Saarlouis Yeboah-Mord: Polizisten erinnern sich kaum

Der Angeklagte Peter S. (51, rechts) im Gerichtssaal.
Der Angeklagte Peter S. (51, rechts) im Gerichtssaal.

Die frühen 1990er Jahre: Das war in Deutschland die Zeit der Ausschreitungen gegen Asylbewerber und Ausländer, bis hin zu Morden. In Hoyerswerda, Lichtenhagen, Solingen und Mölln eskalierte die Gewalt. Unter dem nationalen öffentlichen Radar blieb eine Tat, die sich am 19. September 1991 in Saarlouis ereignete.

Damals starb in einem Asylbewerberheim im Stadtteil Fraulautern Samuel Kofi Yeboah (27) aus Ghana – bei einem Brandanschlag. Der mutmaßliche Täter, Peter S. (heute 51), wurde erst 31 Jahre später angeklagt. Er steht derzeit in Koblenz vor Gericht.

Der Journalist Thomas Gerber verfolgt den Fall von Anfang an und nun auch den Prozess. Als junger Reporter des Saarländischen Rundfunks (SR) war Gerber damals am Tag nach dem Brand am Tatort, recherchierte in all den Jahren immer wieder.

Im Prozess zeigt sich, dass der große zeitliche Abstand ein massives Problem darstellt. Gerber erlebt in der Verhandlung, dass die Polizeibeamten, die damals ermittelten, sich kaum erinnern. Ein 67 Jahre alter pensionierter Kriminalpolizist hat zwar noch im Gedächtnis, dass damals ermittelt wurde, erinnert sich aber nicht mehr an die damaligen Vernehmungen der Köpfe der Saarlouiser Skinhead- und Neonazi-Szene.

Drei der Bewohner, die den Anschlag auf das Heim überlebten, treten im Prozess als Nebenkläger auf. Sie schilderten laut Gerber die Geschehnisse in jener Nacht anders als die Polizei sie damals protokolliert hatte. So habe es, bevor das Feuer ausbrach, das erwähnte lautstarke Gespräch im Flur des Gebäudes nicht gegeben. Als der Richter das Polizeiprotokoll weiter vortrug, sagte der Überlebende mehrfach, dass das Protokollierte so nicht stimme. Einem anderen Bewohner des Heims, einem Albaner, der kaum Deutsch sprach, wurde damals das Polizeiprotokoll in deutscher Sprache zur Unterschrift vorgelegt. Seine Ehefrau musste gegenzeichnen und sollte ihrem Mann erklären, was er da unterschreibe, gibt Gerber für den SR die Aussagen aus dem Prozess wieder.

All das spricht für den Beobachter dafür, dass die Polizei seinerzeit „nicht mit allergrößtem Nachdruck“ im rechtsextremen Milieu ermittelte. In einem Aktenvermerk wurde festgehalten, dass alle befragten Rechtsextremisten energisch abgestritten hätten, mit dem Brand etwas zu tun zu haben. Schon nach acht Tagen stellte die Polizei die Ermittlungen in der rechten Szene ein.

Der nun Angeklagte war eine bekannte Neonazi-Größe im Saarland, der 1996 mit Zweibrücker Neonazis und den NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Beate Zschäpe durch Worms marschierte. Lange nach der Tat soll er bei einer Party damit geprahlt haben, den Anschlag von Saarlouis 1991 verübt zu haben. Daraufhin nahm die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen wieder auf – und klagte den Mann im April 2021 an.

Peter S. gab vor Gericht zu, in den 1990er Jahren rechtsradikal und gewaltbereit gewesen zu sein. Er will sich aber schon vor Jahren davon gelöst haben. Bei einer Hausdurchsuchung 2021 fanden Ermittler auf seinem Laptop allerdings Videos mit einschlägigen Inhalten.

Der Polizeipräsident des Saarlandes entschuldigte sich im Frühjahr 2021 öffentlich für die nachlässige und schlechte Ermittlungsarbeit nach dem Brandanschlag. Er setzte eine Arbeitsgruppe „Causa“ ein, die die Fehler aufarbeiten soll. Deren Arbeit ruht allerdings, wie ein Sprecher der Saar-Polizei der RHEINPFALZ jetzt sagte. Die Bundesanwaltschaft habe darum gebeten, die damaligen Ermittler so lange nicht zu befragen, bis der Koblenzer Prozess abgeschlossen ist. Das könnte im Februar der Fall sein.

x