US-Video-Konferenzsystem Wie weit darf Datenschutz gehen: Interessiert sich die CIA für den Lateintest in Speyer?

Online unterrichten: mit Microsoft Teams nicht mehr lang.
Online unterrichten: mit Microsoft Teams nicht mehr lang.

Für den Online-Unterricht nutzen etliche Schulen hierzulande Software des US-Anbieters Microsoft. Die soll im nächsten Schuljahr wieder verschwinden, fordert die Landesregierung. An einem Speyerer Gymnasium regt sich Widerstand.

Erich Clemens schlägt die Tasten am Klavier an. Er unterrichtet Musik. So wie immer. Seine Schüler können ihn sehen und hören. Zurzeit eben nicht persönlich, sondern über die Videofunktion am Computer. Er im Klassenzimmer, die Kinder zu Hause. Microsoft Teams macht es möglich – über alle Stufen und Fächer findet auch in Zeiten wie diesen am Friedrich-Magnus-Schwerd-Gymnasium in Speyer Unterricht nach Stundenplan statt. Schulleiter Clemens ist überzeugt von der Konferenz-Software des US-Konzerns. „Die funktioniert“, sagt er. Und meint, besser als etwa die Plattform Moodle, die das Land zur Verfügung stellt und die ihre Schwächen hat.

Suche nach Alternative, wenn Moodle in die Knie geht

Nach den Weihnachtsferien war Moodle reihenweise in die Knie gegangen. Als Ursache nannte das Bildungsministerium damals zunächst Hackerangriffe, sprach dann von DDos-Attacken – von massenhaft sinnlosen Datenanfragen an das System, das dadurch zusammenbrach. Ende Januar gab es erneut Probleme mit Moodle – ein System, das auf den Ansturm für den außerschulischen Unterricht ursprünglich nicht ausgelegt war. Die meisten Schulen in Rheinland-Pfalz nutzen die vom Land zur Verfügung gestellte Lernplattform Moodle und Big Blue Button. Moodle dient dem Austausch von Dateien, Aufgaben und Zensuren, Big Blue Button ist vor allem für Videokonferenzen da. Beides funktioniert laut Ministerium jetzt deutlich besser – und datenschutzkonform.

 Für den Online-Unterricht gibt es unterschiedliche Software. Die des US-Anbieters Microsoft ist Datenschützern ein Dorn in Auge
Kommentar

Ein Versäumnis: Video-Software wird nicht wissenschaftlich untersucht

Etliche Schulen suchten nach einer alternativen Software. Die IGS Rheinzabern (Landkreis Germersheim), die Privatschule Weierhof in Kirchheimbolanden (Donnersbergkreis), die Georg-von-Neumayer-Realschule in Kirchheimbolanden, die Berufsbildenden Schulen in Rodalben (Kreis Südwestpfalz) und Zweibrücken – sie alle sind mit ihrer Entscheidung für Teams zufrieden. Doch die Software soll nach dem Willen der Regierung im nächsten Schuljahr verboten werden – aus Datenschutzgründen.

Schulleiter: Verbot wäre fatal für viele Schulen

Und das ärgert nicht nur den Speyerer Schulleiter Clemens, sondern auch den des Max-Planck-Gymnasiums in Ludwigshafen: „Teams ist flüssig und erprobt, viel stabiler und intuitiver“, sagt Mike Thisling-Pfeifer, also leichter zu bedienen. Dessen Nutzung zu verbieten ohne eine funktionierende Alternative wäre seiner Meinung nach „fatal für viele Schulen“. Thisling-Pfeifer ist zugleich Sprecher der Vorderpfälzer Direktorenvereinigung. Ähnlich sieht es der Schulelternbeirat am Schwerd-Gymnasium Speyer. Der Vorsitzende des Beirats, Stefan-Robert Deibel, macht mobil.

