdesgrotte. Vor der Grotte führt der Rimbachsteig auf schmalen Pfaden steil bergauf. Bald schon taucht vor uns eine mächtige, steile Sandsteinwand auf: der Hockerstein. Im Volksmund wird dieser von einem Kreuz gekrönte Berg auch Wachtfelsen genannt. Warum, weiß Ortsbürgermeister Herbert Schwarzmüller: Im Dreißigjährigen Krieg durchzogen feindliche Truppen das Land, die die Bewohner ausplünderten. Um sich rechtzeitig in Sicherheit bringen zu können, hielten auf dem 362 Meter hohen Felsen Posten Ausschau. Das machten nicht nur die Schwanheimer so. So hat sich die Bezeichnung „Wachtfelsen“ bis heute beispielsweise in Dahn und in Wernersberg erhalten. Um zum Ausguck der Wächter zu gelangen, müssen wir auf dem Weg zum Hockerstein die zweite Anti-Höhenangst-Trainingseinheit bestehen. Ein schmaler Pfad zweigt dort vom Rimbachsteig ab, um recht abenteuerlich an einer Felswand entlang zu führen: Linkerhand ist viel Luft – ein steiler Abhang lässt das Herz ein bisschen flotter schlagen. Und rechts erhebt sich ebenso steil eine Felswand, an der ein Stahlseil verankert ist. Trittsichere Kletterer werden müde lächelnd über diese Passage tänzeln. Doch wem diese Gabe nicht gegeben ist, der weiß die Sicherheit, die das Seil vermittelt, sehr zu schätzen. Nach etwa acht Metern endet die Seilsicherung, über Felsplatten führt nun der Pfad etwas ausgesetzt zum Gipfelkreuz. Einen Zaun gibt es hier zwar nicht. Aber das Plateau ist recht breit, so dass die paar Meter bis zum Kreuz problemlos zu schaffen sind. Die Aussicht dort sollte man vor der Rückkehr ins Dorf genießen: Es wird für heute die letzte Gelegenheit sein, um den Blick über August Beckers Feenland schweifen zu lassen. Info —Stichwort „Rimbachsteig“ in Google eingeben. Unter den Treffern die Seiten von „Outdooractive“ oder „Wanderportal Pfalz“ aufrufen. — Das Buch zur Serie: 25 der besten Folgen der „Tour de Pfalz“ aus den vergangenen Jahren gibt es als RHEINPFALZ-Buch: Es sind Ausflüge per Boot, zu Fuß, mit Rad, Segway oder Cabriobus. 160 Seiten, 9 Euro, ISBN 978-3-937752-21-1. Erhältlich auch im RHEINPFALZ-Shop: www.rheinpfalz.de —Die nächste „Tour de Pfalz“ erscheint am 31. August: das begehbare Geschichtsbuch im Kreis Kusel.

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