Rheinland-Pfalz Wem gehört der Kirchturm?

Die Glocke mit dem Hakenkreuz: Seit September wird sie auf Beschluss des Presbyteriums in Herxheim am Berg nicht mehr geläutet.
Die Glocke mit dem Hakenkreuz: Seit September wird sie auf Beschluss des Presbyteriums in Herxheim am Berg nicht mehr geläutet.

«HERXHEIM AM BERG.» Die Weinstraßengemeinde Herxheim am Berg kommt nicht zur Ruhe. Erst recht nicht, seit der Gemeinderat am Montagabend entschieden hat, die „Hitler-Glocke“ im Kirchturm hängen zu lassen. Jetzt stellt die Protestantische Landeskirche in Speyer eine überraschende Frage: Wem gehört der Turm eigentlich? Befindet er sich im Eigentum der Kirchengemeinde, hätte das Presbyterium und nicht der Gemeinderat zu entscheiden, was mit der Glocke passiert.

Der Herxheimer Pfarrer Helmut Meinhardt kann sich derzeit über mangelndes Interesse von Medienvertretern aus dem In- und Ausland nicht beklagen. Sie wollen wissen, was in dem Dorf los ist, warum die mit Hakenkreuz und der Inschrift „Adolf Hitler – Alles fürs Vaterland“ gestrafte Glocke aus dem Jahr 1934 noch immer im Kirchturm hängt. Nach einem im September getroffenen Beschluss des Presbyteriums läutet sie wenigstens nicht mehr. Ob überhaupt – und wenn ja, wann – die Glocke des Anstoßes wieder erklingen soll, über dieses heikle Thema will der Pfarrer demnächst mit dem Presbyterium sprechen. In dieser Situation hat Michael Gärtner die Initiative ergriffen. Der für das Dezernat Bildung, aber auch für die Aufarbeitung der NS-Zeit zuständige Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche der Pfalz hat die Juristen um eine Prüfung gebeten: Wem gehört der Kirchturm in Herxheim am Berg? Die Frage lässt sich keineswegs nur in dieser Gemeinde gar nicht so einfach beantworten. Hat ein solcher Turm doch auch weltliche Aufgaben. So zeigt die Uhr den Gläubigen wie den Ungläubigen die Zeit an. Und so manche Glocke hatte zumindest früher die Aufgabe, nicht nur zum Gottesdienst zu rufen, sondern auch beispielsweise bei einem Feuer Alarm zu schlagen. Die Folge: Mal gehört der Turm der Kommune, mal der Kirchengemeinde. Mal hat sich der Gemeinderat verpflichtet, einen Teil der Unterhaltung von Uhr und Alarmglocke zu tragen – so etwa in Herxheim am Berg –, mal schultert die Kirchengemeinde die Last allein. Vieles ist vor zig Jahren vereinbart, dann wieder geändert worden. Archivarbeit ist deshalb im Fall Herxheim am Berg gefragt. Ob das Ergebnis der Prüfung wohl bis Ostern abgeschlossen sein wird? Vermutlich nicht, schätzt der Oberkirchenrat. Sicher ist, dass die „Hitler-Glocke“ der weltlichen Gemeinde gehört. Über das Läuten hat freilich die Kirchengemeinde zu befinden. Und Michael Gärtner hält mit seiner persönlichen Meinung auch nicht hinter dem Berg, dass er es schlicht „unangemessen“ fände, wenn die Glocke ausgerechnet an Ostern, dem Fest der Auferstehung, wieder erklingen würde. Aber auch unabhängig vom Ostertermin hat Gärtner eine klare Haltung: „Unsere Empfehlung lautet: Die Glocke sollte abgehängt werden.“ Dazu hat die Landeskirche der politischen Gemeinde eine goldene Brücke gebaut: Sie würde die Kosten von rund 50.000 Euro für Demontage und Anschaffung einer neuen Glocke komplett übernehmen. Dafür nennt Gärtner zwei Gründe: „Wir befürchten, dass die Glocke zum Pilgerziel für Rechtsnationale wird.“ Und: „Für viele ist es unerträglich, wenn eine Adolf Hitler gewidmete Glocke zum Gottesdienst einlädt. Das ist unvereinbar mit dem Christentum.“ Das Argument, dass die Glocke als Mahnmal für die Jahre 1933 bis 1945 weiter im Turm verbleiben sollte, überzeugt den Oberkirchenrat nicht: „Man kann schlecht sagen, dass eine Glocke, auf der Adolf Hitler steht, für die Opfer des Nationalsozialismus läutet.“ Eine Aufstellung im Historischen Museum der Pfalz würde er dagegen als angemessen betrachten. Und zwar als Mahnmal für eine dunkle Vergangenheit, an der auch die Evangelische Kirche schwer zu tragen hat.

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