Welche Auflagen der Datenschutz macht

Deibel will, dass Teams bleiben kann. Ein unter den Bedingungen bestmögliches System mit einem, wie er sagt, guten Kompromiss. Ihm geht der Datenschutz hier zu weit. Zu den Auflagen für die vom Landesdatenschutzbeauftragten geduldete Software gehört: Klarnamen der Schüler dürfen nicht verwendet, Noten nicht darüber kommuniziert werden. Der Kritikpunkt: US-Geheimdienste haben Zugriff auf alle Daten amerikanischer Firmen – selbst wenn, wie im Fall der Microsoft-Schulsoftware, die Speicherserver in Europa oder Deutschland stehen. Bis vor Kurzem wurde die Datenweitergabe in der EU über Sondervereinbarungen rechtlich geregelt. Das hat der Europäische Gerichtshof aber gekippt (Schrems-II-Urteil). Die Schulen selbst können frei über ein Videosystem entscheiden – solange der Datenschutzbeauftragte nichts dagegen hat. Und Eltern können für ihr Kind ein Veto einlegen, wenn sie gegen die Microsoft-Nutzung sind.

Mit sturer Haltung Bildung verhindern?

Judith Hartig, Juristin im Büro des Landesdatenschutzbeauftragten, findet, dass es genügend Alternativen zur US-Variante gebe. Gleichzeitig spricht sie von einem guten Kompromiss, dass Teams in diesem Schuljahr unter Auflagen genutzt werden darf. Sie kennt auch die Elternschelte wegen des Datenschutzes. „Sie mit Ihrer sturen Haltung, verhindern Bildung“, heiße es bisweilen in Mails.

„Was interessiert die CIA den Lateintest meines Sohnes?“, fragt Deibel provokativ. Bei einer Umfrage am Gymnasium hätten sich laut Deibel von 150 Eltern nur sechs nicht für die Weiternutzung der US-Software in Speyer ausgesprochen. Deibel, ein ehemaliger BASF-Manager, hat den Fraktionen im Landtag Post geschickt. Die Regierungsparteien SPD, FDP und Grüne verteidigen ihre Linie. „Langfristig kann die Nutzung von außereuropäischen Konferenzsystemen keine zukunftsfähige Lösung für unsere Schulen sein“, sagt etwa die SPD. Insbesondere dann, wenn es um sensible Schüler- und Lehrerdaten gehe, müsse der Datenschutz oberste Priorität haben.

CDU schlägt harten Ton im Wahlkampf an

Die CDU hat das Thema erkannt, zwei Landtagsabgeordnete unterstützen die Speyerer Eltern. Die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Anke Beilstein, schlägt harte Töne an im Wahlkampf: Das Lernen via Computer dürfe nicht an „ideologischer Verbohrtheit scheitern“. Keine Lernplattform sei per se unvereinbar mit dem Datenschutz. Andernfalls wäre es kaum möglich, dass Verwaltungen oder Wirtschaftsunternehmen damit arbeiten.

Dass Firmen die US-Software benutzen, ist in den Augen des Chaos Computer Clubs kein gutes Argument, wie Stefan Leibfarth vom Club in einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagte. Die Fehler der Firmen sollten andere nicht begehen. Auch die BASF nutzt Teams für Online-Besprechungen. Dort ist man sich bewusst, dass es dabei „datenschutzrechtliche Herausforderungen“ gibt. Streng vertrauliche Informationen dürfen über das System nicht genutzt werden, sagt die Pressestelle dazu.

Wie andere Bundesländer mit der US-Software umgehen

Auch in Bayern und Hessen ist die US-Software an Schulen im Einsatz. Langfristig will man aber weg davon und eine landeseigene Lösung finden.

In Baden-Württemberg nehmen rund 30 Schulen an einem Pilotprojekt des Kultusministeriums mit dem Produkt des Konzerns teil. Stefan Brink, Baden-Württembergs Datenschutzbeauftragter, hatte früher vor Microsoft gewarnt. Jetzt prüft der Jurist aus Kaiserslautern noch bis März, wohin welche Daten von Schulen abfließen. Etwa die Anmeldedaten oder Fehlermeldungen. Das weiß er schon. Microsoft habe versprochen: Man werde versuchen, europäische Daten vor Zugriffen zu schützen. Von echten Datenschutzpannen kann übrigens keines der vier befragten Bildungsministerien berichten. Hier geht es zum Kommentar

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